Ich habe vor drei Wochen nach acht Jahren Pause wieder mit dem Fußballspielen angefangen. Einerseits ist das super und passt gut in meinen neuen Lebensabschnitt – einen ohne chemische Drogen und mit neuem Buchprojekt, einen, in dem die Klimabewegung erst mal darniederliegt.

Da brauche ich körperliche Ablenkung, brauche Orte, wo es nicht gegen Polizei und fossiles Kapital geht, sondern im schlimmsten Fall gegen einen abschlusssicheren Stürmer. Wo es nicht um Klimagerechtigkeit geht, sondern darum, eine aufgeblasene Lederkugel entweder ins Tor zu befördern, oder, in meinem Fall, die Lederkugel nichts ins Tor zu lassen.

Andererseits, und das frage ich als jemand, der eben seit 40 Jahren kontinuierlich – trotz kurzer Gastspiele im Tischtennis-, im Handball- oder im Rugbyverein – immer wieder zum Fußball zurückkehrte: Ist mein Comeback als out-and-proud schwuler Mann im deutschen Männerfußball wirklich etwas, das ich feiern sollte? Immerhin verachte ich die symbolisch führende Instanz im deutschen Männerfußball, die Bundesliga, mit derselben Wucht, die ich als schwuler Kommunist sonst für die katholische Kirche reserviere.

Erstens, weil die Fußballstadien Deutschlands zu den widerlichsten patriarchalen, rassistischen und den queerfeindlichsten Räumen gehören, die es hierzulande gibt. Immer wieder sehen wir in Fankurven in Cottbus und Braunschweig, in Rostock und andernorts rabiat rassistische oder queerfeindliche Transpis in den Ultrakurven. Wegen dieser sich bedingenden Verbindung zwischen Männerfußball, toxischer Männlichkeit und Gewaltbereitschaft bin ich, ohne dabei die linken Ultras zu ignorieren, überzeugt, dass Fußballstadien eine Art Inkubator der faschistischen Offensive werden.

Zweitens ist es weiterhin so, dass die schwulen Männer, mit denen ich mich unterhalte, den Fußball als junge Männer so erlebt haben, dass er sie kulturell ausschloss. I know it’s a cliché, aber ihr wärt überrascht, wie oft mir das Leute immer noch erzählen. Immer noch gibt es viele Schwule, die sich deswegen an den Sportunterricht mit Grauen erinnern. Aus diesen Gründen war ich zuerst durchaus skeptisch, in meinen alten, hetendominierten Fußballverein zurückzukehren.

Drittens gibt es im deutschen Profimännerfußball immer noch keinen aktiven Spieler, der ein schwules Outing wagt (der Freitag 7/2024). Ich weiß nicht, welche andere kulturell so einflussreiche Institution derartig hohe Barrieren für queere Männer hat, und das nehme ich dem Männerfußball sehr übel.

Zwei Dinge aber überzeugten mich: Neben der Spielfreude, die ich vom ersten Moment an spürte, war es das warme, offene Willkommen, das mir meine alte Crew (von der nur noch wenige da sind, immerhin war ich acht Jahre weg) auf dem Platz und in der Kabine bereitete. Danke dafür.

Möglicherweise bahnt sich eine Zeitenwende an: Der Männerfußball soll endlich sein erstes Coming-out eines aktiven Profispielers erleben. Mitorganisiert und in Deutschland federführend kommuniziert vom schwulen ehemaligen Jugendnationalspieler Marcus Urban. Am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, soll ein Gruppen-Coming-out mehrerer aktiver männlicher Profis stattfinden.

Vielleicht ändert sich manches doch. Ich harre gespannt der Dinge und freue mich auf heute Abend: Da stehe ich dann wieder als stolzer, schwuler Torwart auf dem Platz.

Tadzio Müller ist Queeraktivist. Im Newsletter friedlichesabotage.net schreibt er gegen den „Normalwahnsinn“ an. Für den Freitag schreibt er abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.

QOSHE - Kolumne | Meine Rückkehr auf den Fußballplatz als stolzer, schwuler Torwart - Tadzio Müller
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Kolumne | Meine Rückkehr auf den Fußballplatz als stolzer, schwuler Torwart

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24.02.2024

Ich habe vor drei Wochen nach acht Jahren Pause wieder mit dem Fußballspielen angefangen. Einerseits ist das super und passt gut in meinen neuen Lebensabschnitt – einen ohne chemische Drogen und mit neuem Buchprojekt, einen, in dem die Klimabewegung erst mal darniederliegt.

Da brauche ich körperliche Ablenkung, brauche Orte, wo es nicht gegen Polizei und fossiles Kapital geht, sondern im schlimmsten Fall gegen einen abschlusssicheren Stürmer. Wo es nicht um Klimagerechtigkeit geht, sondern darum, eine aufgeblasene Lederkugel entweder ins Tor zu befördern, oder, in meinem Fall, die Lederkugel nichts ins Tor zu lassen.

Andererseits, und das frage ich als jemand, der eben seit 40 Jahren kontinuierlich – trotz kurzer Gastspiele im Tischtennis-, im Handball- oder im Rugbyverein – immer wieder zum Fußball zurückkehrte: Ist mein Comeback als out-and-proud schwuler Mann im deutschen........

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