Die EU bereitet sich darauf vor, Zölle auf Getreideimporte aus Russland und Belarus zu erheben, um Landwirte und einige Mitgliedstaaten zu beschwichtigen. Es wäre die erste Beschränkung für Lebensmittel-Importe seit Moskaus Invasion in der Ukraine.

Brüssel hat sich lange gegen den Druck Polens und der baltischen Staaten gewehrt, russische und belarussische Einfuhren zu beschränken. Denn die EU-Kommission fürchtete, dass ein solcher Schritt die globalen Lebensmittelmärkte stören und Entwicklungsländer schädigen könnte.

Doch jetzt scheint sich die Meinung der Brüsseler Beamten geändert zu haben. In den kommenden Tagen wird die EU-Kommission voraussichtlich einen Zoll in Höhe von 95 Euro pro Tonne auf Getreide aus Russland und Belarus erheben, berichtete die Financial Times am Dienstag, unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Durch die Erhebung der Strafzölle würden die Preise um mindestens 50 Prozent angehoben. Die Nachfrage dürfte davon empfindlich betroffen sein. Aktuell exportiert Russland massiv Getreide in die EU, wie mit der Materie vertraute Personen der Berliner Zeitung bestätigen. Dazu haben unter anderem sehr gute Ernten in Russland beigetragen.

Die EU-Einfuhren der betroffenen Erzeugnisse – Getreide, Ölsaaten und deren landwirtschaftliche Erzeugnisse – aus Russland erreichten 2023 einen Rekordwert von vier Millionen Tonnen.

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17.03.2024

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Bauernprotest in Polen: Verkehrsbehinderungen an der Grenze

gestern

Bauernproteste in Polen: Die Politik hat Angst vor den wütenden Landwirten

13.03.2024

Das Zünglein an der Waage bei der Entscheidung wird die Haltung Polens sein. Bislang hatte der polnische EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowsk russische Getreideexporte nach Polen als „vernachlässigbar“ bezeichnet. Doch in der vergangenen Woche änderte er seinen Standpunkt und sagte: „Wenn Russland Lebensmittel als Waffe benutzt, müssen wir reagieren.“

In Polen protestieren Landwirte immer wieder gegen billige Importe aus der Ukraine – und zunehmend auch aus Russland –, die den Markt für heimisches Getreide untergraben. Die Proteste, zu denen auch Grenzblockaden zur Ukraine gehören, haben die Beziehungen zwischen dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj belastet.

Anfang dieses Monats sagte Tusk, Lettland habe verständlicherweise ein eigenes Verbot für russische Lebensmittelexporte verhängt – und warnte, dass Polen diesem Beispiel folgen könnte. Er sagte jedoch, er würde es vorziehen, wenn „wir als gesamte EU gemeinsam über Sanktionen gegen Russland und Belarus in Bezug auf Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse entschieden“.

Am Freitag hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegenüber Tusk erklärt, sie prüfe „die Möglichkeit, Beschränkungen für die Einfuhr von Agrarprodukten aus Russland einzuführen“.

Neue Sanktionen: Auch deutsche Hersteller blockieren jetzt Parallelimporte nach Russland

gestern

Bericht: Wie man Friedensverhandlungen zwischen Ukraine und Russland ermöglichen könnte

06.03.2024

Handelskommissar Valdis Dombrovskis wird sich wahrscheinlich eher für Zölle als für Sanktionen entscheiden, da dies keine einstimmige Zustimmung aus den Hauptstädten erfordern würde, wie es bei Sanktionen der Fall ist. Die Maßnahme würde es den Produkten ermöglichen, auf ihrem Weg nach Afrika und Asien die EU zu passieren.

Die Zölle werden auf den nach den WTO-Regeln zulässigen Höchstwert festgesetzt, hieß es weiter. Russland könnte Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, hat aber bereits die meisten EU-Lebensmittelimporte verboten. Viele europäische Unternehmen des Sektors haben sich in den letzten Jahren aus dem Land zurückgezogen.

In der Diskussion über Einfuhrbeschränkungen für Getreide aus der Ukraine sind sich die EU-Mitgliedstaaten weiter uneins. Für einen Vorschlag aus dem Europaparlament, die von der EU-Kommission im Januar vorgeschlagenen Beschränkungen für Geflügel, Eier und Zucker aus der Ukraine auf Getreide auszudehnen, habe es am Dienstag keine klare Mehrheit gegeben, berichteten Diplomaten der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Während Bauern in Europa unter dem Preisdumping leiden, spricht sich vor allem Deutschland gegen schärfere Beschränkungen der Einfuhren aus. Die EU müsse der Ukraine die Möglichkeit geben, „Geld über den Export auch von Agrarprodukten zu verdienen“, sagte die grüne Europaabgeordnete Anna Lührmann am Dienstag in Brüssel.

Proteste der Bauern: Es geht um viel mehr

12.02.2024

Warum Landwirte in Europa protestieren

26.01.2024

Die EU-Kommission hatte für Geflügel, Eier und Zucker eine Obergrenze vorgeschlagen, um die Einfuhren aus der Ukraine bei Durchschnittswerten aus den vergangenen zwei Jahren zu stabilisieren. Sind die Importmengen höher, will die EU-Kommission Zölle für diese Produkte einführen.

Das Europaparlament stimmte in der vergangenen Woche dafür, diese Regelung auch auf Getreide und Honig auszuweiten. Zusätzlich wollen die Abgeordneten bei der Berechnung auch Durchschnittswerte aus dem Jahr 2021 berücksichtigen, was die Obergrenzen deutlich senken würde. Über diese Änderungen muss mit den Vertreterinnen und Vertretern der EU-Staaten nun verhandelt werden.

Die Ukraine exportiert seit Sommer 2022 große Mengen an Agrarprodukten in die EU. Ein Großteil wird etwa in afrikanische Länder weiterverkauft. Nach Darstellung von Bauernverbänden verbleibt aber ein gestiegener Anteil der Einfuhren in der EU.

QOSHE - EU plant erstmals Strafzölle für russisches Getreide - Simon Zeise
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EU plant erstmals Strafzölle für russisches Getreide

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19.03.2024

Die EU bereitet sich darauf vor, Zölle auf Getreideimporte aus Russland und Belarus zu erheben, um Landwirte und einige Mitgliedstaaten zu beschwichtigen. Es wäre die erste Beschränkung für Lebensmittel-Importe seit Moskaus Invasion in der Ukraine.

Brüssel hat sich lange gegen den Druck Polens und der baltischen Staaten gewehrt, russische und belarussische Einfuhren zu beschränken. Denn die EU-Kommission fürchtete, dass ein solcher Schritt die globalen Lebensmittelmärkte stören und Entwicklungsländer schädigen könnte.

Doch jetzt scheint sich die Meinung der Brüsseler Beamten geändert zu haben. In den kommenden Tagen wird die EU-Kommission voraussichtlich einen Zoll in Höhe von 95 Euro pro Tonne auf Getreide aus Russland und Belarus erheben, berichtete die Financial Times am Dienstag, unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Durch die Erhebung der Strafzölle würden die Preise um mindestens 50 Prozent angehoben. Die Nachfrage dürfte davon empfindlich betroffen sein. Aktuell exportiert Russland massiv Getreide in die EU, wie mit der Materie vertraute Personen der Berliner Zeitung bestätigen. Dazu haben unter anderem sehr gute Ernten in Russland beigetragen.

Die EU-Einfuhren der betroffenen Erzeugnisse – Getreide, Ölsaaten und deren landwirtschaftliche Erzeugnisse – aus Russland erreichten 2023 einen Rekordwert von vier........

© Berliner Zeitung


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