David Fischer ist bestimmt zwei Meter groß. Als er die Baustelle betritt, gibt er erst mal ein paar Kommandos. Die Oberflächen dürfen nicht zu Schaden kommen. Streng schaut er durch die kleine runde Brille, der lange Balenciaga-Mantel mit den breiten Schultern macht seinen Auftritt noch imposanter.

Eigentlich kennt man Fischer als einen lockeren Typen, doch er ist auch ein knallharter Geschäftsmann, der seine multimediale Marke Highsnobiety 2022 an Zalando verkauft hat. Über den Preis wurde in den Medien viel spekuliert, inzwischen ist von 200 Millionen Euro die Rede. Trotzdem ist Fischer weiter als CEO an der Spitze des Unternehmens tätig und in dieser Funktion eröffnet er jetzt den ersten stationären Highsnobiety-Store der Welt. Die Adresse: Unter den Linden 40.

Zwei Wochen vor der Eröffnung am 1. März trafen wir den Berliner Unternehmer auf der Baustelle, die der Store zu diesem Zeitpunkt noch war – und sprachen mit ihm über seine Retail-Strategie, die Relevanz von Zielgruppen, den Zalando-Deal und vieles mehr.

Herr Fischer, Sie eröffnen Ihren ersten Store Unter den Linden, mit Blick auf das Brandenburger Tor. Das ist eine recht bürgerliche Adresse für eine Marke wie Highsnobiety. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Unter den Linden ist eine ikonische Straße in Berlin, ähnlich wie die Champs-Élysées in Paris. Der Ort ist für vieles bekannt, allerdings nicht für Retail. Und genau das finden wir spannend.

Richtig, da laufen ja nur Touristen lang.

Das finden wir ja gerade interessant. Dieses Verhältnis zwischen Mainstream und Nicht-Mainstream. Es ist klar, dass wir den Store zu einem Ziel machen müssen. Die Menschen müssen hier extra hinkommen. Gleichzeitig sind wir im gleichen Block mit Château Royal und dem Einstein. Das sind Orte, die unsere Kunden ebenfalls ansprechen. Wir sind also nicht ganz alleine. Es wäre jetzt aber anmaßend zu denken, dass wir hier über Nacht der beste Retailer der Stadt werden.

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Es geht also vorrangig gar nicht um den Verkauf?

Vorrangig definitiv nicht. Aber wir wollen und müssen auch verkaufen, damit es als Geschäftsmodell für uns aufgeht. Uns ist bekannt, dass Berlin keine typische Shopping-Stadt ist. In anderen Städten ist das viel ausgeprägter, gerade in Bezug auf die Marken und Produkte, die Highsnobiety anbietet. Retail ist aber generell gerade schwierig, da brauchen wir keinen Hehl draus machen. Die großen Luxusplattformen haben Probleme, das KaDeWe meldet Insolvenz an – wie sollen wir uns anmaßen, zu wissen, was die nicht wussten! Deswegen war klar: Wenn wir einen physischen Platz für Highsnobiety schaffen, müssen wir dort auch anderweitig Geld verdienen.

Wie soll das gehen?

Wir betreiben ja das erste Mal einen eigenen Laden. Wir konzentrieren uns jetzt erst mal auf das, was wir gut können: mit Markenpartnern zusammenarbeiten, coole Produkte und Events machen. Das haben wir jetzt jahrelang international geübt, zum Beispiel mit „Not In Paris“ oder „Colette Mon Amour“.

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Das waren Highsnobiety-Minikollektionen mit regionalem Bezug, die jeweils vor Ort in Pop-ups präsentiert wurden. Wie viele waren das?

Bestimmt zwanzig, dreißig Pop-up-Stores, sowohl international als auch in Berlin. Da haben wir gemerkt, dass es für uns als rein digitale Marke sinnvoll sein kann, einen physischen Raum zu haben.

Unter den Linden könnten Sie ja Berlin-Souvenirs in den Verkauf nehmen, wegen der Touristen.

Das wird es auch geben, klar! Das Lustige ist ja: Für unsere Pop-ups, die wir zu Fashion Weeks in Paris und in New York oder zum Salone del Mobile in Mailand machen, produzieren wir ja letztendlich Souvenirs und Merchandise auf hohem Niveau.

Der Gedanke des Souvenirs ist also praktisch schon in die Marke Highsnobiety eingeschrieben. Da schließt sich der Kreis Unter den Linden. Also dann was mit Bären hier in Berlin?

Bären nicht, aber coole Souvenirs.

Und was würden Sie machen, wenn Ihnen einfach jemand einen Buddy-Bären vor die Tür stellte?

Der würde bei uns nicht lange stehen. Ich glaube, ich würde zur Stadt gehen und sagen: Lasst uns das Thema doch mal neu denken, wir können euch helfen. Wir sind offen für ganz viele Sachen, auf unsere Art und Weise. Wir sagen selten nein zu Partnern.

Der Laden ist ja riesengroß, das dürfte eine exorbitante Miete kosten!

Ja, 550 Quadratmeter. Klar, eine Fläche in der Größe und in der Lage bringt gewisse Mietkosten mit sich. Auch die Renovierung war nicht ohne, der Boden, die Wände – das war für eine Firma unserer Größenordnung schon ein ordentliches Investment. Und in Zukunft werden hier ja sechs Tage die Woche sechs Angestellte im Laden stehen, das summiert sich.

Da hilft jetzt sicher, dass Highsnobiety 2022 von Zalando gekauft wurde, oder?

Ja, aber die Entscheidung, einen Laden zu machen, ist schon vor dem Verkauf an Zalando getroffen worden. Das Schöne an unserem Verhältnis zu Zalando ist, dass wir weiterhin vollkommen eigenständig unser Geschäft betreiben. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Denn die sagen: Ihr dürft alles entscheiden, aber fragt uns dann auch nicht nach Geld. Das finde ich aber einen fairen Deal.

Wenn Sie im Internet lesen, Sie hätten mit dem Zalando-Deal 200 Millionen Euro verdient, was denken Sie dann?

Ich denke gar nichts. Das Wichtigste ist, dass unsere Firma fair bewertet wurde und wir einen fairen Deal gemacht haben.

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Sie haben sich das ja auch verdient.

Wir hatten ja auch schon vorher Investoren. Ich sage dazu immer relativ wenig, weil das einfach auch sehr komplex ist. Ich habe 18 Jahre mit einem tollen Team an einer tollen Firma gearbeitet, die wir nie mit dem Ziel eines Verkaufs geführt haben. Diese klassische Internet-Start-up-Story, nach fünf Jahren wird die Firma verhökert – das trifft auf uns nicht zu. Eigentlich sind wir ein mittelständisches Unternehmen mit Investoren, die nie in der Mehrheit waren. Immer mit einer gewissen Langfristigkeit in unserer Planung. Für mich ist jetzt viel wichtiger, wie es weitergeht. Highsnobiety ist mein Leben, die Marke bin ich, ich bin die Marke. Ich habe nie etwas anderes gemacht.

Sind die Vorwürfe, einen guten Deal gemacht zu haben oder sich des Geldes wegen mit dem Mainstream zu verbünden, typisch deutsch?

Die Summe will jeder wissen. Was deutsch ist, ist der Neidfaktor. Ein typisch deutscher Blickwinkel ist: Jetzt hat der so viel Geld verdient, warum ich nicht? Der Amerikaner sagt: Cool, der hat da echt was Tolles aufgebaut, vielleicht kann der mir zeigen, wie ich das auch schaffen kann. Aber den Vorwurf, dass eine Marke wie Highsnobiety, die immer in der Nische operiert hat, durch so einen Verkauf mainstreamiger werden könnte, hören wir weltweit.

Eigentlich ist das sowieso nicht zu verhindern; alle subkulturellen Phänomene, die erfolgreich sind, werden irgendwann zum Mainstream.

Ich glaube, wir haben es geschafft, 18 Jahre lang in der Nische relevant zu sein und trotzdem zu wachsen. Also diese beiden Sachen unter einen Hut zu bringen: eine gewisse wirtschaftliche Ambition zu haben, dabei aber nie die Marke und ihre Relevanz in der Nische aus dem Blick zu verlieren. Diese Balance ist sehr schwierig. Nach so einem Zalando-Announcement müssen wir das heute neu beweisen.

Wie machen Sie das?

Zum Beispiel, indem wir eben keinen weiteren Laden in der Münzstraße aufmachen, der sich neben Apple und New Balance einreiht. Unser Content muss weiter edgy bleiben und unsere Kunden müssen weiter aus dem Luxusbereich kommen.

Angefangen hat ja alles 2005 mit einem Turnschuh-Blog.

Eigentlich war das nie ein Turnschuh-Blog. Das wird immer so salopp gesagt, es war – wenn überhaupt – ein Streetwearblog. Auf Highsnobiety wurden nie ausschließlich Turnschuhe gespielt, es ging immer auch um hochwertige Street- und Skatemode. Inspiriert von Marken wie A Bathing Ape aus Japan, wo der Hoodie plötzlich 300 Euro kostete. Den Japanern folgten dann ganz viele amerikanische Marken. Dieses hohe Level bei Streetwear hat mich fasziniert, und darum ging es eigentlich von Anfang an.

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Sie haben mal gesagt, Highsnobiety sei vor allem in den USA bekannt, weniger in Deutschland. Ist das der Grund?

Hundertprozent. Es gab diese Marken in Europa nicht, da kam damals fast gar nichts. Außerdem waren unsere Texte von Anfang an in englischer Sprache.

Aber Sie haben Highsnobiety immer von Berlin aus betrieben?

Seit 2009 waren wir hier. Zugegeben, es gab in Berlin schon Leute, die von uns wussten. Einige wenige, aber die richtigen. Bis heute haben wir wenige Kunden in Berlin, obwohl wir inzwischen viel bekannter in Europa sind. Aber Amerika ist mit Abstand der größte einzelne Markt für uns. 40 Prozent unseres gesamten Publikums sitzt in den USA. Der Anspruch ist aber gar nicht, dass uns alle kennen, sondern wie gesagt: die Richtigen.

Warum eröffnen Sie Ihren ersten Laden weltweit dann überhaupt in Berlin?

Berlin ist eine Insel, und wir müssen schon erst mal lernen, wie es ist, einen Store zu betreiben. Und es hat logistische Gründe; unser Büro ist fünf Minuten entfernt, ich kann mich am Samstag selbst in den Laden stellen und mit den Kunden sprechen. Wir haben Infrastruktur in Berlin, unser Eventteam sitzt hier. Berlin lag einfach auf der Hand, und ich mache meine Fehler lieber hier als in New York, wo mich alles das Dreifache kostet.

Und Sie wohnen ja auch hier.

Richtig, inzwischen ist das bekannt. Die Leute dachten ja lange, Highsnobiety kommt aus New York. Das macht auch so eine Achse New York – Berlin auf. Berlin ist ja eine Stadt, die alle ganz toll finden. Das funktioniert sehr gut, auch wenn Berlin jetzt nicht gerade für seine Fashion Week oder generell für Mode bekannt ist. Aber das ist vollkommen okay. Es gibt kulturell andere große Themen hier, die eine starke Relevanz haben: das Gallery Weekend, die Technoclubs, eine lebendige Musikszene …

Wobei die aktuelle Ausgabe der Fashion Week gar nicht so schlecht war, oder?

Stimmt, das Intervention-Format von Mumi Haiati während der Fashion Week war toll. Das hat auf sehr deutliche Weise gezeigt: Oh wow, es gibt ja doch Formate, die hier funktionieren. Wo die richtigen Leute kommen und in der internationalen Presse darüber berichtet wird. Das Problem in Berlin ist eben immer, dass nicht alle an einem Strang ziehen. Ein kleines Ding hier, ein anderes da – anstatt, dass sich alle mal auf etwas einigen.

Aber wer sind denn „alle“? Sind zum Beispiel Sie nicht ebenfalls ein Teil der Berliner Modeszene?

Ja, das bin ich. Und wir haben es ja vor ein paar Jahren auch probiert. Hat aber nicht funktioniert. Unter anderem auch, weil man immer das Alte und das Neue unter einen Hut bringen will. Anstatt mal zu sagen: Das Alte hat nicht funktioniert, lass uns doch mal auf das Neue setzen. Das ist ja vielleicht auch authentischer für Berlin, anstatt auf Biegen und Brechen eine klassische Fashion Week etablieren zu wollen.

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Da müsste der Staatssekretär Michael Biel mit Ihnen allen eigentlich mal ein Round Table machen.

Genau diesen Round Table gab es, aber da saß dann halt wieder jeder dran. Vom KaDeWe bis zu Reference Studios. Wenn du es jedem recht machen willst, funktioniert es eben nicht. Dort wurde dann die Entscheidung getroffen, überall mal so ein bisschen zu machen, anstatt wenig, aber dafür extrem fokussiert. Nichtsdestotrotz ist es richtig, dass man bei der Fashion Week jetzt gesehen hat: Wenn das Format stimmt und authentisch in Bezug auf die Stadt ist, dann wird es international relevant. Aber alle aus der Branche sind das Thema „Berlin Fashion Week“ so ein bisschen leid.

Noch mal zurück zu den Turnschuhen oder besser gesagt zur Streetwear; also dem Thema, über das Sie 2005 auf Highsnobiety zu schreiben anfingen. Der einstige Blog ist heute eine große Medienmarke, hat sich auf diesem Weg thematisch etwas verändert?

Das Thema hat sich ganz natürlich mit den Trends im Markt weiterentwickelt, aber es ist weiter der Schwerpunkt. Das, was heute gängig ist, war aber damals neu: das Niederreißen von Barrieren zwischen unterschiedlichen Märkten in der Mode. Damit sind wir bekannt geworden. Wir haben uns frei aus dem Sneaker-, Skate-, Surf- oder Luxusmarkt bedient und alles auf Highsnobiety zusammengebracht: die Louis-Vuitton-Tasche, das Supreme-T-Shirt und den Nike-TC-Schuh. Vor allem die Luxusmarken wollten damals nichts mit Streetwear zu tun haben.

Haben Sie eine Zielperson definiert?

Ja! Erst mal ist das jemand, der sich grundsätzlich für schöne Dinge interessiert: der Stuhl, auf dem er sitzt, die Uhr oder die Tasche, die er trägt. Wir wissen ganz genau, mit wem wir sprechen und haben da auch viel Research betrieben. Unser Publikum sind die Cultural Pioneers, wie wir sie nennen. Wir wissen, dass die auch andere Interessen haben, auch außerhalb der Mode – obwohl Mode immer unser Schwerpunkt sein wird.

Beschreiben Sie den Cultural Pioneer bitte etwas genauer.

Die Cultural Pioneers sind junge, globale und sehr einflussreiche Kunden. Das sind Menschen, die sich extrem gut mit Marken und Produkten auskennen, zahlungskräftig sind und die zum Sprachrohr für Marken werden können. Sie sind wie diese eine Person, die immer weiß, was gerade angesagt ist – in der Mode, in der Kunst oder in der Musik. Keine Instagram-Influencer, sondern Leute, die wirklich Einfluss auf Meinungen haben.

Sind das eher Männer?

Wir haben mittlerweile einen 50-50-Anteil von Männern und Frauen in unserem Publikum. Früher waren wir viel männerlastiger, da betrug der Frauenanteil gerade mal zwanzig Prozent. Das ist bedingt durch Modetrends, aber auch weil wir mehr für Frauen und den Unisexbereich anbieten. Und wir haben auch eine Chefredakteurin, die über alle Kanäle hinweg agiert: die New Yorkerin Willa Bennett.

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Sehen Sie sich auch selbst in der Rolle dieser Kulturpionier-Persona?

Das ist tatsächlich bis heute der Teil meines Jobs, der mir mit Abstand am meisten Spaß macht: Das Nächste zu finden, über das noch niemand geschrieben hat. Sowas hätte ich in Zukunft auch gerne für unseren Laden, dass man reinkommt und sagt: Also das habe ich noch nirgendwo gesehen. So ein Gefühl hat mir damals nur Colette (legendärer Concept-Store in Paris, der 1997-2017 existierte, Anm. der Red.) gegeben. Ich schicke meinem Editorial-Team bis heute täglich fünf Sachen, die sie sich anschauen sollen.

Darüber freuen die sich bestimmt, oder?

Jein. Aber was mich wirklich freut, ist, dass sie mir bei vier von fünf Sachen antworten, dass sie darüber schon geschrieben haben. Das ist für mich immer das Allergrößte!

Welcher mediale Kanal ist der wichtigste bei Highsnobiety?

Bezüglich Impact und Reichweite ist das immer noch Instagram. TikTok ist mittlerweile aber auch sehr relevant. Wir sind in der glücklichen Situation, dass Leute auch noch unsere Website besuchen. Das ist heutzutage gar nicht mehr so selbstverständlich; wir haben immer noch zig Millionen, die im Monat auf die Website kommen – was schön ist, weil man da mehr Raum hat, Geschichten zu erzählen. Unsere App wird immer wichtiger, weil sie sowohl unsere Inhalte als auch das Einkaufen auf eine sehr elegante Weise zusammenführt. Das eigentlich Wichtige ist aber: Wir sind überall da, wo unsere Community ist. Und da wird die App immer relevanter. Wer die App runtergeladen hat, der liest am meisten und kauft am meisten ein.

Also auch in Zukunft nicht die Masse ansprechen?

Ja, ich spreche lieber die richtigen 500.000 an, als die falschen 10 Millionen. Ab einem gewissen Grad ist die Reichweite nicht mehr wichtig. Da müssen wir auch permanent nachjustieren.

„Nachjustieren“ bedeutet im wirtschaftlichen Sinne oft aussortieren. Sie hängen also nicht an Dingen?

Im Gegenteil, uns ist die Core Audience so wichtig, dass wir deren Aufmerksamkeit nie aufs Spiel setzen. Die Kunst ist es, wirtschaftliches Wachstum und das, was für die Marke wichtig ist, unter einen Hut zu bringen. Wenn ich mir die letzten 18, 19 Jahre anschaue, war es immer die richtige Entscheidung, wieder kleiner und detaillierter zu denken. Was ist die Core Audience, sprechen wir den Cultural Pioneer wirklich noch an? Es geht also nicht darum, Sachen wegzulassen, die nicht funktionieren, sondern diese eine Person immer richtig zu bedienen. Wenn wir die nicht mehr haben, dann haben wir ein Problem. Davor habe ich Angst. Ich bin jetzt Anfang 40 und ich versuche die ganze Zeit, diesen 18- bis 25-Jährigen zu erwischen.

Aber es fühlen sich doch auch deutlich Ältere von Highsnobiety angesprochen!

Die Wahrheit ist doch, dass es eher ein Mindset ist, unabhängig vom Alter.

Highsnobiety Store, Unter den Linden 40, 10117 Berlin, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag, 11-19 Uhr

QOSHE - Highsnobiety-Gründer David Fischer im Interview: „Nicht alle sollen uns kennen – aber die Richtigen“ - Sabine Röthig
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Highsnobiety-Gründer David Fischer im Interview: „Nicht alle sollen uns kennen – aber die Richtigen“

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David Fischer ist bestimmt zwei Meter groß. Als er die Baustelle betritt, gibt er erst mal ein paar Kommandos. Die Oberflächen dürfen nicht zu Schaden kommen. Streng schaut er durch die kleine runde Brille, der lange Balenciaga-Mantel mit den breiten Schultern macht seinen Auftritt noch imposanter.

Eigentlich kennt man Fischer als einen lockeren Typen, doch er ist auch ein knallharter Geschäftsmann, der seine multimediale Marke Highsnobiety 2022 an Zalando verkauft hat. Über den Preis wurde in den Medien viel spekuliert, inzwischen ist von 200 Millionen Euro die Rede. Trotzdem ist Fischer weiter als CEO an der Spitze des Unternehmens tätig und in dieser Funktion eröffnet er jetzt den ersten stationären Highsnobiety-Store der Welt. Die Adresse: Unter den Linden 40.

Zwei Wochen vor der Eröffnung am 1. März trafen wir den Berliner Unternehmer auf der Baustelle, die der Store zu diesem Zeitpunkt noch war – und sprachen mit ihm über seine Retail-Strategie, die Relevanz von Zielgruppen, den Zalando-Deal und vieles mehr.

Herr Fischer, Sie eröffnen Ihren ersten Store Unter den Linden, mit Blick auf das Brandenburger Tor. Das ist eine recht bürgerliche Adresse für eine Marke wie Highsnobiety. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Unter den Linden ist eine ikonische Straße in Berlin, ähnlich wie die Champs-Élysées in Paris. Der Ort ist für vieles bekannt, allerdings nicht für Retail. Und genau das finden wir spannend.

Richtig, da laufen ja nur Touristen lang.

Das finden wir ja gerade interessant. Dieses Verhältnis zwischen Mainstream und Nicht-Mainstream. Es ist klar, dass wir den Store zu einem Ziel machen müssen. Die Menschen müssen hier extra hinkommen. Gleichzeitig sind wir im gleichen Block mit Château Royal und dem Einstein. Das sind Orte, die unsere Kunden ebenfalls ansprechen. Wir sind also nicht ganz alleine. Es wäre jetzt aber anmaßend zu denken, dass wir hier über Nacht der beste Retailer der Stadt werden.

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Es geht also vorrangig gar nicht um den Verkauf?

Vorrangig definitiv nicht. Aber wir wollen und müssen auch verkaufen, damit es als Geschäftsmodell für uns aufgeht. Uns ist bekannt, dass Berlin keine typische Shopping-Stadt ist. In anderen Städten ist das viel ausgeprägter, gerade in Bezug auf die Marken und Produkte, die Highsnobiety anbietet. Retail ist aber generell gerade schwierig, da brauchen wir keinen Hehl draus machen. Die großen Luxusplattformen haben Probleme, das KaDeWe meldet Insolvenz an – wie sollen wir uns anmaßen, zu wissen, was die nicht wussten! Deswegen war klar: Wenn wir einen physischen Platz für Highsnobiety schaffen, müssen wir dort auch anderweitig Geld verdienen.

Wie soll das gehen?

Wir betreiben ja das erste Mal einen eigenen Laden. Wir konzentrieren uns jetzt erst mal auf das, was wir gut können: mit Markenpartnern zusammenarbeiten, coole Produkte und Events machen. Das haben wir jetzt jahrelang international geübt, zum Beispiel mit „Not In Paris“ oder „Colette Mon Amour“.

Berliner Szene-Verleger: „Die Leute werden gecancelt, man hält keine Diskussionen mehr aus“

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Das waren Highsnobiety-Minikollektionen mit regionalem Bezug, die jeweils vor Ort in Pop-ups präsentiert wurden. Wie viele waren das?

Bestimmt zwanzig, dreißig Pop-up-Stores, sowohl international als auch in Berlin. Da haben wir gemerkt, dass es für uns als rein digitale Marke sinnvoll sein kann, einen physischen Raum zu haben.

Unter den Linden könnten Sie ja Berlin-Souvenirs in den Verkauf nehmen, wegen der Touristen.

Das wird es auch geben, klar! Das Lustige ist ja: Für unsere Pop-ups, die wir zu Fashion Weeks in Paris und in New York oder zum Salone del Mobile in Mailand machen, produzieren wir ja letztendlich Souvenirs und Merchandise auf hohem Niveau.

Der Gedanke des Souvenirs ist also praktisch schon in die Marke Highsnobiety eingeschrieben. Da schließt sich der Kreis Unter den Linden. Also dann was mit Bären hier in Berlin?

Bären nicht, aber coole Souvenirs.

Und was würden Sie machen, wenn Ihnen einfach jemand einen Buddy-Bären vor die Tür stellte?

Der würde bei uns nicht lange stehen. Ich glaube, ich würde zur Stadt gehen und sagen: Lasst uns das Thema doch mal........

© Berliner Zeitung


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