Manchmal gewinnt man den Eindruck, die BVG möchte gewindelt werden – Herzchen und pseudo-naiver Humor, wohin das Auge blickt.

Besonders infantil gibt sich das größte Nahverkehrsunternehmen Deutschlands mit der Corporate-Optik seines Mobilitätsdienstes Jelbi, der Berlins Sharing- und Taxi-Angebote zusammenführen soll.

So ein Angebot ist ja per se erst mal smart und attraktiv; entsprechend elegant und schnittig sollte aber auch der Look sein. Schließlich ist das Design der erste Kontaktpunkt mit dem Kunden, dem hier Modernität plus einfache Handhabe vermittelt werden sollte. Leider scheint man bei der BVG da anderer Meinung zu sein.

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Vielleicht war es auch der Name, der die Designsprache mit sich in den Abgrund zog: Jelbi. Eine phonetisch verunfallte Abwandlung der BVG-Farbe „Gelb“, das G zum J berlinert und per I hintendran verniedlicht. Jelbi, da denkt man an den Wellensittich eines Friedrichshainer Punks; an eine digitale Vision der BVG aber ganz sicher nicht. Es kam also, was kommen musste: Das Design ging komplett in die Hose.

Die BVG ließ sich für Jelbi ein kurioses Muster aus dem Hut zaubern: Grundfarbe Gelb, darauf Striche und Punkte in Schwarz. Der Anblick erinnert an eine Petrischale unterm Mikroskop, in der sich unterschiedliche Bakterienarten tummeln. Zwischen den Bakterien ist das BVG-Herz auszumachen sowie platteste Tourismusikonen wie Brandenburger Tor und Fernsehturm. Auch Autos, Fahrräder und Roller sind zu erkennen.

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Für die Gestaltung zuständig zeichnet nach eigenen Angaben die Münchener Agentur Truffle Bay. Weit weg vom Geschehen, hatte man sich Berlin offenbar wie einen fernen Planeten vorgestellt. So wird auf der Webseite der Bayern in einem Video hergeleitet, wie man das hiesige Straßennetz aus der Vogelperspektive in eine Bakterienkolonie verwandelt hat: Von mehreren „Jelbi-Pattern“ ist da die Rede, die „aus den unzähligen Verkehrswegen, Schnittstellen und dynamischen Bewegungsmustern der Stadt abgeleitet sind.“ Die „neuartige Kombination dieser Formen“ hätte dann ein „hochgradig eigenständiges Muster“ erzeugt, „mit dem die zahllosen Mobilitätsnetze, Knotenpunkte sowie Strecken mit Start- und Zielpunkt visualisiert“ wurden. Uff.

Da möchte man am liebsten den alten Porsche mit dem Schaltgetriebe aus der Garage holen und ganz schnell eine Runde drehen. Wegen der Bodenhaftung. Zur Verteidigung der Münchner Designer könnte man ins Feld führen, dass sie wahrscheinlich mit BVG-Mitarbeitern kooperieren mussten, die vielleicht verkehrsplanerische Superhirne waren, aber wenig Ahnung von Gestaltung hatten. Solche Menschen triggert Komplexität und Abstraktion, da blühen sie richtig auf. Im Labyrinth der Metaebenen waren dann die Berliner Bürger vergessen worden, die ja ursprünglich mit Jelbi angesprochen werden sollten.

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Damals – das war 2019. So lange verschlimmern die Jelbi-Muster schon das Stadtbild. An großen Wänden, auf Hinweistafeln, auf dem Asphalt. Und es werden immer mehr Stationen. „Mit Vollgas in die Zukunft“, wirbt die BVG neue Mitarbeiter an. Mit dem Jelbi-Design fängt die jedoch gar nicht erst an. Weder irgendwie noch irgendwo und schon gar nicht irgendwann.

Wäre die BVG ein Kind, würde man ihr das alles sicher verzeihen. Vom größten kommunalen ÖPNV-Unternehmen Deutschlands erwartet man allerdings deutlich mehr.

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Warum so hässlich? Jelbi – die Mobilitäts-App der BVG

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01.04.2024

Manchmal gewinnt man den Eindruck, die BVG möchte gewindelt werden – Herzchen und pseudo-naiver Humor, wohin das Auge blickt.

Besonders infantil gibt sich das größte Nahverkehrsunternehmen Deutschlands mit der Corporate-Optik seines Mobilitätsdienstes Jelbi, der Berlins Sharing- und Taxi-Angebote zusammenführen soll.

So ein Angebot ist ja per se erst mal smart und attraktiv; entsprechend elegant und schnittig sollte aber auch der Look sein. Schließlich ist das Design der erste Kontaktpunkt mit dem Kunden, dem hier Modernität plus einfache Handhabe vermittelt werden sollte. Leider scheint man bei der BVG da anderer Meinung zu sein.

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Vielleicht war es auch der Name, der die Designsprache mit sich in den Abgrund zog: Jelbi. Eine phonetisch verunfallte Abwandlung der BVG-Farbe „Gelb“, das G zum J berlinert und per I........

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