Es hat lange gedauert und immer wieder hat sich das Bauprojekt verzögert. Doch zum nächsten großen Fahrplanwechsel am Ende dieses Jahres ist es soweit: Berlin bekommt eine neue S-Bahn-Verbindung. Am 14. Dezember, einen Tag vor dem nächsten großen Fahrplanwechsel, nimmt die Deutsche Bahn (DB) die Strecke zwischen Wedding und Hauptbahnhof in Betrieb. Das teilte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am Freitag mit. Dann zog auch sie sich eine rote Warnweste an, setzte den Helm auf – und sah sich die Arbeiten im neuen S-Bahnhof nördlich der Invalidenstraße an.

„Bitte aufpassen, die Treppe hat noch kein Geländer“, sagt Burkhard Wilde von der DB Bahnbau Gruppe. Er führt Alexander Kaczmarek, den DB-Konzernbevollmächtigten für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, und dessen Besucher hinunter zum Bahnsteig. Die Signale leuchten schon, auch die beiden Gleise links und rechts der Plattform sind betriebsfertig. Auf der Ostseite wird künftig im Zehn-Minuten-Takt die S15 abfahren. Berlins jüngste S-Bahn-Linie wird die Tunnelstation gegenüber vom Hauptbahnhof mit Wedding und Gesundbrunnen verbinden. „Zum ersten Mal wird der Bahnhof auch vom Norden Berlins aus mit der S-Bahn erreichbar sein“, so Kaczmarek.

Bislang werden die Schienen nur von Arbeitsfahrzeugen genutzt. Auch die Passerelle, die sich über dem Bahnsteig erstreckt und an den Durchgang unter der Invalidenstraße anschließt, sieht noch aus wie eine Baustelle. Doch der Wille zur Gestaltung, den die Architekturabteilung der früheren DB-Tochter Station & Service dem S-Bahnhof walten ließ, ist dort bereits zu spüren. Wilde präsentiert eine der Emailleplatten aus Halle (Saale), mit denen die Wände verkleidet werden. Wen das Muster aus hellblauen, dunkelblauen und schwarzen Tupfern an Gischt erinnert, liegt richtig. Die Inspiration für ihr maritimes Design bezogen die Planer vom nahe gelegenen Humboldthafen.

Mit 5,80 Meter ist dieses Ende der Passerelle überraschend hoch. In der Halle sind die ersten Bodenplatten aus italienischem Granit schon verlegt worden. Die Betondecke wird wie auch unten auf der Bahnsteigebene schwarz gestrichen. Ein Aufzug wird den Bahnsteig, der noch einen zweiten Treppenaufgang hat, mit der Passerelle verbinden. Von dort führen zwei Fahrtreppen zu den Bahnsteigen der Straßenbahn empor. Heute müssen die Fahrgäste noch eine steile Treppe bezwingen, wenn sie zur M10 wollen.

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03.04.2024

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03.04.2024

Neue S-Bahn für Berlin: Wann wird der Tunnel zum Hauptbahnhof endlich fertig?

10.01.2024

Mehr Bahn für die Region Berlin: Was sich jetzt endlich ändern muss

08.09.2023

Der rund 80 Meter lange Bahnsteig gehört zu dem 470 Meter langen Tunnel, der die beiden S-Bahn-Gleise in Richtung Norden führt. Die Neubaustrecke kommt zwischen schlichter, aber teurer Investorenarchitektur ans Tageslicht. „Sieht ziemlich trostlos aus“, sagt Wilde knapp.

Nicht weit vom Tunnelmund entfernt werden aus zwei Gleisen vier. Links und rechts werden die S-Bahnen zum Westhafen und weiter nach Siemensstadt und Gartenfeld rollen – die Siemensbahn soll 2029 wieder in Betrieb gehen. Die beiden Gleise in der Mitte erklimmen eine Rampe, die auch Wilde ziemlich steil findet. „Mal sehen, wie voll besetzte S-Bahnen im Winter damit zurechtkommen.“ Dort werden vom dritten Advent an die Züge von und nach Wedding – Gesundbrunnen verkehren. Wo sich die beiden Streckenäste trennen, ist der S-Bahnhof Perleberger Brücke vorgesehen.

Die neue S-Bahnstrecke ist nicht lang – gerade mal zwei Kilometer. „Damit werden sich nicht die Verkehrsprobleme Berlins lösen lassen“, das weiß auch DB-Manager Kaczmarek. Trotzdem ist sie wichtig – nicht nur, weil der Hauptbahnhof bald besser erreichbar sein wird. „Hier bauen wir nicht mehr und nicht weniger als eine veritable neue Stammstrecke für die S-Bahn.“ Die mehr als sieben Kilometer lange Trasse, die von der Bahn abwechselnd als City-S-Bahn und S21 bezeichnet wird, soll den kurvigen Nord-Süd-Tunnel, der Ende der 1930er-Jahre fertiggestellt wurde, entlasten.

Die Vorgeschichte ist schon ziemlich lang. Als in den 1990er-Jahren die Planungen für den Ausbau des Schienennetzes in Berlin in die Vollen gingen, war man sich bald einig, dass der neue große Turmbahnhof an der Spree zusätzliche S-Bahn-Verbindungen braucht. Doch die zweite Nord-Süd-S-Bahn werde nicht nur gebraucht, damit die Station aus vielen Bereichen Berlins besser erreichbar ist. Sie ist auch nötig, um in der wachsenden Stadt den heutigen S-Bahn-Tunnel zu entlasten und neue, bessere Verbindungen zu schaffen.

Doch zunächst konzentrierte man sich darauf, die U5 zum Hauptbahnhof zu verlängern. Das Projekt S21 dümpelte jahrelang vor sich hin. Zwischenzeitlich hieß es, dass die Züge ab 2015 fahren sollen, aber daraus wurde nichts. Nachdem die Arbeiten vor mehr als zehn Jahre endlich begonnen hatten, erlebten Bauleute und Planer immer wieder Rückschläge. So drang im Dezember 2015 im Bereich der Tunnelbaugrube unter der Minna-Cauer-Straße zu viel Grundwasser ein, die Arbeiten mussten unterbrochen und von Tauchern weitergeführt werden. Damals hieß es, dass die S15 Ende 2020 starten soll. Später war von Ende 2022 die Rede, wurde der Termin später auf Ende 2023 korrigiert.

Bei der Bahn sprach man von „bundesweiten Material- und Lieferengpässen insbesondere für dringend erforderliche elektrotechnische Komponenten. Durch Corona verursachte Belastungen wirken bis heute fort und können nicht vollständig aufgeholt werden. Hinzu kommt die angespannte Fachkräfteverfügbarkeit in der Baubranche.“ Zuletzt machte sich auch der Mangel an Planern und anderen Fachleuten bemerkbar. Andere Bahnprojekte haben eine höhere Priorität.

In diesem Berliner S-Bahnhof werden sich die Fahrgäste wie unter Wasser fühlen

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Grundwasser bremst Berliner S-Bahn-Bau

15.03.2017

Unterdessen stiegen die Kosten des ersten Bauabschnitts. War zunächst lange von 227 Millionen Euro die Rede, sprach man später von 319 Millionen und dann mehr als 400 Millionen Euro. Berlin steuerte einen Teil bei, die Rede war von 60 Millionen Euro. Am Freitag wollte Alexander Kaczmarek keine neue Schätzung nennen – also dürfte es noch teurer werden. Allein die Interimslösung mit dem provisorischen Bahnsteig, der im Dezember in Betrieb geht und später wieder abgerissen werden soll, wurde auf rund 20 Millionen Euro geschätzt. Sie wurde erforderlich, nachdem die Planer entdeckt hatten, dass der für die neue S-Bahnstation unter dem Hauptbahnhof vorgesehene Platz belegt ist.

Die Stützen des Stadtbahnviadukts stehen auf einem unterirdischen Betonrost, unter dem der Tunnel der S 21 entstehen soll. Doch es stellte sich heraus, dass der Rost für das gewählte Bauverfahren zu wenig Öffnungen hat. Zudem entdeckten die Bauleute unter dem Rost einen rund 900 Kubikmeter großen Betonblock, der dort nicht hingehörte. Seit 2020 musste umgeplant werden, umfangreiche zusätzliche Arbeiten sind erforderlich. Die Humboldthafenbrücke war eine von vielen weiteren Variablen, die berücksichtigt werden mussten. Im dritten Quartal will die DB für diesen Problembereich eine Lösung präsentieren, die weltweit einzigartig ist, wie es Freitag hieß.

Auch wenn kein Datum genannt wurde: Irgendwann soll unter dem Europaplatz die endgültige S-Bahn-Tunnelstation Hauptbahnhof in Betrieb gehen. Auch sie wird maritim gestaltet. Dort beginnt der zweite Bauabschnitt der S21, für den das Planfeststellungsverfahren begonnen hat. Bis auf dem Teilstück zum S-Bahnhof Potsdamer Platz voraussichtlich Anfang der 2030er der Betrieb beginnt, sind ebenfalls knifflige Bauthemen zu bewältigen – zum Beispiel die Unterquerung der Spree.

Nach langen Debatten wurde entschieden, dass eine Tunnelröhre das Reichstagsgebäude westlich, die andere östlich umfährt. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma erfordert besondere Vor- und Rückseite. Auf der Westseite des Brandenburger Tors wird lange eine Baugrube klaffen. Und um die neuen S-Bahngleise anzuschließen, müssen der S-Bahnhof Potsdamer Platz und ein Teil des jetzigen Nord-Süd-Tunnels mindestens 22 Monate vorübergehend stillgelegt werden.

Es bleibt viel zu tun, bis die zweite Nord-Süd-S-Verbindung komplett ist. Im Dezember ist die erste Etappe erreicht – endlich.

QOSHE - Eine neue S-Bahn-Linie für Berlin: So sieht es in der Endstation der S15 aus - Peter Neumann
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Eine neue S-Bahn-Linie für Berlin: So sieht es in der Endstation der S15 aus

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05.04.2024

Es hat lange gedauert und immer wieder hat sich das Bauprojekt verzögert. Doch zum nächsten großen Fahrplanwechsel am Ende dieses Jahres ist es soweit: Berlin bekommt eine neue S-Bahn-Verbindung. Am 14. Dezember, einen Tag vor dem nächsten großen Fahrplanwechsel, nimmt die Deutsche Bahn (DB) die Strecke zwischen Wedding und Hauptbahnhof in Betrieb. Das teilte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am Freitag mit. Dann zog auch sie sich eine rote Warnweste an, setzte den Helm auf – und sah sich die Arbeiten im neuen S-Bahnhof nördlich der Invalidenstraße an.

„Bitte aufpassen, die Treppe hat noch kein Geländer“, sagt Burkhard Wilde von der DB Bahnbau Gruppe. Er führt Alexander Kaczmarek, den DB-Konzernbevollmächtigten für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, und dessen Besucher hinunter zum Bahnsteig. Die Signale leuchten schon, auch die beiden Gleise links und rechts der Plattform sind betriebsfertig. Auf der Ostseite wird künftig im Zehn-Minuten-Takt die S15 abfahren. Berlins jüngste S-Bahn-Linie wird die Tunnelstation gegenüber vom Hauptbahnhof mit Wedding und Gesundbrunnen verbinden. „Zum ersten Mal wird der Bahnhof auch vom Norden Berlins aus mit der S-Bahn erreichbar sein“, so Kaczmarek.

Bislang werden die Schienen nur von Arbeitsfahrzeugen genutzt. Auch die Passerelle, die sich über dem Bahnsteig erstreckt und an den Durchgang unter der Invalidenstraße anschließt, sieht noch aus wie eine Baustelle. Doch der Wille zur Gestaltung, den die Architekturabteilung der früheren DB-Tochter Station & Service dem S-Bahnhof walten ließ, ist dort bereits zu spüren. Wilde präsentiert eine der Emailleplatten aus Halle (Saale), mit denen die Wände verkleidet werden. Wen das Muster aus hellblauen, dunkelblauen und schwarzen Tupfern an Gischt erinnert, liegt richtig. Die Inspiration für ihr maritimes Design bezogen die Planer vom nahe gelegenen Humboldthafen.

Mit 5,80 Meter ist dieses Ende der Passerelle überraschend hoch. In der Halle sind die ersten Bodenplatten aus italienischem Granit schon verlegt worden. Die Betondecke wird wie auch unten auf........

© Berliner Zeitung


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