Tadzio Müller ist Queeraktivist. Im Newsletter friedlichesabotage.net schreibt er gegen den „Normalwahnsinn“ an. Für den Freitag schreibt er abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.

Nie wieder – da möchte ich Deutschland beim Wort nehmen. „Nie wieder!“ muss ganz zentral heißen: nie wieder Faschismus in Deutschland, nie wieder (teils) faschistische Parteien an der Macht, nie wieder mörderische Hetzjagden auf marginalisierte Minderheiten. Wenn aber „nie wieder Faschist*innen an der Macht“ ein Versprechen der deutschen Verfassung ist, dann haben wir ein Problem: denn eine Partei, die in drei Bundesländern – Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – als „gesichert rechtsextremistisch“ gilt, ist die zweitstärkste Partei im Land. Im Osten liegt sie mit 32 Prozent weit vor der CDU mit 24 Prozent, die Ampelparteien kommen zusammen auf bloße 25 Prozent.

Dazu kommt, dass nächstes Jahr in drei Ostbundesländern Wahlen anstehen: in Sachsen und in Brandenburg, wo der Naziskin Andreas Kalbitz Strippenzieher der AfD war. Und auch in Thüringen, wo die ehemalige „Brandmauer“ zwischen den demokratischen Parteien und der AfD ungefähr so solide und brandsicher ist wie eines dieser Tarnnetze, die manchmal in schwulen Clubs die Darkrooms abtrennen.

Wir stehen also kurz vor einer Situation, wo die Merz-geführte CDU (nach rechts offener als ein fisting bottom auf einer Sexparty) und die Lindner-Kubicki-FDP darüber entscheiden, ob wir ein schwedisches oder ein italienisches Szenario erleben werden. Also entweder eine von den Faschisten tolerierte Minderheitsregierung oder einfach gleich eine Koalition unter Führung der AfD. Wem das zu dramatisch klingt, der unterschätzt die Macht des kollektiven Coming-outs der Arschlochgesellschaft: Die Rechten schämen sich halt nicht mehr, Arschlöcher und Faschisten zu sein. In dieser Situation scheint mir ein AfD-Verbot – mindestens in den Bundesländern, in denen sie gesichert rechtsextremistisch ist, aber besser noch auf Bundesebene – das probate und gleichzeitig einzige Mittel, diese Partei von der Regierungsmacht fernzuhalten.

Genau dafür existiert das Mittel des Parteiverbots im Grundgesetz, um Schaden von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FdGO) abzuwenden. Und wer glaubt, dass Nazis sich an die FdGO halten, für den hab ich, Triggerwarnung, ein Goebbels-Zitat: „Wir gehen in den Reichstag, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, (…) ist das ihre eigene Sache.“ Daher greift auch der demokratietheoretische Einwand nicht, dass man nicht einfach ein Drittel der Bevölkerung politisch entmündigen dürfe: Klar wäre das ein krasser Move, der viel Gegenwehr mit sich bringen würde. Aber die Demokratie muss ja nicht so dumm sein, wie sie es damals war. Sie muss, nein, sie darf sich nicht mit ihren eigenen Mitteln abschaffen lassen. Und natürlich kann man, wie oft entgegnet wird, keine Ideologien verbieten. Aber man kann sehr wohl Strukturen zerschlagen und staatliche Finanzierungen einstellen.

Letzter Punkt: Warum steht das in einer queeren Kolumne? Weil, you know, Klaus Theweleits Männerfantasien: schwule Nazis, Röhm, Kühnen und natürlich Alice Weidel. Aber wer nach Russland schaut, in die USA, nach Ungarn, Polen, Italien, nach Brasilien unter Bolsonaro, in die deutsche Vergangenheit, sieht: Der Faschismus, vor allem der Klerikalfaschismus, ist der natürliche Feind aller Queers. Wird sein stärkstes Bollwerk im Land verboten, kann das für uns nur gut sein.

QOSHE - Super Safe Space | Brandmauer gegen Rechts: So sicher wie ein Tarnnetz im Darkroom - Tadzio Müller
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Super Safe Space | Brandmauer gegen Rechts: So sicher wie ein Tarnnetz im Darkroom

6 0
14.12.2023

Tadzio Müller ist Queeraktivist. Im Newsletter friedlichesabotage.net schreibt er gegen den „Normalwahnsinn“ an. Für den Freitag schreibt er abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.

Nie wieder – da möchte ich Deutschland beim Wort nehmen. „Nie wieder!“ muss ganz zentral heißen: nie wieder Faschismus in Deutschland, nie wieder (teils) faschistische Parteien an der Macht, nie wieder mörderische Hetzjagden auf marginalisierte Minderheiten. Wenn aber „nie wieder Faschist*innen an der Macht“ ein Versprechen der deutschen Verfassung ist, dann haben wir ein Problem: denn eine Partei, die in drei Bundesländern – Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – als „gesichert rechtsextremistisch“ gilt, ist die zweitstärkste Partei im Land. Im Osten liegt sie mit 32 Prozent weit vor der CDU mit 24 Prozent, die........

© der Freitag


Get it on Google Play