Fahrgäste der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) müssen sich in der kommenden Woche auf einen weiteren Warnstreik einstellen - diesmal 35 Stunden lang. Von Donnerstag (29. Februar) ab Dienstbeginn um 3 Uhr früh bis Freitag (1. März), 14 Uhr, sollen bei der BVG keine U-Bahnen, Linienbusse und Straßenbahnen fahren. Das teilte die Gewerkschaft Verdi am Donnerstag in einer internen Tarifinfo mit. Zum einen ruft Verdi die BVG-Beschäftigten dazu auf, die Arbeit niederzulegen, um Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Zum anderen kündigen die Gewerkschaft und Fridays for Future für den 1. März bundesweit einen „Klimastreik“ an.

In Berlin ist es der zweite Warnstreik während der laufenden Tarifauseinandersetzung. Am 2. Februar waren die Busse und Bahnen der BVG von 3 bis 10 Uhr schon einmal in den Depots geblieben. Auch diesmal werden den Fahrgästen Alternativen zur Verfügung sehen. So sollen Busse privater Unternehmen, die im Auftrag der BVG eingesetzt werden, weiter verkehren. Dabei handelt es sich um die Linien M36, 106, 114, 118, 124,133, 161, 168, 175, 179, 184, 204, 218, 234, 275, 316, 318, 320, 326, 334, 349, 363, 380, N12, N23, N35, N39, N53, N61, N62, N68, N69, N84, N91, N95 und N97. Der Fahrdienst Muva im Osten Berlins sowie die BVG-Fährlinien werden auch diesmal nicht bestreikt.

S-Bahnen und Regionalzüge fahren ebenfalls nach Plan, weil auch sie nicht von der BVG betrieben werden. Trotzdem wird für viele Menschen der Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkauf erneut länger dauern als sonst. Normalerweise wird das größte kommunale Nahverkehrsunternehmen Deutschlands täglich für fast drei Millionen Fahrten genutzt.

Ein Klimastreik, der klimafreundliche Busse und Bahnen lahmlegt, während der klimaschädliche Autoverkehr unbehelligt bleibt? In der BVG-Chefetage sieht man da durchaus einen Widerspruch. Doch Verdi und Fridays for Future, die unter dem Motto „Wir fahren zusammen“ kooperieren, teilen diese Einschätzung nicht. Damit die Mobilitätswende vorangeht und mehr Menschen vom Auto umsteigen, wird ein starker öffentlicher Verkehr gebraucht – und der funktioniert nur, wenn genug Menschen als Fahrer arbeiten wollen und die Arbeitsbedingungen als attraktiv empfinden.

In allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern sind derzeit Tarifverhandlungen im öffentlichen Nahverkehr im Gang. Außerhalb von Berlin wurde am 2. Februar den ganzen Tag gestreikt, inzwischen rief Verdi zu weiteren Arbeitsniederlegungen auf. Vielerorts verhandelt die Gewerkschaft über eine bessere Bezahlung – unter anderem im Land Brandenburg. Es geht aber auch um bessere Arbeitsbedingungen – wie in Berlin, wo Verdi mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) über einen neuen Rahmentarifvertrag spricht. Der nächste Termin ist für den 1. März vorgesehen.

20.02.2024

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Zwar hieß es, dass sich Gewerkschaft und Arbeitgeberseite während der zweiten Verhandlungsrunde am 15. Februar näher gekommen seien. So habe der KAV Berlin offeriert, die unbezahlten Pausenanteile im Fahrdienst zum 1. Januar 2025 auf 40 Minuten zu verringern. Anfang 2027 könnten sie sogar auf 30 Minuten sinken, hieß es. Die Mindestruhezeit fürs Fahrpersonal könnte von elf auf zwölf Stunden verlängert werden. Angeboten wurde auch, die Dienstzeitlänge flexibler zu gestalten.

Trotzdem zeigte sich die Gewerkschaft „mit dem bisherigen Verhandlungsstand unzufrieden“, wie Verdi am Tag darauf mitteilte. „Die Arbeitgeberseite beschränkt sich und die Verhandlungen mit einem sehr niedrigen Gesamtvolumen, welches wenig Raum für weitreichende Verbesserungen erlaubt, und macht Angebote, welche den gesetzten Ansprüchen nicht gerecht werden“, stellte die Arbeitnehmerseite fest.

Bei einem Thema, dem Verdi große Bedeutung zumisst, ist offenbar weiterhin keine Einigung in Sicht. Es geht um die betriebliche Wendezeit – also um die Zeit, die zwischen der Ankunft an einer Endhaltestelle und der Rückfahrt planmäßig bleibt. Derzeit ist sie auf mindestens vier Minuten terminiert, die Gewerkschaft fordert pauschal zehn Minuten – damit das Fahrpersonal an den Endstellen länger durchatmen kann.

Für eine so lange Wendezeit sieht die Arbeitgeberseite keinen Verhandlungsspielraum, wie die BVG Mitte Februar bekräftigte. Wenn Busse und Bahnen länger an Endstationen stünden, bräuchte das Unternehmen mehr Stellflächen und Gleise, hieß es. Insgesamt müssten mehrere Milliarden Euro investiert werden, was Jahrzehnte dauern würde – angesehen davon, dass vielerorts der Platz fehlt. Die BVG würde auch mehr Fahrpersonal und mehr Fahrzeuge benötigen, oder sie müsste den Fahrplan ausdünnen.

Die Gewerkschaft bekräftigte am Donnerstag ihre negative Einschätzung: „Die Angebote sind zu wenig. Nicht nur ist deren Beitrag zu einer nachhaltigen Entlastung der Beschäftigten der BVG und BT ernsthaft anzuzweifeln, auch eine schnelle, spürbare Entlastung scheint nicht gewollt. Jetzt gilt es, den Druck weiter zu erhöhen. Wir rufen deshalb alle Beschäftigten des TV-N Berlin zum Warnstreik auf.“

Die Stimmung beim Fahrpersonal ist schlecht, berichten Gewerkschafter. „Wir wünschen uns mehr Wertschätzung – auch von der Politik“, sagte ein Fahrer der Berliner Zeitung. Während manch einer immer noch von der Mobilitätswende spreche, stünden Busse und Straßenbahnen im Stau. Längst nicht an allen Ampeln bekomme der öffentliche Verkehr Vorrang. Der Ausbau des Busspurennetzes stagniert – unter anderem, weil Anwohner in Zehlendorf erfolgreich vor Gericht gezogen sind.

Die Fluktuation im Fahrdienst sei groß, hieß es. Private Busfirmen und Unternehmen, die für Tesla oder auf dem Flughafen BER Busse fahren, locken mit üppigen Wechselprämien. Auf vielen Buslinien gebe es mittlerweile ein schwieriges Fahrgastklientel. „Ich gehe davon aus, dass viele meiner Kollegen die AfD wählen würden“, sagte ein BVG-Mitarbeiter im Osten der Stadt.

Nicht nur die Arbeitsbedingungen, auch die Bezahlung müsse sich bessern – doch die nächste Entgeltrunde für die BVG steht erst Anfang 2025 wieder an. Nicht wenige Fahrer bessern ihre Einkünfte dadurch auf, indem sie während des Dienstes Pfandflaschen sammeln und später in Supermärkten einlösen, wird berichtet. So etwas gebe es schon, seitdem vor über 20 Jahren für diverse Getränke für Flaschenpfandpflicht eingeführt wurde, sagte ein Personalvertreter: „Nachtwagenfahrer profitieren am meisten davon.“

QOSHE - Warnstreik bei der BVG: Diesmal stehen Busse und Bahnen 35 Stunden still - Peter Neumann
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Warnstreik bei der BVG: Diesmal stehen Busse und Bahnen 35 Stunden still

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22.02.2024

Fahrgäste der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) müssen sich in der kommenden Woche auf einen weiteren Warnstreik einstellen - diesmal 35 Stunden lang. Von Donnerstag (29. Februar) ab Dienstbeginn um 3 Uhr früh bis Freitag (1. März), 14 Uhr, sollen bei der BVG keine U-Bahnen, Linienbusse und Straßenbahnen fahren. Das teilte die Gewerkschaft Verdi am Donnerstag in einer internen Tarifinfo mit. Zum einen ruft Verdi die BVG-Beschäftigten dazu auf, die Arbeit niederzulegen, um Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Zum anderen kündigen die Gewerkschaft und Fridays for Future für den 1. März bundesweit einen „Klimastreik“ an.

In Berlin ist es der zweite Warnstreik während der laufenden Tarifauseinandersetzung. Am 2. Februar waren die Busse und Bahnen der BVG von 3 bis 10 Uhr schon einmal in den Depots geblieben. Auch diesmal werden den Fahrgästen Alternativen zur Verfügung sehen. So sollen Busse privater Unternehmen, die im Auftrag der BVG eingesetzt werden, weiter verkehren. Dabei handelt es sich um die Linien M36, 106, 114, 118, 124,133, 161, 168, 175, 179, 184, 204, 218, 234, 275, 316, 318, 320, 326, 334, 349, 363, 380, N12, N23, N35, N39, N53, N61, N62, N68, N69, N84, N91, N95 und N97. Der Fahrdienst Muva im Osten Berlins sowie die BVG-Fährlinien werden auch diesmal nicht bestreikt.

S-Bahnen und Regionalzüge fahren ebenfalls nach Plan, weil auch sie nicht von der BVG betrieben werden. Trotzdem wird für viele Menschen der Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkauf erneut länger dauern als sonst. Normalerweise wird das größte kommunale........

© Berliner Zeitung


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