Dass Geheimdienste und Armee in Israel versagt haben, war schon unmittelbar nach den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober klar. Aber nun wird das Ausmass des Desasters deutlich. Wie Recherchen der «New York Times» belegen, gab es einen detaillierten Schlachtplan der Hamas-Terroristen, etwa 40 Seiten lang. Und offizielle Stellen in Israel hatten seit einem Jahr Kenntnis davon. Aber: Nichts geschah.

Die Verantwortlichen unterschätzten grob fahrlässig die Kapazitäten der Hamas, einen solch konzertierten Grossangriff ausführen zu können. Dabei geschahen die Vorbereitungen dafür quasi vor ihren Augen. Israelische Soldatinnen, die einem Beobachtungstrupp angehörten, wiesen darauf hin, was sie gesehen hatten: dass Hamas-Terroristen die Einnahme eines militärischen Postens trainieren und an einem nachgebauten israelischen Panzer üben, wie man Soldaten als Geiseln nimmt. Immer häufiger näherten sich auch Drohnen von palästinensischer Seite dem Grenzzaun. Aber all diese Warnungen wurden nicht ernst genommen.

Drei Viertel der Israelis lasten Premier Netanyahu zumindest eine Mitschuld an diesem Totalversagen an.

Die Verantwortlichen in Armee und Geheimdiensten haben ihr Versagen auch schon öffentlich eingestanden und für die Zeit nach Kriegsende eine ausführliche Analyse versprochen, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. Nur einer hat bisher nicht einmal Mitschuld eingeräumt: Benjamin Netanyahu. Der Premier versuchte sogar öffentlich, in einem Tweet Verantwortung abzuwälzen, indem er darauf hinwies, vorab nicht informiert worden zu sein. Das war sein Versuch, sich reinzuwaschen – auch wenn er später für diesen Tweet um Entschuldigung bat.

Umfragen zeigen jedoch: Drei Viertel der Israelis lasten ihm zumindest eine Mitschuld an diesem Totalversagen an. Dieser Schuldspruch ist in der öffentlichen Meinung also gefällt. Aber Rücktritte reichen nicht aus. Es braucht auch deshalb eine schonungslose Aufarbeitung, weil nur so die israelische Armee zurückgewinnen kann, was verloren gegangen ist: das Vertrauen, dass dieser Staat seine Bürger tatsächlich schützen kann.

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QOSHE - Was da nur alles schiefgelaufen ist - Alexandra Föderl-Schmid
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Was da nur alles schiefgelaufen ist

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02.12.2023

Dass Geheimdienste und Armee in Israel versagt haben, war schon unmittelbar nach den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober klar. Aber nun wird das Ausmass des Desasters deutlich. Wie Recherchen der «New York Times» belegen, gab es einen detaillierten Schlachtplan der Hamas-Terroristen, etwa 40 Seiten lang. Und offizielle Stellen in Israel hatten seit einem Jahr Kenntnis davon. Aber: Nichts geschah.

Die Verantwortlichen unterschätzten grob fahrlässig die Kapazitäten der Hamas, einen solch konzertierten Grossangriff ausführen zu........

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