Der Deichgraf Hauke Haien kehrt zurück – gespielt von Detlev Buck! Dazu wurde Theodor Storms Meisternovelle „Der Schimmelreiter“ fortgeschrieben – von Robert Habeck! Die ARD bewirbt ihren Krimi mit brausendem Getöse: „Die Flut – Tod am Deich“ sei ein „emotional fesselnder Eventfilm“, der eine „alte Mystery-Novelle“ in ein „modernes Coming-of-Age-Drama“ verwandele und sich zum „filmischen Dramengemälde über den Widerspruch von Fortschrittsglauben und Mythos“ entwickle.

Doch nach überlangen 105 Minuten, in denen es mehr plätschert als braust, bleibt ein trockenes Fazit: Der Film ist weder ein Event noch ein Mystery-Drama, ja nicht mal ein handfester Öko-Thriller mit politischer Relevanz, wie man es bei diesem Vorlagengeber noch vermutet hätte.

„Die Flut – Tod am Deich“ wirft dafür die Frage auf, ob die ARD wirklich klug beraten war, den Debütroman eines Autors zu verfilmen, der aktuell als Bundeswirtschaftsminister und stellvertretender Bundeskanzler im Dauerfeuer der Kritik steht. Offenbar war der Roman „Hauke Haiens Tod“, den Habeck zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch nach Abschluss seiner Promotion zum Literaturwissenschaftler anno 2001 veröffentlicht hatte, ja erst nach seinem politischen Aufstieg für die ARD interessant geworden.

2018 wurden Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb beauftragt, eine Drehbuchadaption zu verfassen. Die Grundidee haben sie vom Roman übernommen: Hauke Haiens Tochter Wienke (Philine Schmölzer) ist gar nicht in der Sturmflut mit ihren Eltern ertrunken, sondern war vom Gehilfen Iven (Anton Spieker) gerettet und in Hamburg in ein Heim gebracht worden. 17 Jahre nach der Flut entdeckt die Autistin im Fernsehen Iven, der als Türsteher auf der Reeperbahn arbeitet, und nötigt den klammen Kerl mit 8000 Euro, nach Stegebüll zurückzukehren.

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Doch mit dieser profanen Konstellation – zwei Versprengte kehren in ein feindselig gesonnenes Dorf mit dunklen Familiengeheimnissen zurück – bleibt dieses Drama ein x-beliebiger Küstenkrimi, mit denen ARD und ZDF seit Jahren ihre fiktionalen Sendeplätze vollstopfen. Es fehlt nur der Kommissar.

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Wienke und Iven treffen auf Hauke Haiens Widersacher Ole Peters (Sascha Gersak), der sich den Hof unter den Nagel gerissen hat, und dessen Tochter Ann-Grethe (Janina Stopper), die auf einem Schimmel im Watt umher reitet. Wienkes Eltern, gespielt von Detlev Buck und Franziska Weisz, tauchen nur kurz in den Rückblicken am Abend der Sturmflut auf und bekommen kaum Tiefe, weil sie gegen den Wind anschreien müssen. Dann gehen sie unter.

Leider schreien auch die anderen Figuren 17 Jahre später unentwegt herum, selbst wenn sich gar kein Lüftchen regt – vor allem Iven, dem Wienke ein „Aggressionsproblem“ bescheinigt. Die junge Frau selbst schreit nur selten – aber wenn, dann richtig! Sie ist die eigentliche Hauptfigur des Films und Philine Schmölzer hat ihre besten Szenen, wenn sie mit dem Postboten (Philipp Jacob) einen ungelenken Flirt anzuzetteln versucht. Das ist nett, aber kein Ereignis.

Die Flut – Tod am Deich. Ab 25. April in der ARD-Mediathek, am 27. April, um 20.15 Uhr in der ARD

QOSHE - „Die Flut – Tod am Deich“: Die ARD lässt Habecks Storm-Fortschreibung untergehen - Torsten Wahl
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„Die Flut – Tod am Deich“: Die ARD lässt Habecks Storm-Fortschreibung untergehen

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24.04.2024

Der Deichgraf Hauke Haien kehrt zurück – gespielt von Detlev Buck! Dazu wurde Theodor Storms Meisternovelle „Der Schimmelreiter“ fortgeschrieben – von Robert Habeck! Die ARD bewirbt ihren Krimi mit brausendem Getöse: „Die Flut – Tod am Deich“ sei ein „emotional fesselnder Eventfilm“, der eine „alte Mystery-Novelle“ in ein „modernes Coming-of-Age-Drama“ verwandele und sich zum „filmischen Dramengemälde über den Widerspruch von Fortschrittsglauben und Mythos“ entwickle.

Doch nach überlangen 105 Minuten, in denen es mehr plätschert als braust, bleibt ein trockenes Fazit: Der Film ist weder ein Event noch ein Mystery-Drama, ja nicht mal ein handfester Öko-Thriller mit politischer Relevanz, wie man es bei diesem Vorlagengeber noch vermutet hätte.

„Die Flut – Tod am Deich“ wirft dafür die Frage........

© Berliner Zeitung


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