Nina Scholz schreibt in ihrer Kolumne Politik von unten unter anderem über Arbeitskämpfe und die so genannte Gig-Economy

Seit Jahrzehnten sind wir an die Nachricht gewöhnt, die Reichen seien noch reicher, die Armen noch ärmer geworden, gerade hat es der Oxfam-Bericht wieder verkündet: Die reichsten sechs Millionäre – darunter Jeff Bezos, Elon Musk und Warren Buffett – haben ihr Vermögen seit 2020 noch mal verdoppelt. Zugleich wurden fünf Milliarden Menschen, die ärmsten 60 Prozent, noch ärmer.

Fast zeitgleich zum Oxfam-Bericht gab es aber eine Nachricht, von der sich immerhin etwas lernen lassen könnte, um diesen Prozess zu verändern: Verdi gab neue Mitgliederzahlen bekannt. Lange war auch das kein Grund zur Freude: Ein Teil der Erzählung von jener Schere zwischen Arm und Reich ist, dass die Gewerkschaften immer schwächer werden.

Jetzt aber kann die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft auf das „bislang erfolgreichste Jahr seit ihrer Gründung 2001“ zurückblicken. 2023 seien „mehr als 193.000 neue Mitglieder beigetreten“. Am stärksten war die Entwicklung in drei ostdeutschen Landesbezirken: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Und bemerkenswert groß sei der Zulauf unter Mitgliedern gewesen, die jünger als 28 Jahre sind: 50.500 neue Kollegen und Kolleginnen!

Mitentscheidend dafür, sagt Verdi-Chef Frank Werneke, seien die Erfolge bei großen Tarifrunden, etwa bei der Deutschen Post, im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen oder bei den Ländern gewesen: „Dabei konnten Abschlüsse durchgesetzt werden, mit denen die Preissteigerungen durch überdurchschnittliche Lohnerhöhungen in unteren Entgeltgruppen erfolgreich aufgefangen werden konnten.“

Ist dieser Trend also wieder vorbei, sollte die Inflation spürbar nachlassen? Eher nicht. Verdi hat sich mit einem Vorstand, der Mitgliedergewinnung und Arbeitskämpfe stärker als andere unterstützt, zu einer streikfreudigen Gewerkschaft entwickelt. Verändert hat sich auch die Gewerkschaftskultur: Anstatt von Stellvertreter-Politik, hierarchischen Barrieren zwischen Basis und Hauptamtlichen sowie Verhandlungen hinter verschlossenen Türen sind in einigen Fachbereichen heute Beteiligung, Öffnung und Ansprache die Regel. Das motiviert zum Gewerkschaftseintritt.

Und das braucht Verdi auch in der Zukunft, denn den 193.000 Eintritten 2023 stehen 153.000 Abgänge gegenüber, der Nettozuwachs beträgt 40.000, damit gibt es nun insgesamt 1,9 Millionen Mitglieder. Gestartet war Verdi 2001 mit 2,8 Millionen. Das sollte wohl Grund genug sein für die Gewerkschaft, ihren eingeschlagenen Kurs für alle kommenden Tarifrunden bloß nicht aufzugeben, sondern im Gegenteil, ihn noch zu intensivieren.

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Kolumne | Gute Nachrichten für Verdi: So viele neue Mitglieder wie noch nie

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20.01.2024

Nina Scholz schreibt in ihrer Kolumne Politik von unten unter anderem über Arbeitskämpfe und die so genannte Gig-Economy

Seit Jahrzehnten sind wir an die Nachricht gewöhnt, die Reichen seien noch reicher, die Armen noch ärmer geworden, gerade hat es der Oxfam-Bericht wieder verkündet: Die reichsten sechs Millionäre – darunter Jeff Bezos, Elon Musk und Warren Buffett – haben ihr Vermögen seit 2020 noch mal verdoppelt. Zugleich wurden fünf Milliarden Menschen, die ärmsten 60 Prozent, noch ärmer.

Fast zeitgleich zum Oxfam-Bericht gab es aber eine Nachricht, von der sich immerhin etwas lernen lassen könnte, um diesen Prozess zu verändern: Verdi........

© der Freitag


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