Das Ziel steht fest. Im Klimaschutz- und Energiewendegesetz hat sich Berlin darauf festgelegt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Viele der rund zwei Millionen Wohnungen in Berlin müssen saniert werden, um das zu erreichen. Das Problem: Eine solche Sanierung wird teuer. Wer trägt die Kosten? Dazu hat sich die Linke bei ihrer Klausur am Wochenende positioniert.

„Die Wärmewende darf nicht zu einer höheren Belastung der Berliner Mieter:innen führen“, heißt es in dem beschlossenen Konzept, das für die landeseigenen Wohnungsunternehmen mit ihren derzeit rund 360.000 Wohnungen gedacht ist. Geplant ist danach „eine warmmietenneutrale Sanierung“ der Wohnhäuser. Soll heißen: Die Haushalte sollen nach der Sanierung für das Wohnen nicht mehr Miete bezahlen als vorher. Die Kaltmiete darf also nur in dem Maße steigen, in dem sich die Ausgaben für Heizung und Warmwasser verringern.

Erreichen will die Linke dies durch „ein öffentliches Investitionsprogramm“. Ein solches Programm müsste für die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen einen Umfang von 500 Millionen Euro pro Jahr haben, heißt es in dem Konzept. „Alternativ“ schlägt die Linke ein entsprechendes Programm für die jährliche Zuführung von Eigenkapital durch das Land Berlin an die landeseigenen Wohnungsunternehmen vor.

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Hintergrund: Bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen sind aktuell mehr als 75.000 Wohnungen den schlechtesten Energieeffizienzklassen H bis E zuzuordnen, so die Linke. Die seit dem Jahr 2014 errichteten etwa 30.000 Wohnungen würden hingegen bereits hohe Effizienzstandards erfüllen. Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, müssten in den nächsten 20 Jahren unterm Strich durchschnittlich etwa 16.500 Wohnungen pro Jahr saniert werden.

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Bisher realisierte Projekte von energetischen Modernisierungen hätten Kosten von bis zu 1400 Euro pro Quadratmeter sanierter Wohnfläche ergeben, heißt es in dem beschlossenen Konzept. Die Einsparungen bei den Betriebskosten, die sich auf weniger als einen Euro pro Quadratmeter Wohnfläche monatlich belaufen, könnten solche Investitionen nicht refinanzieren.

Die Linke geht von durchschnittlichen Modernisierungsaufwendungen von 900 Euro pro Quadratmeter aus, wobei hier das aktuelle Preisniveau zugrunde gelegt werde, wie es heißt. Der absehbare Anstieg der Bewirtschaftungskosten, aber vor allem der Baukosten, sei „damit nicht berücksichtigt“. Wenn dieser Anstieg die Entwicklung der Einkommen der Mieter übersteige, werde sich das Problem noch verschärfen.

Aktuell wenden die sechs landeseigenen Unternehmen nach Angaben der Linken etwa 500 Millionen Euro pro Jahr für Instandhaltung und Investitionen in den Bestand auf. Die nötige Sanierung bis zur Klimaneutralität führe bei Quadratmeterkosten von 900 Euro zu jährlichen Aufwendungen von etwa einer Milliarde Euro. Bei den Betriebskosten ließen sich nicht mal zehn Millionen Euro pro Jahr einsparen. Bei einer Bundesförderung von 30 Prozent, also von 300 Millionen Euro, bleibe ein Betrag von etwa 700 Millionen Euro offen, der zusätzlich zu anderen Investitionen aufgebracht werden müsste. Diese Mehrkosten könnten nicht aus den Jahresüberschüssen der Unternehmen bezahlt werden.

„Unsere Alternative sind umfassende staatliche Investitionen für bezahlbares Wohnen bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen“, schlägt die Linke in ihrem Konzept vor. „Statt den Klimaschutz – wie der aktuelle Senat – über Mieterhöhungen zu finanzieren, schlagen wir auskömmliche Zuschüsse an die Landesunternehmen vor“, sagt der Linke-Abgeordnete Niklas Schenker. „Es geht um Transaktionskredite, die schuldenbremsenkompatibel aufgenommen werden können, um diese als Eigenkapitalzuführungen den Unternehmen für den Zweck der warmmietenneutralen Sanierung zur Verfügung zu stellen“, sagt er. „So erreichen wir Klimaneutralität bei gleichbleibenden Wohnkosten.“

Interessant: Der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) setzen auf dem Weg zur Klimaneutralität bundesweit auf ein anderes Modell. Unter Berufung auf eine Studie des Instituts für Energie und Umweltforschung Heidelberg plädieren DMB und BUND dafür, die Kosten der energetischen Modernisierung nach dem sogenannten Drittelmodell gerecht zwischen Mietern, Vermietern und öffentlicher Hand aufzuteilen.

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Eine gerechte Verteilung bedeutet dabei nicht, dass die drei Seiten im Sinne eines paritätischen Drittels beteiligt werden, wie DMB und BUND anmerken – unter anderem, weil die finanziellen Mittel unterschiedlich verteilt sind. Laut der Studie ist für eine sozialverträgliche Verteilung der Kosten ein aufeinander abgestimmter Instrumenten-Mix notwendig.

Die Modernisierungsumlage, also der prozentuale Anteil der Investitionen, der auf die Mieter umgelegt werden darf, soll danach von bisher acht beziehungsweise zehn Prozent einheitlich auf drei Prozent abgesenkt werden. Im Gegenzug sollen Vermieter die staatlichen Fördermittel behalten dürfen. Sie müssen sie also nicht mehr – wie bisher – von der Gesamtsumme abziehen, bevor sie die Modernisierungsumlage berechnen. Die Fördersätze sollen außerdem erhöht werden.

Um bezahlbares Wohnen langfristig zu gewährleisten, sollte laut DMB darüber hinaus die aktuell geltende Kappungsgrenze für Mieterhöhung nach Modernisierungen von zwei beziehungsweise drei Euro auf 1,50 Euro pro Quadratmeter abgesenkt werden.

QOSHE - Wer bezahlt den teuren Weg zur Klimaneutralität des Wohnungsbestandes? - Ulrich Paul
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Wer bezahlt den teuren Weg zur Klimaneutralität des Wohnungsbestandes?

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23.04.2024

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