Der Weg ist frei. Im Berliner Taxiverkehr soll es bald Festpreise geben. Das kündigte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am Mittwoch im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses an. „Kunden schätzen es, wenn sie bei der Buchung den Preis im Vorhinein wissen“, sagte die CDU-Politikerin während einer Anhörung zur Taxibranche. „Künftig tragen sie bei Staus kein Preisrisiko mehr.“ Die Verwaltung bereite eine Verordnung vor, über die der Senat im ersten Quartal 2024 entscheiden soll.

Wer bei Uber, Bolt und FreeNow per App eine Fahrt bucht, dem wird mitgeteilt, wie viel die Tour kostet. Taxikunden haben diese Sicherheit und Preistransparenz bislang nicht. Nun sollen Festpreise in diesem Punkt gleiche Wettbewerbsbedingungen mit der Konkurrenz herstellen. Wer dann telefonisch oder auf andere Art eine Taxifahrt bestellt, bekommt einen verbindlichen Festpreis genannt, der nachträglich nicht mehr geändert werden kann. Umleitungen oder Wartezeiten vor Ampeln schlagen nicht mehr zu Buche.

Fahrgäste sollten aber ein wichtiges Detail beachten. Im Vergleich zum zu erwartenden Taxametertarif können sich Festpreise in einem Korridor bewegen, erklärte Manja Schreiner. Sie können um bis zu zehn Prozent darunter, aber auch bis zu 20 Prozent darüber liegen, sagte die Senatorin. Dies hatte die Taxibranche vorgeschlagen. Rechtlich sehe er hier keine Probleme, kommentierte der Anwalt Simon Kase von der Kanzlei BBG und Partner. „Die Unsicherheit darüber, wie hoch der Fahrpreis ist, kann ein Wettbewerbsnachteil für die Taxibranche sein“, so der Jurist. Was der Senat plane, sei eine „sinnvolle Maßnahme“.

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19.02.2024

Auch von der Taxi-Konkurrenz kam eine positive Reaktion. In München würden bereits Festpreise angeboten, rief Christoph Weigler vom Fahrdienstvermittler Uber am Mittwoch im Ausschuss in Erinnerung. Bislang entfielen nur ein bis zwei Prozent der Fahrten, die bei Uber in München gebucht wurden, auf Taxis. Fünf Monate nach Einführung der Festpreise waren es bereits rund zehn Prozent. Der Deutschland-Chef des amerikanischen Unternehmens begrüßte, dass es auch im Berliner Taxiverkehr Preistransparenz geben soll. Allerdings sollte der Tarifkorridor weiter gezogen werden, forderte Weigler.

Der Raum 311 des Abgeordnetenhauses war gut gefüllt; fast drei Stunden waren für die Debatte über die Zukunft des Berliner Taxiverkehrs vorgesehen. „So eine große Anhörung zu diesem Thema hat es noch nicht gegeben“, sagte der Linke-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. Doch die Anwesenden waren sich darin einig, dass es dafür einen Anlass gibt. Die Lage der Branche sei prekär, die Funktionsfähigkeit ernsthaft in Gefahr, bekräftigte Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen sowie erster Vorsitzender des Verbands Taxi Berlin.

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„Viele Taxiunternehmer, die noch nicht aufgegeben haben, ringen um ihre Existenz“, sagte Waldner. Klar sei, dass weitere Taxibetreiber bald pleitegehen werden. Das Gewerbe steckt in einer Dauerkrise, und dazu hat nach Einschätzung von Branchenvertretern vor allem die Konkurrenz durch Mietwagen beigetragen, die weitgehend unreguliert gegen sie antrete. Die Zentrale Taxi Berlin habe 2015 rund acht Millionen Aufträge vermittelt, 2023 waren es nur noch rund fünf Millionen. Die Umsätze seien auf rund 60 Prozent des Durchschnitts 2016 bis 2019 gesunken, erklärte Waldner.

Im Januar dieses Jahres waren nur noch 5605 Taxis in Berlin zugelassen, die 1764 Taxiunternehmen gehörten. Zum Vergleich: 2019 waren mehr als 8000 Konzessionen vergeben. Die Konkurrenz sei immer stärker geworden, hieß es. Mietwagen mit Fahrer: Unter dieser Bezeichnung firmieren die Fahrdienste, die bei Plattformen wie Uber, Bolt und FreeNow gebucht werden können. Deren Subunternehmen, in Berlin waren es im Januar 691, betrieben im selben Monat 4498 Mietwagen. Weil aber viele Fahrzeuge ohne Konzession betrieben werden und auch Mietwagen aus dem Umland unterwegs sind, sei die Zahl mit 6500 bis 7000 schon jetzt höher als der Taxibestand in Berlin, rechnete Waldner vor.

Der SPD-Abgeordnete Tino Schopf sprach am Mittwoch von „2000 illegal fahrenden Mietwagen, deren Fahrgäste nicht versichert sind. Dabei ist das Perfide, dass die Fahrgäste das nicht wissen.“ Der Verkehrspolitiker sieht in dem Bereich „organisierte Kriminalität“ und „mafiöse Strukturen, die weit ins Bundesgebiet hineinreichen“. Die Fahrer bekämen meist Hungerlöhne und müssten ihre Einkünfte mit Geld vom Staat aufbessern, um über die Runden zu kommen. Schopf: „Die Koalition hat das Ziel, den Sumpf auszutrocknen – und dass geltendem Recht zur Geltung verholfen wird.“

Schopf sowie andere Teilnehmer der Anhörung forderten den Senat auf, weitere Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Personenbeförderungsgesetz seit seiner Novellierung bietet. So wurde die Forderung bekräftigt, den neuen Paragrafen 51a zu nutzen und Mindesttarife für den Mietwagenverkehr festzusetzen. „Sonst haben wir keine Chance. Sonst wird das Berliner Taxigewerbe absterben“, warnte Waldner.

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Unterstützung bekamen die Befürworter von einem Unternehmen, das Mietwagenfahrten vermittelt. „Mindesttarife würden Mindestlöhne sichern und Sozialdumping verhindern“, sagte Alexander Mönch von FreeNow. „Während der Taxitarif behördlich festgelegt und verbindlich ist, kann der Mietwagentarif frei festgelegt werden. In diesem Verdrängungswettbewerb hat das Taxigewerbe keine Chance zu konkurrieren. Das Mindestentgelt würde die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen“, hatte das Unternehmen bereits im vergangenen Herbst betont.

Der Senat habe sich vorgenommen, wie von der Koalition gefordert, den gesetzlichen Gestaltungsspielraum auszuschöpfen, sagte Manja Schreiner. „Dem fühle ich mich verpflichtet“, bekräftigte die Verkehrssenatorin. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung.“ Die Senatorin blieb aber auch am Mittwoch konkrete Angaben dazu schuldig, ob und wann Berlin Mindestbeförderungsentgelte für Uber, Bolt und Co einführt. Mindesttarife könnten „Dumpingpreise wahrscheinlich verhindern“, sagte Simon Kase, der den Senat berät. Doch das Thema sei rechtlich deutlich komplexer als Festpreise, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als das mildeste Mittel gelten. Er befürchte Klagen.

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Der Kreis Lörrach im Südwesten hat die Möglichkeit, die der novellierte Paragraf 51a des Personenbeförderungsgesetzes eröffnet, genutzt und Mindesttarife fixiert. „Bei der Allgemeinverfügung geht es um die berechtigten Interessen der Unternehmen, eine strukturelle Gleichheit mit Anbietern aus dem Ausland herzustellen“, teilte Torben Pahl vom Landratsamt Lörrach der Berliner Zeitung mit. Weil Lörrach in einer Grenzregion liegt, die Schweiz und Frankreich nicht weit entfernt sind, sei der „Landkreis in einer besonderen Situation, was Anbieter aus dem Ausland angeht“, erklärte Pahl. „Es gab weder Widersprüche noch Klagen gegen die Allgemeinverfügung.“

In Leipzig ist das anders. Die sächsische Großstadt sorgte im September 2021 in der Branche für Aufsehen, als sie eine Verwaltungsrichtlinie beschloss, die für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen Mindestentgelte festsetzte. Ziel sei es, zu den Tarifen der Leipziger Verkehrsbetriebe einen Abstand zu garantieren. Der Nahverkehr als Teil der Daseinsvorsorge soll nicht gefährdet werden. „Weiterhin wird eine Kannibalisierung des Taxiverkehrs als Ergänzung des ÖPNV verhindert beziehungsweise begrenzt“, heißt es weiter. Doch wie berichtet liegt eine Klage gegen die Richtlinie vor. Eine Gerichtsentscheidung gebe es bislang nicht, ließ das Ordnungsamt ausrichten.

Der Europäische Gerichtshof hat sich bereits mit dem Mietwagenverkehr befasst – 2023 im Barcelona-Urteil. Mietwagenunternehmer hatten für Barcelona und Umgebung zusätzliche Genehmigungen beantragt. Allerdings hatte die zuständige Behörde auf ein Dreißigstel der Taxizahl beschränkt. Die Mietwagenbetreiber zogen vor Gericht, der Fall landete in Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass rein wirtschaftliche Gründe nicht ausreichen dürfen, wenn es um Taxidienste geht. Deshalb dürften keine Mindesttarife für Mietwagen eingeführt werden, argumentieren Uber und Bolt. Juristen entgegnen, dass es auf die Begründung ankäme. Nach dem Urteil wären Maßnahmen möglich, wenn sie „öffentlichen Verkehrsinteressen“ entsprächen.

Uber lehnt Mindesttarife für den Mietwagenverkehr ab. Behörden, die den Paragrafen 51a anwenden, handelten „unzweifelhaft rechtswidrig“, hieß es. Die Regelung beschränke die Niederlassungsfreiheit, da „eine Tarifregulierung das Angebot von Mietwagendiensten in Deutschland weniger attraktiv machen kann“, stellten Gutachter fest. Eine Preisregulierung wäre möglich, wenn dies dem Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen diene. Doch diese Interessen könnten heute nicht mehr mit dem Schutz des Taxiwesens gleichgesetzt werden. Auch Bolt sieht Mindesttarife kritisch – und behält sich rechtliche Schritte vor, wenn Kommunen solche Tarife festlegen.

Alexander Mönch von FreeNow stellte bei der Anhörung am Mittwoch infrage, ob das Geschäftsmodell bei taxiähnlichen Mietwagen wirtschaftlich tragfähig sei. „Selbst bei dauerhafter maximaler Auslastung und niedrigen Vermittlungsgebühren entsteht Betreibern ein Verlust“, rechnete Mönch vor. Christoph Weigler von Uber wies dies zurück. „Das Mietwagenmodell rechnet sich“, sagte er. Weigler bezifferte die „Servicegebühr“, die der Fahrzeugbetreiber Uber für die Vermittlung zahlen muss, auf durchschnittlich 15 Prozent.

QOSHE - Zum Festpreis durch Berlin: So will der Senat Taxifahrten attraktiver machen - Peter Neumann
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Zum Festpreis durch Berlin: So will der Senat Taxifahrten attraktiver machen

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21.02.2024

Der Weg ist frei. Im Berliner Taxiverkehr soll es bald Festpreise geben. Das kündigte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am Mittwoch im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses an. „Kunden schätzen es, wenn sie bei der Buchung den Preis im Vorhinein wissen“, sagte die CDU-Politikerin während einer Anhörung zur Taxibranche. „Künftig tragen sie bei Staus kein Preisrisiko mehr.“ Die Verwaltung bereite eine Verordnung vor, über die der Senat im ersten Quartal 2024 entscheiden soll.

Wer bei Uber, Bolt und FreeNow per App eine Fahrt bucht, dem wird mitgeteilt, wie viel die Tour kostet. Taxikunden haben diese Sicherheit und Preistransparenz bislang nicht. Nun sollen Festpreise in diesem Punkt gleiche Wettbewerbsbedingungen mit der Konkurrenz herstellen. Wer dann telefonisch oder auf andere Art eine Taxifahrt bestellt, bekommt einen verbindlichen Festpreis genannt, der nachträglich nicht mehr geändert werden kann. Umleitungen oder Wartezeiten vor Ampeln schlagen nicht mehr zu Buche.

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Auch von der Taxi-Konkurrenz kam eine positive Reaktion. In München würden bereits Festpreise angeboten, rief Christoph Weigler vom Fahrdienstvermittler Uber am Mittwoch im Ausschuss in Erinnerung. Bislang entfielen nur ein bis zwei Prozent der Fahrten, die bei Uber in München gebucht wurden, auf Taxis. Fünf Monate nach Einführung der Festpreise waren es bereits rund zehn Prozent. Der Deutschland-Chef des amerikanischen Unternehmens begrüßte, dass es auch im Berliner Taxiverkehr Preistransparenz geben soll. Allerdings sollte der Tarifkorridor weiter gezogen werden, forderte Weigler.

Der Raum 311 des Abgeordnetenhauses war gut gefüllt; fast drei Stunden waren für die Debatte über die Zukunft des Berliner Taxiverkehrs vorgesehen. „So eine große Anhörung zu diesem Thema hat es........

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