© Gestaltung: Tagesspiegel/ Seuffert; Foto: freepik

Der Streit um Markus Söders Kreuz-Erlass in Bayern oder den Chanukka-Leuchter an der Charité zeigt, wie unsicher ein wichtiger Konsens über das Staatswesen ist

17.12.2023, 10:56 Uhr

Was zu Deutschland gehört, ist unsicher geworden. Der Islam soll es nach Ideen der Christlich Demokratischen Union wohl nicht mehr sein. Und Muslime nur, wenn sie sich zu Werten bekennen, zu denen sich die CDU bekennt.

Gehört ein Chanukka-Leuchter zu Deutschland? Unbedingt. Hoffentlich. Nur vielleicht nicht in die Charité, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die habe die staatliche Religionsneutralität zu achten, heißt es von dort.

Gehört ein Weihnachtsbaum zu Deutschland? Er gehört zum Weihnachtsfest, das wiederum ein christliches ist. Verschwörer allerdings behaupten, die Baum-Tradition lasse sich auch aus dem Koran ableiten, da Maria im Schatten einer Palme entbunden habe.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Gehört das Kreuz zu Deutschland? Es gehört zu Bayern, jedenfalls seit Ministerpräsident Markus Söder es in Paragraf 28 der Geschäftsordnung für Behörden verankert und damit verordnet hat, es an den Amtseingängen „gut sichtbar“ anzubringen. Nicht wegen der Religion, sondern als „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung“.

Viel Widersprüchliches, viel Unklares. Am kommenden Dienstag wird man möglicherweise Erhellendes erfahren. Dann urteilt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über Söders Kreuz-Erlass. Geklagt hat der „Bund für Geistesfreiheit“, eine Konfessionslosen-Organisation, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts ebenfalls zu Deutschland gehört.

Bereits die Verhandlung des Falls brachte Interessantes. Es wurde immer fragwürdiger, worin genau sie bestehen soll, die religiöse Neutralität des Staates. Das Grundgesetz ist dazu schweigsam. In Karlsruhe, beim Bundesverfassungsgericht, wurden immer nur Einzelfälle entschieden - wie etwa beim Kopftuch für Lehrerinnen.

Die Söder-Kreuzvorschrift könnte Anlass geben, die staatliche Neutralität genauer zu fassen als bisher. Denn wie bei keinem anderen zeigt sie bei diesem Fall, wie jeder hier für sich in Anspruch nimmt, was ihm am besten passt. Sogar der Staat selbst.

Neutralität heißt nicht, alles neutralisieren zu müssen. Es ist ein relatives Konzept, kein absolutes. Das könnte beim Chanukka-Leuchter zu bedenken sein, auch bei Söder. Hätte er den Behörden statt des Kreuzes „gut sichtbar“ einen Tannenbaum verordnet, hätte es vielleicht keine Klagen gegeben. So ein Baum steht für sich.

Zur Startseite

QOSHE - Bäume, Kreuze und staatliche Neutralität : Was alles irgendwie zu Deutschland gehört - Jost Müller-Neuhof
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Bäume, Kreuze und staatliche Neutralität : Was alles irgendwie zu Deutschland gehört

5 0
19.12.2023

© Gestaltung: Tagesspiegel/ Seuffert; Foto: freepik

Der Streit um Markus Söders Kreuz-Erlass in Bayern oder den Chanukka-Leuchter an der Charité zeigt, wie unsicher ein wichtiger Konsens über das Staatswesen ist

17.12.2023, 10:56 Uhr

Was zu Deutschland gehört, ist unsicher geworden. Der Islam soll es nach Ideen der Christlich Demokratischen Union wohl nicht mehr sein. Und Muslime nur, wenn sie sich zu Werten bekennen, zu denen sich die CDU bekennt.

Gehört ein Chanukka-Leuchter zu Deutschland? Unbedingt. Hoffentlich. Nur vielleicht nicht in die Charité, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die habe die staatliche Religionsneutralität zu achten, heißt es von dort.

Gehört ein Weihnachtsbaum zu Deutschland? Er gehört zum Weihnachtsfest, das wiederum........

© Der Tagesspiegel


Get it on Google Play