Die deutsche Linke braucht stets einen Paradiesstaat, auf den sie ihre Sehnsüchte projizieren kann. Seit langer Zeit nimmt beispielsweise das „revolutionäre Kuba“ diese Rolle ein. Gerade für ehemalige SED-Mitglieder ist die Trauminsel attraktiv, Ossis müssen sich nicht entscheiden, Kuba hat beides: Stasi und Bananen. Ein solcher Paradiesstaat war auch die Sowjetunion, seit der Oktoberrevolution das „Vaterland aller Proletarier“.

Wen interessieren Gulags und Millionen Tote in den Hungerkatastrophen oder auch die Massenerschießungen während der Stalin’schen Säuberungen? Das blinde Morden, „la terreur“, gehörte schon in der Französischen Revolution dazu, wie auch der Genozid in der Vendée mit wohl mindestens 200.000 Opfern. Aber wer weiß das noch? Der Sturm auf die Bastille wird bis heute gefeiert, ebenso wie der Sturm aufs Winterpalais. Vielleicht wird es Zeit für einen neuen Paradiesstaat?

Mein Vorschlag: Österreich. Warum nicht? Die Leute leben dort tatsächlich im Wohlstand. Allein schon das Essen: Kaiserschmarrn, Wiener Schnitzel, Tafelspitz, Gulasch oder Käsespätzle und so fort – deliziös! Der Humor ist auch besser. Ich meine nicht nur den Wiener Schmäh. In Klagenfurt habe ich vor Jahren mal im Wirtshaus „Zum Pumpe“ ein kleines Bier bestellen wollen, worauf Mutter Oberin meinte: „Laaf a Runde um die Häuser. Und wennst wiederkummst, hast an Duarscht und bestellst a Großes.“

Kommunisten, so viel wissen wir noch aus alter Zeit, sind Tote auf Urlaub. Warum den Urlaub nicht in Österreich verbringen, im Paradies? Mag sein, dass die deutsche Linke nicht immer gute Erfahrungen mit Politikern aus Österreich gemacht hat (Stichwort Karl Kautsky). Doch ausgerechnet in der Alpenrepublik, in Robert Musils „Kakanien“, feiert der Kommunismus fröhliche Urständ. Und wenn man sieht, was die Genossen unter Kommunismus verstehen, ist das eine gute Nachricht.

War die KPÖ erst nur in der Steiermark ein ernst zu nehmender politischer Faktor – die Kommunisten sind im Landtag vertreten und stellen in Graz die Bürgermeisterin –, kam mittlerweile auch das Salzburger Land hinzu. Dass die KPÖ Plus hier im Landtag reüssieren konnte und jetzt in der Stichwahl fürs Salzburger Rathaus steht, hat die Partei nicht zuletzt ihrem Spitzenkandidaten zu verdanken: Kay-Michael Dankl, ehemals Bundesvorsitzender der Grünen Jugend. Ein ruhiger, zurückhaltender und klar formulierender Mann, der habituell eher einem Pfarrer ähnelt. Aber genau das könnte seine Chance sein. Vergangenen Sonntag fehlten ihm nur 821 Stimmen, um den SPÖ-Kandidaten auf Platz zwei zu verweisen.

Noch mal für die Statistik: Im ersten Wahlgang hatte die KPÖ Plus einen Stimmenzuwachs von beinahe 20 Prozent zu verzeichnen! Weil es bei den österreichischen Kommunisten Usus ist, dass die Amts- und Mandatsträger den Teil ihres Einkommens spenden, der den durchschnittlichen Facharbeiterlohn von 2.300 Euro netto übersteigt, käme bei einem Sieg in der Stichwahl einiges an Spenden zusammen. Die Bezüge des Salzburger Bürgermeisters belaufen sich auf 15.000 Euro!

Bedauerlicherweise erzielt die KPÖ aber in österreichweiten Umfragen ähnliche Werte wie hierzulande die Linkspartei, während die rechtsextreme FPÖ momentan bei 31 Prozent liegt. Im Herbst ist Nationalratswahl: Wenn schon blau, dann Bierpartei! Die Demoskopen sehen die bekennenden Trinker aus dem Umfeld der Punkband Turbobier seit Monaten schon bei ungefähr sechs Prozent. Für den Einzug ins Bundesparlament würde das reichen. Und Grund zum Saufen würde es auch geben, unter einem Kanzler Kickl.

Karsten Krampitz hat zuletzt im Verbrecher-Verlag das Buch Pogrom im Scheunenviertel. Antisemitismus in der Weimarer Republik und die Berliner Ausschreitungen 1923 veröffentlicht und schreibt im Freitag die monatliche Kolumne „Sucht und Ordnung“.

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Kolumne | KPÖ-Wahlerfolg: Österreich – der neue Paradiesstaat deutscher Linker

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12.03.2024

Die deutsche Linke braucht stets einen Paradiesstaat, auf den sie ihre Sehnsüchte projizieren kann. Seit langer Zeit nimmt beispielsweise das „revolutionäre Kuba“ diese Rolle ein. Gerade für ehemalige SED-Mitglieder ist die Trauminsel attraktiv, Ossis müssen sich nicht entscheiden, Kuba hat beides: Stasi und Bananen. Ein solcher Paradiesstaat war auch die Sowjetunion, seit der Oktoberrevolution das „Vaterland aller Proletarier“.

Wen interessieren Gulags und Millionen Tote in den Hungerkatastrophen oder auch die Massenerschießungen während der Stalin’schen Säuberungen? Das blinde Morden, „la terreur“, gehörte schon in der Französischen Revolution dazu, wie auch der Genozid in der Vendée mit wohl mindestens 200.000 Opfern. Aber wer weiß das noch? Der Sturm auf die Bastille wird bis heute gefeiert, ebenso wie der Sturm aufs Winterpalais. Vielleicht wird es Zeit für einen neuen Paradiesstaat?

Mein Vorschlag: Österreich. Warum nicht? Die Leute leben dort........

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