Ich schlafe im Allgemeinen schlecht, vor allem bin ich extrem lärmempfindlich. Das Kind kommt nachts nach Hause und die Dielen im Flur quietschen – ich wache auf. Ein rücksichtsloser Nachbar lässt kurz vor Mitternacht ein paar Flaschen im Glascontainer zerschellen – ich stehe senkrecht. Die BSR zieht morgens um sechs Müllcontainer durch den Hinterhof, ich ziehe mir gequält das Kopfkissen über die Ohren und wünsche mir wie Kurt Tucholsky Ohrenlider.

Deshalb war ich so verwundert, wie seelenruhig ich während der Berlinale im Kino schlummerte, auch wenn das Nilpferd in „Pepe“ röhrte, auch beim Gebrüll während der Gefängnisrazzia in dem dänischen Wettbewerbsbeitrag „Vogter“, während der brutalen Szene in „Love Lies Bleeding“, in der ein männliches Arschloch sein Leben verliert.

Eine Recherche ergab: Ausschlaggebend ist die persönliche Einstellung zu den Geräuschen. Das haben Schlafforscher herausgefunden. Karl-Heinz Ladwig, Professor für Psychosomatische Medizin und Medizinische Psychologie, von der Technischen Universität München hat etwa festgestellt, dass Menschen auf Geräusche ganz unterschiedlich reagieren, je nachdem, wie sie den Schmerzreiz im Ohr bewerten.

Der Stressforscher erklärt das am Beispiel eines Vaters, der bei seinen herumschreienden Kindern im Garten sitzt – sie spielen – und trotzdem auf der Hollywoodschaukel einschläft, weil der Kinderlärm als positives Reizmuster in seinen Schlaf eingebunden wird. Der Reiz signalisiere: Es ist alles in Ordnung. Sie schreien, also leben sie. Wahrscheinlich würde der Vater aus dem Schlaf hochschrecken, wenn plötzlich alles still wäre. Doch Geräusche, die als unangenehm empfunden werden, wecken einen auf.

Es kommt also wie bei so vielem darauf an, seine Einstellung zu ändern. So könnte es aussehen: Ich höre das Kind, also trampelt es nicht auf dem Flur herum, sondern ist Gott sei Dank sicher zu Hause angekommen. Die BSR macht keinen Krach, sondern räumt unseren Müll weg und steht dafür extra früh auf – danke! Bleibt der Nachbar, der zu unzulässigen Zeiten den Glascontainer befüllt. Wie ich ihn positiv bewerten soll, ist mir noch unklar. Vielleicht doch erstmal das Schlafzimmerfenster aufmachen und „Ruhe“ brüllen.

•vor 2 Std.

gestern

•gestern

•vor 2 Std.

•gestern

Wie ein Professor mit einem einzigen Satz meine Schlafprobleme löste

25.01.2024

Diabetes, Schlaflosigkeit, Migräne: Diese Apps gibt's auf Rezept

13.10.2021

QOSHE - Wie ich plötzlich trotz Lärms schlafen konnte und was die Schlafforschung dazu sagt - Susanne Lenz
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Wie ich plötzlich trotz Lärms schlafen konnte und was die Schlafforschung dazu sagt

7 0
26.02.2024

Ich schlafe im Allgemeinen schlecht, vor allem bin ich extrem lärmempfindlich. Das Kind kommt nachts nach Hause und die Dielen im Flur quietschen – ich wache auf. Ein rücksichtsloser Nachbar lässt kurz vor Mitternacht ein paar Flaschen im Glascontainer zerschellen – ich stehe senkrecht. Die BSR zieht morgens um sechs Müllcontainer durch den Hinterhof, ich ziehe mir gequält das Kopfkissen über die Ohren und wünsche mir wie Kurt Tucholsky Ohrenlider.

Deshalb war ich so verwundert, wie seelenruhig ich während der Berlinale im Kino schlummerte, auch wenn das Nilpferd in „Pepe“ röhrte, auch beim........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play