Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Damit sich Farbschmierer nicht lange über ihre Werke freuen können, bemüht sich die S-Bahn Berlin, Graffiti und andere Hinterlassenschaften so schnell wie möglich verschwinden zu lassen. Damit die Wagen noch rascher wieder sauber werden, setzt das Unternehmen auf ein neues Verfahren. Am Mittwoch wurde es in der Betriebswerkstatt Friedrichsfelde vorgestellt. Kurz zusammengefasst: Jetzt sprüht die Berliner S-Bahn zurück – ab sofort greifen auch ihre Mitarbeiter zur Spraydose.

Graffiti: Für die einen sind sie Metropolenkunst, die den öffentlichen Raum anders als Werbung bereichert. Nach Meinung der anderen bringen die farbigen, meist gesprühten Darstellungen Unruhe ins Stadtbild. Noch mehr Menschen fühlen sich durch Tags gestört, also Logo-artige Schriftzeichen und Wortkürzel. Deren Urheber markieren mit dicken Filzstiften ihre Bereiche: Ich war hier, pass auf!

Es ist eine Diskussion, an der Verkehrsunternehmen bewusst nicht teilnehmen. Denn für sie sind Graffiti, Tags und andere unbefugte Farbaufträge in Fahrzeugen und Anlagen in keinem Fall Kunst, sondern immer nur Kostenfaktoren und Arbeitsbelastungen. Beschmierte Züge müssen aus dem Betrieb genommen werden und stehen zum Teil tagelang nicht mehr zur Fahrgastbeförderung zur Verfügung. In den Werkstätten sind zahlreiche Mitarbeiter damit beschäftigt, mit viel Chemie Schäden zu beseitigen.

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04.03.2024

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Der S-Bahn-Verkehrsvertrag mit den Ländern Berlin und Brandenburg sieht vor, Innen- und Außengraffitis binnen 48 Stunden zu beseitigten. Das muss für 97 Prozent der Schmierereien fristgerecht erfolgen, sonst droht ein Geldabzug. Wenn verfassungsfeindliche Symbole entdeckt werden, muss die S-Bahn den Zug bereits beim nächsten planmäßigen Halt aus dem Betrieb nehmen. Für andere Fälle gelten andere Regelungen. Doch klar ist stets: Züge mit Graffiti müssen bald in die Werkstatt.

„Im vergangenen Jahr hat die S-Bahn Berlin allein in den Fahrgasträumen der Züge Graffiti auf einer Fläche von rund 150.000 Quadratmeter entfernt“, teilte das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn (DB) am Mittwoch mit. Zum Vergleich: Für die Verhüllung des Reichstagsgebäudes 1995 wurden 100.000 Quadratmeter Stoff verwendet. Durch Graffiti sind der DB 2023 bundesweit zwölf Millionen Euro Schaden entstanden: „Geld, das die DB lieber für ihre Fahrgäste einsetzen würde.“

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14.02.2024

Bei den Verkehrsunternehmen weiß man: Je länger Graffiti und Tags in der Öffentlichkeit zu sehen sind, je öfter sie fotografiert und in sozialen Medien verbreitet werden, desto größer ist der Ruhm der Urheber. Auch für die S-Bahn kommt es darauf an, dass Bilder, Farben und Schriftzüge so schnell wie möglich wieder aus dem Blickfeld verschwinden. Damit dies nun noch schneller gelingt, nimmt das Unternehmen Geld in die Hand – und stellt einen Maler ein, der sich in den fünf Betriebswerkstätten Wannsee, Oranienburg, Friedrichsfelde, Erkner und Grünau darum kümmert.

„Die Farbe, die für Tags verwendet wird, dringt so tief in die Fahrzeugwand ein, dass selbst nach der Reinigung noch Reste zu sehen sind. Diese Schatten macht die S-Bahn nun mit Sprühfarbe unsichtbar. Damit lassen sich in kürzerer Zeit mehr Flächen bearbeiten“, berichtet die S-Bahn. Bislang werden die Farbreste klassisch übermalt. Doch das dauert, denn an schwer zugänglichen Stellen müssen die Sitze ausgebaut werden, und die Farbe muss über mehrere Stunden trocknen. So war es bislang nur bei längeren Werksaufenthalten möglich, Graffiti in S-Bahn-Innenräumen zu entfernen.

Mit dem seit Ende Februar eingesetzten Verfahren geht das nun deutlich schneller, berichtet das Unternehmen. Die Innenräume der S-Bahn-Baureihen sind mit rund zehn unterschiedlichen Farbtönen gestaltet. Die Werksmitarbeiter befüllen Spraydosen mit der passenden Farbe und tragen sie in dünnen Schichten auf. „Schwer zugängliche Stellen lassen sich einfacher bearbeiten, und die Farbe ist in weniger als einer Stunde getrocknet“, so die S-Bahn. „So ist es möglich, Graffiti jedes Mal zu entfernen, wenn die Fahrzeuge zur regelmäßigen Wartung in die Betriebswerkstatt kommen.“

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„Wir wollen, dass sich unsere Fahrgäste in unseren Fahrzeugen wohlfühlen“, sagte S-Bahn-Chef Peter Buchner am Mittwoch. „Der Großteil unserer Flotte ist fabrikneu oder frisch modernisiert. Damit das so bleibt, gehen wir entschieden gegen Schmierereien vor. Unser Ziel ist, dass alle S-Bahnen wie neu aussehen. Wir verfolgen konsequent jede Form von Vandalismus in unseren Fahrzeugen.“

Bezogen auf den gesamten DB-Konzern, belief sich der Schaden durch Graffiti und Vandalismus im Jahr 2022 auf fast 40 Millionen Euro, sagt ein Bahnsprecher. Im Vergleich dazu sind die Kosten, die den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) entstanden, nicht minder beachtlich. Dort summierten sich die Kosten, die durch Graffiti entstanden, auf 1,2 Millionen Euro. Für die Beseitigung von sonstigen Vandalismusschäden musste das Landesunternehmen im Jahr 2022 rund 3,2 Millionen Euro aufwenden. Die BVG verwies darauf, dass die Fahrzeugreinigung 10,5 Millionen Euro kostete.

„Die endgültigen Zahlen für 2023 werden erst mit den allgemeinen Sicherheitsdaten veröffentlicht. Nach vorläufigen Auswertungen lagen die Kosten zur Beseitigung von Vandalismusschäden 2023 aber leicht über den Zahlen des Vorjahres“, sagte BVG-Sprecher Stefan Volovinis. „Unser Einsatz gegen Graffiti und Vandalismus allgemein wurde – wie der gesamte Sicherheitsbereich – in den vergangenen Jahren verstärkt. Das beinhaltet sowohl personelle Verstärkung als auch technische Maßnahmen. Auch die Reinigungsleistung wurde erhöht. Um Kriminellen keine Hinweise zu geben, werden die Maßnahmen zum Schutz vor Vandalismus aber nicht im Detail öffentlich erläutert.“

QOSHE - Neue Strategie gegen Graffiti: Jetzt sprayt die S-Bahn Berlin zurück - Peter Neumann
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Neue Strategie gegen Graffiti: Jetzt sprayt die S-Bahn Berlin zurück

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06.03.2024

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Damit sich Farbschmierer nicht lange über ihre Werke freuen können, bemüht sich die S-Bahn Berlin, Graffiti und andere Hinterlassenschaften so schnell wie möglich verschwinden zu lassen. Damit die Wagen noch rascher wieder sauber werden, setzt das Unternehmen auf ein neues Verfahren. Am Mittwoch wurde es in der Betriebswerkstatt Friedrichsfelde vorgestellt. Kurz zusammengefasst: Jetzt sprüht die Berliner S-Bahn zurück – ab sofort greifen auch ihre Mitarbeiter zur Spraydose.

Graffiti: Für die einen sind sie Metropolenkunst, die den öffentlichen Raum anders als Werbung bereichert. Nach Meinung der anderen bringen die farbigen, meist gesprühten Darstellungen Unruhe ins Stadtbild. Noch mehr Menschen fühlen sich durch Tags gestört, also Logo-artige Schriftzeichen und Wortkürzel. Deren Urheber markieren mit dicken Filzstiften ihre Bereiche: Ich war hier, pass auf!

Es ist eine Diskussion, an der Verkehrsunternehmen bewusst nicht teilnehmen. Denn für sie sind Graffiti, Tags und andere unbefugte Farbaufträge in Fahrzeugen und Anlagen in keinem Fall Kunst, sondern immer nur Kostenfaktoren und Arbeitsbelastungen. Beschmierte Züge müssen aus dem Betrieb genommen werden und stehen zum Teil tagelang nicht mehr zur Fahrgastbeförderung zur Verfügung. In den Werkstätten sind zahlreiche Mitarbeiter damit beschäftigt, mit viel Chemie Schäden zu beseitigen.

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04.03.2024

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Der S-Bahn-Verkehrsvertrag mit den........

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