Es ist eine entscheidende Wahlnacht im November 1952. Nicht nur für Amerika und die Welt, sondern auch für zwei junge Männer, die einander bei der Siegesfeier des aufstrebenden Senators Joseph McCarthy für den neuen Präsidenten Dwight D. Eisenhower zum ersten Mal begegnen. Der Kriegsheld Eisenhower wird mit seiner Abschreckungspolitik das Land massiv aufrüsten, McCarthy, der Emporkömmling aus Wisconsin, wird sich obsessiv auf die Jagd nach Kommunisten begeben. Und nach Homosexuellen. Die beiden jungen Männer, die einander an der Bar zuprosten, beginnen stattdessen eine jahrzehntelange Liebesbeziehung.

„No more fellow travelers“ sollen sich, so McCarthy, in Washington herumtreiben, also kommunistische Sympathisanten und Mitläufer. Hawkins „Hawk“ Fuller (Matt Bomer) und Tim Laughlin (Jonathan Bailey) brauchen sich noch keine Sorgen zu machen, als solche bezeichnet zu werden: Fuller ist die rechte Hand eines väterlichen Senators, dessen Tochter er bald heiraten wird. Er ist eloquent, sieht gut aus und ist Schwarm aller Schwiegermütter. Laughlin ist ein kurzsichtiger Intellektueller und streng katholischer Antikommunist, der in Washington Fuß fassen möchte, aber daran scheitert, an der Bar ein Glas Milch zu bestellen. Fuller, der ihm einen Bürojob bei McCarthy verschaffen wird, übernimmt die Bestellung und wenig später im Bett die Führung.

Eingebetteter Medieninhalt

Fellow Travelers (acht Episoden auf Paramount+) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Mallon und erzählt die Liebesgeschichte von Fuller und Laughlin über einen Zeitraum von dreißig Jahren. Der 71-jährige Mallon ist selbst schwuler Republikaner, nach dem Wahlsieg Trumps aus der Partei ausgetreten und dafür bekannt, dass er seine „Bystander“-Erzählungen in akkurat recherchierten Kontext einbettet. Das Nebeneinander von fiktiven Charakteren, realen Personen und zeithistorischen Ereignissen ist als eigenes Subgenre zwar bekannt, für Mallon mit politischen Romanen wie Watergate und Landfall jedoch zum Markenzeichen geworden.

Tatsächlich bieten sich die frühen 1950er-Jahre, wo die Serie ihre ersten fünf Episoden verbringt, als gesellschaftspolitischer Hintergrund nachgerade an, liefert Fellow Travelers auch im Serienformat einen luziden Blick in die Hinterzimmer Washingtons: Die Hinrichtung von Julius und Ethel Rosenberg; das Verhör von Langston Hughes („In a little while they will send Negroes to jail for being Negroes“) im Zuge von McCarthys „Hexenjagd“; die unheilvolle Rolle Roy Cohns – später Protegé des jungen Donald Trump – als McCarthys schmieriger Berater; aber auch die massenhafte Entlassung von Angestellten im öffentlichen Dienst im Zuge des „Lavender Scare“ sind mehr als nur Ausmalung für eine schwule Liebesgeschichte.

Fellow Travelers erzählt von einem Klima der Angst, von Diffamierungen und Lügendetektoren. Aber mit derselben Aufmerksamkeit von einer heimlichen Parallelwelt in Männertoiletten, in Clubs mit Dragqueens – und von Regeln, die einzuhalten besonders dem emotionsgesteuerten Laughlin schwerfällt.

Entwickelt von Ron Nyswaner, der mit Philadelphia (1993) das wohl bekannteste AIDS-Drama Hollywoods schrieb, ist Fellow Travelers eine Prestigeserie, in der selbst die Aschenbecher verdammt gut aussehen. Goldgelb leuchtet der Whisky, braun sind die Hinterzimmer und grau die Anzüge, die erst beim explizit dargestellten Sex abgelegt werden. Dass die langjährige Liebschaft ein böses Ende genommen hat, erfährt man indes gleich zu Beginn in Form einer Rahmenerzählung, als ein gemeinsamer Freund, der Journalist und Bürgerrechtskämpfer Marcus (Jelani Aladin), im Jahr 1986 in Fullers schmucker Vorstadtvilla auftaucht: Laughlin liegt, Tausende Meilen entfernt, an AIDS erkrankt im Sterben, will Fuller aber nicht mehr sehen. Worauf sich dieser natürlich in das nächste Flugzeug setzt. Wissend, dass seine Frau alles weiß, aber seit Jahrzehnten schweigt.

Mit dem Sprung in die späten Sechziger und die Gegenwart der Achtziger ändern sich Atmosphäre und Stimmung, die getrennten Wege schaffen veränderte Beziehungen.

Das Lügen würde mit der Zeit immer leichter fallen, so Hawkins, weil man gar keine andere Wahl habe. Fellow Travelers erzählt vom Gegenteil, nämlich wie die Lüge zu einer des Lebens wird. Und man sich dennoch niemals an die Lebenslüge gewöhnt.

QOSHE - Serie | „Fellow Travelers“: Selbst die Aschenbecher sehen verdammt gut aus - Michael Pekler
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Serie | „Fellow Travelers“: Selbst die Aschenbecher sehen verdammt gut aus

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03.11.2023

Es ist eine entscheidende Wahlnacht im November 1952. Nicht nur für Amerika und die Welt, sondern auch für zwei junge Männer, die einander bei der Siegesfeier des aufstrebenden Senators Joseph McCarthy für den neuen Präsidenten Dwight D. Eisenhower zum ersten Mal begegnen. Der Kriegsheld Eisenhower wird mit seiner Abschreckungspolitik das Land massiv aufrüsten, McCarthy, der Emporkömmling aus Wisconsin, wird sich obsessiv auf die Jagd nach Kommunisten begeben. Und nach Homosexuellen. Die beiden jungen Männer, die einander an der Bar zuprosten, beginnen stattdessen eine jahrzehntelange Liebesbeziehung.

„No more fellow travelers“ sollen sich, so McCarthy, in Washington herumtreiben, also kommunistische Sympathisanten und Mitläufer. Hawkins „Hawk“ Fuller (Matt Bomer) und Tim Laughlin (Jonathan Bailey) brauchen sich noch keine Sorgen zu machen, als solche bezeichnet zu werden: Fuller ist die rechte Hand eines väterlichen Senators, dessen Tochter er bald heiraten wird. Er ist eloquent, sieht gut aus und ist Schwarm aller Schwiegermütter. Laughlin ist ein kurzsichtiger Intellektueller........

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