Der Krieg ist eine einzige Verstrickung. Je länger die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas dauern, desto weniger wird ein Ausweg sichtbar. Was es gibt: kurzfristige Vereinbarungen mit klarem Ablaufdatum, die von Tag zu Tag eine Feuerpause gegen Freiheit für Gruppen von Geiseln sichern. Woran gearbeitet wird: Pläne für die Zeit danach. Was fehlt: Lösungen, wie dieser Krieg ein Ende finden kann.

Natürlich haben beide Kriegsparteien eine klare Vorstellung davon, wie das Ende aussehen könnte. Die Hamas, die den Krieg mit ihrem Terrorüberfall provoziert hat, träumt von einer Rückkehr zum Status quo ante, die ihr die Macht im Gazastreifen sichert. Israel dagegen hat die Vernichtung der Hamas zum Kriegsziel erklärt, und weil der jüdische Staat über eine der stärksten Armeen der Welt verfügt, steht zumindest ein militärischer Sieg ausser Frage. Genauso fraglos aber ist, dass der Preis dafür – an zivilen Opfern, an Zerstörung – immens hoch wäre.

Deshalb braucht auch Israel einen Ausweg, allen donnernden Ankündigungen der politischen und militärischen Führung zum Trotz, den Krieg «bis zum Ende» zu führen. Ein Grund dafür ist, dass es ein allzu bitterer Sieg wäre, Hamas-Chef Jahia Sinwar und seine Mordgesellen zu töten, wenn dafür das Leben der noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln geopfert werden müsste. Ein anderer Grund ist, dass die bisherige Art der Kriegsführung so nicht weitergehen kann. Denn der nächste logische militärische Schritt wäre eine Ausweitung des Bodenkriegs auf den Süden des Gazastreifens, in dem sich jetzt fast zwei Millionen Menschen schutzlos drängen. Die Zahl der unschuldigen Opfer würde dabei voraussichtlich in solche Höhen getrieben, dass dies auch Israels Verbündete im Westen nicht auf unabsehbare Zeit tolerieren würden. Zu laut wäre der Aufschrei der Öffentlichkeit, zu gross die Gefahr eines regionalen Flächenbrands.

Angesichts dieser Zwangslagen sollte sich jedoch niemand der falschen Hoffnung hingeben, dass ein Handel, wie er nun von den Vermittlern in Katar vorbereitet wird, irgendeine Chance hat: Freiheit für alle israelischen Geiseln gegen die Freilassung aller oder einer grossen Zahl palästinensischer Häftlinge im Rahmen eines dauerhaften Waffenstillstands – das ist für Israel nicht akzeptabel. Es wäre eine Belohnung und ein perfider Sieg für die Hamas, die ihr Zerstörungswerk nach einer Phase des Kräftesammelns weiterführen würde.

Es gibt deshalb nur einen Weg, die endlosen Kämpfe und das sinnlose Sterben zu beenden: Die Hamas muss die Waffen niederlegen und die Macht über Gaza abgeben. Das mag nach einer naiven Forderung klingen, zumal bei einer Terrortruppe, die dem Märtyrerkult frönt. Doch unter drei Voraussetzungen könnten zumindest die Chancen dafür ausgelotet werden.

Katar, Ägypten und andere arabische Staaten müssen maximalen Druck für eine solche Lösung auf die Hamas ausüben und gegebenenfalls Exil bieten. Israel muss vom Kriegsziel der kompletten Vernichtung abrücken und einen Rückzug erlauben – in der bitteren Gewissheit, dass die Hamas als Terrortruppe weiterkämpft, aber immerhin kein staatsähnliches Gebilde mehr kontrolliert. Die Weltgemeinschaft hat dann die Aufgabe, hinter dem Schlachtfeld einen politischen Horizont zu eröffnen: mit einem Plan, die Leerstelle in Gaza zu füllen; mit Verhandlungen zu einer Zweistaatenlösung.

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QOSHE - Wie dieser Krieg ein Ende finden kann – vielleicht - Peter Münch
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Wie dieser Krieg ein Ende finden kann – vielleicht

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01.12.2023

Der Krieg ist eine einzige Verstrickung. Je länger die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas dauern, desto weniger wird ein Ausweg sichtbar. Was es gibt: kurzfristige Vereinbarungen mit klarem Ablaufdatum, die von Tag zu Tag eine Feuerpause gegen Freiheit für Gruppen von Geiseln sichern. Woran gearbeitet wird: Pläne für die Zeit danach. Was fehlt: Lösungen, wie dieser Krieg ein Ende finden kann.

Natürlich haben beide Kriegsparteien eine klare Vorstellung davon, wie das Ende aussehen könnte. Die Hamas, die den Krieg mit ihrem Terrorüberfall provoziert hat, träumt von einer Rückkehr zum Status quo ante, die ihr die Macht im Gazastreifen sichert. Israel dagegen hat die Vernichtung der Hamas zum Kriegsziel erklärt, und weil der jüdische Staat über eine der stärksten Armeen der Welt verfügt, steht zumindest ein militärischer Sieg........

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