Zwei Wochen lang (ab Mittwoch, dem 6. März) kann man sich im Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz die Werke von Thomas Plenert auf großer Leinwand ansehen. Ein Geschenk des Kinos an interessierte Zuschauer, die keinen Eintritt bezahlen müssen (Karten bitte trotzdem reservieren).

Plenert ist der im letzten Sommer mit 72 Jahren gestorbene Kameramann, der die DDR auf Film festgehalten hat und nicht nur die. „Tommy hat den Mond zwischen New York, Marzahn, Czernowitz und Tbilissi nicht nur leuchten gesehen und gedreht, sondern in seinem fotografischen Gedächtnis gespeichert“, schreibt die Filmregisseurin Helke Misselwitz, die eine langjährige Arbeitsfreundschaft mit Plenert verbindet. „Sein Gedächtnis schien unendlich aufnahmefähig. Wenn ein lebendiger Impuls darauf traf, holte er Bilder daraus hervor, die einen bezaubern und das Gefühl vermitteln, dass man nicht allein auf der Welt ist und dass nichts vergessen wird.“

Was für ein großes Wort, das den Anspruch der Dokumentarfilmerei eben nicht darauf beschränkt, die Zeit festzuhalten, sondern auch, sie miteinander zu teilen, sich ihrer zu vergewissern, sich aus ihr heraus wiederzuerkennen und seine Wurzeln zu verstehen. Solche Dokumentarfilme sind selten, die meisten führen etwas vor, erklären und bewerten etwas, in dramaturgischen Portionen, die der Aufmerksamkeitsspanne von TikTok-Usern angepasst sind. Plenert hat uns – vermittelt durch seine Apparatur, die sehr lange noch in heute monströs anmutenden 35-Millimeter-Kameras bestand – seinen Blick überlassen. Er hat das Bild gestaltet und unseren Blick geführt, ja, aber Raum für eigene Entdeckungen und Wertungen gelassen – abwartend, verharrend, abschweifend.

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Seine Regisseure wussten, worauf sie sich einlassen und verließen sich auf seine Mitsprache. Mit Volker Koepp und Jürgen Böttcher hat er Osteuropa bereist und Geschichten mitgebracht, mit Helke Misselwitz, Sibylle Schönemann und Tamara Trampe hat er hinter die Fassaden des Alltags geguckt. Er lässt uns Menschen angucken, die arbeiten, die sich Mühe geben, Verrichtungen bewerkstelligen, auf die sonst keiner achtet, die sich über das Interesse der Filmleute wundern. Sie erwidern unseren Blick und öffnen ihr Leben für uns. Auch ein paar Spielfilme hat er gedreht, aber seine eigentliche Begabung bestand darin, durch die Lande zu reisen, das Stativ aufzustellen und Geduld zu haben. Und sich mit Zugewandtheit auf die Leute einzulassen, die durch seine Bilder liefen.

Zur Eröffnung laufen Jürgen Böttchers Arbeiterporträts „Rangierer“ und „Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann“ aus den Achtzigern, natürlich in Schwarz-Weiß, wie es sich für Eisenbahner im Winter und Kohlenhändler in Prenzlauer Berg gehört. Der Regisseur und Helke Misselwitz werden zum Gespräch erwartet.

Kamera DDR. Die Visionen des Thomas Plenert. 6.–20. März im Kino Babylon, Karten unter www.babylonberlin.eu

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Eintritt frei: Das Babylon ehrt Thomas Plenert mit dem Festival „Kamera DDR“

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06.03.2024

Zwei Wochen lang (ab Mittwoch, dem 6. März) kann man sich im Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz die Werke von Thomas Plenert auf großer Leinwand ansehen. Ein Geschenk des Kinos an interessierte Zuschauer, die keinen Eintritt bezahlen müssen (Karten bitte trotzdem reservieren).

Plenert ist der im letzten Sommer mit 72 Jahren gestorbene Kameramann, der die DDR auf Film festgehalten hat und nicht nur die. „Tommy hat den Mond zwischen New York, Marzahn, Czernowitz und Tbilissi nicht nur leuchten gesehen und gedreht, sondern in seinem fotografischen Gedächtnis gespeichert“, schreibt die Filmregisseurin Helke Misselwitz, die eine langjährige Arbeitsfreundschaft mit Plenert verbindet. „Sein Gedächtnis schien unendlich aufnahmefähig. Wenn ein lebendiger Impuls darauf traf,........

© Berliner Zeitung


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