Schlechte Nachrichten für alle, die gern schneller mit dem Bus durch die Stadt fahren würden. Das Busspurnetz in Berlin wächst kaum noch, mit Zuwachs ist auf absehbare Zeit fast nirgends zu rechnen. Im Gegenteil: Das Netz soll sogar schrumpfen. So haben Bürger gegen mehrere Sonderfahrstreifen Widerspruch eingelegt. Damit besteht auch in diesen Fällen die Gefahr, dass die Markierungen entfernt werden. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des Linke-Politikers Kristian Ronneburg hervor.

In der Drucksache des Parlaments konnte Staatssekretärin Claudia Elif Stutz dem Abgeordneten nur eine einzige neue Busspur in Berlin nennen. In der Ollenhauerstraße in Reinickendorf sei der dort geplante Sonderfahrstreifen umgesetzt worden, so die CDU-Politikerin. Ansonsten: Fehlanzeige. Als Ronneburg vor mehr als einem Jahr schon mal nach neuen Busspuren gefragt hatte, konnte die Verwaltung keine einzige nennen.

Stattdessen geht aus der aktuellen Senatsantwort hervor, dass in Berlin sieben Bussonderfahrstreifen in Gefahr sind. Gegen sie lägen Widersprüche vor, berichtete die Staatssekretärin. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf seien die Otto-Suhr-Allee und die Hubertusallee betroffen, in Mitte das Reichpietschufer. In Spandau gehe es um die Busspur auf dem Falkenseer Damm, in Tempelhof-Schöneberg um die Hauptstraße zwischen der Rubens- und der Schmargendorfer Straße. In Steglitz-Zehlendorf gehen Bürger gegen die Sonderfahrstreifen auf dem Teltower Damm sowie in der Clayallee vor, hieß es.

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Auf einem anderen Abschnitt der Clayallee, zwischen der Argentinischen und der Riemeisterstraße, hatten Anwohner Erfolg. Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts gab ihnen am 31. August 2022 in einer Eilentscheidung recht. Die Zehlendorfer hatten gegen die Busspur, die von der Straßenverkehrsbehörde der Senatsverwaltung vor ihrer Tür angeordnet worden war, Widerspruch eingelegt und vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

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Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürften nur bei einer besonderen Gefahrenlage angeordnet werden, argumentierte das Gericht. „An einer solchen Gefahr fehlt es hier“, hieß es. So habe die Behörde nicht dargelegt, dass die Busse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bisher merkliche Zeitverluste erlitten haben. Die derzeitige Behinderung sei mit lediglich elf bis 26 Sekunden pro Durchfahrt beziffert worden.

Zudem habe die Behörde ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, stellten die Richter weiter fest. Denn nach einer bundesweit geltenden Verwaltungsvorschrift sollen Sonderfahrstreifen nur dort eingerichtet werden, wo in der Stunde der stärksten Belastung mindestens 20 Busse verkehren. Die Straßenverkehrsbehörde hatte sich dagegen an einer lokalen Berliner Vorgabe orientiert, ohne dies zu begründen. Danach reichte bisher eine Mindestfrequenz von neun Bussen pro Stunde aus. Nach Informationen der Berliner Zeitung konnte vorher sogar bei nur sechs Busfahrten pro Stunde eine Busspur angeordnet werden. Im März dieses Jahres ließ der Bezirk die Markierung beseitigen.

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Vor Gericht habe der Senat nicht immer glücklich agiert, sagte ein Jurist. Die Folgen waren gravierend. Die Eilentscheidung zur Clayallee markiert den Beginn des Stillstands, der bis heute andauert. Denn seitdem wurde das Busspurnetz so gut wie nicht mehr erweitert. Dabei hatte der Senat noch im März des vergangenen Jahres 21 Projekte aufgelistet, die zwar angeordnet, aber bislang nicht verwirklicht wurden. Dazu zählen stark frequentierte Straßen wie der Brunsbütteler Damm in Spandau und der Britzer Damm in Neukölln, wo die BVG und ihre Fahrgäste nun weiterhin Zeitverluste erleiden.

Schon kurz nach dem Beschluss in Sachen Clayallee befürchteten Beobachter, dass auch anderswo Anwohner die Nachprüfung von Busspuren beantragen werden. Der Verdacht bestehe, dass sich die Behörde in weiteren Straßen nicht an die bundesweite Vorschrift gehalten habe, hieß es damals. Heute wird klar: Die Befürchtung besteht zu Recht.

Wie berichtet, wurde die Verkehrsverwaltung sogar selbst tätig – ohne dass Bürger Widerspruch eingelegt hatten. Wie der Fahrgastverband IGEB berichtete, wurde für die Busspur Otto-Braun-Straße (Richtung Mollstraße) 2023 die Beseitigung angeordnet. Die mit zwei Buslinien betroffene BVG wurde nicht angehört. „Diese Busspur, die von den Radfahrern bisher genutzt werden kann und auch genutzt wird, nun zugunsten eines Radfahrstreifens zu beseitigen, schürt Spannungen zwischen Bus- und Radverkehr.“

Ebenfalls im vergangenen Jahr versuchte Berlin, die Anordnung von Busspuren bundesweit zu erleichtern. Doch der Versuch scheiterte. Zwar griff das Bundesverkehrsministerium den Wunsch des Landes auf. Doch als der Bundesrat im vergangenen November über diese und andere geplante Änderungen der Straßenverkehrsordnung entschied, bekam der Entwurf in der Länderkammer keine Mehrheit. Damit fehle es „an einer Rechtsgrundlage für die geplante Veränderung“, teilte Claudia Elif Stutz dem Abgeordneten Kristian Ronneburg jetzt in ihrer Antwort mit.

Damit kann die Erosion im Berliner Busspurnetz weitergehen. Dabei war in der Berliner Verkehrspolitik trotz Streits stets Konsens, dass ein attraktiver öffentlicher Verkehr Straßen entlastet und Menschen aus ihren Autos locken kann. Attraktiv sind Busse und Bahnen aber nur, wenn sie die Fahrgäste möglichst zügig befördern. Busspuren und Ampelschaltungen, die dem Nahverkehr Vorrang geben, galten schon in den 1990er-Jahren unter CDU-Verkehrssenatoren als wichtig. So wuchs das Netz der Sonderfahrstreifen von 1990 bis zum Jahr 2000 von rund 34 auf rund 100 Kilometer.

Zwischendurch ging es immer mal wieder jahrelang nicht voran. Erst nachdem die Senatsverwaltung für Verkehr 2016 von der SPD zu den Grünen gewechselt hatte, ging der Ausbau des Busspurnetzes weiter. Inzwischen ist es rund 123 Kilometer lang. Als nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts 2022 der Stopp kam, waren viele neue Projekte in der Pipeline. Sie dürften keine Chance mehr haben.

In den vergangenen Jahren ist die Durchschnittsgeschwindigkeit des BVG-Busverkehrs gesunken. 2014 waren die Busse nach Angaben des Landesunternehmens im Schnitt noch mit 19,3 Kilometern pro Stunde unterwegs – Stopps vor Ampeln und an Haltestellen eingerechnet. 2022 waren es 17,9 Kilometer, im vergangenen Jahr 17,8 Kilometer, berichtete Staatssekretärin Stutz. Welche Buslinien im vergangenen Jahr besonders oft gestört waren, teilte die BVG mit: 100, 128, 142, 147, 200, 245, 247, 248, 300 und 377. Zu den Störfaktoren gehören Demonstrationen und Veranstaltungen.

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Die Senatspolitikerin machte deutlich, dass die Bemühungen zur Beschleunigung des BVG-Verkehrs auf anderen Feldern fortgesetzt werden. So wurden an 39 Ampelanlagen in Berlin Beschleunigungsmaßnahmen umgesetzt, heißt es in der Drucksache des Parlaments. In Berlin können 1040 Ampelanlagen vom öffentlichen Verkehr beeinflusst werden. Acht weitere Anlagen kommen 2024 und 2025 hinzu.

Christfried Tschepe, Vorsitzender des Fahrgastverbands, und seine Mitstreiter forderten den Senat auf, kreativer zu sein. „Da eine Novelle der Straßenverkehrsordnung erst deutlich nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 realistisch ist, müssen in den nächsten Jahren die geltenden Rahmenbedingungen kreativ genutzt werden. Bisher wurden Busspuren für den Radverkehr freigegeben, zum Beispiel auf dem Kurfürstendamm. Ab jetzt müssen Radfahrstreifen für den Buslinienverkehr freigegeben werden“ – etwa Unter den Eichen.

QOSHE - Busspuren in Gefahr: Warum in Berlin noch mehr BVG-Fahrstreifen verschwinden könnten - Peter Neumann
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Busspuren in Gefahr: Warum in Berlin noch mehr BVG-Fahrstreifen verschwinden könnten

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15.04.2024

Schlechte Nachrichten für alle, die gern schneller mit dem Bus durch die Stadt fahren würden. Das Busspurnetz in Berlin wächst kaum noch, mit Zuwachs ist auf absehbare Zeit fast nirgends zu rechnen. Im Gegenteil: Das Netz soll sogar schrumpfen. So haben Bürger gegen mehrere Sonderfahrstreifen Widerspruch eingelegt. Damit besteht auch in diesen Fällen die Gefahr, dass die Markierungen entfernt werden. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des Linke-Politikers Kristian Ronneburg hervor.

In der Drucksache des Parlaments konnte Staatssekretärin Claudia Elif Stutz dem Abgeordneten nur eine einzige neue Busspur in Berlin nennen. In der Ollenhauerstraße in Reinickendorf sei der dort geplante Sonderfahrstreifen umgesetzt worden, so die CDU-Politikerin. Ansonsten: Fehlanzeige. Als Ronneburg vor mehr als einem Jahr schon mal nach neuen Busspuren gefragt hatte, konnte die Verwaltung keine einzige nennen.

Stattdessen geht aus der aktuellen Senatsantwort hervor, dass in Berlin sieben Bussonderfahrstreifen in Gefahr sind. Gegen sie lägen Widersprüche vor, berichtete die Staatssekretärin. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf seien die Otto-Suhr-Allee und die Hubertusallee betroffen, in Mitte das Reichpietschufer. In Spandau gehe es um die Busspur auf dem Falkenseer Damm, in Tempelhof-Schöneberg um die Hauptstraße zwischen der Rubens- und der Schmargendorfer Straße. In Steglitz-Zehlendorf gehen Bürger gegen die Sonderfahrstreifen auf dem Teltower Damm sowie in der Clayallee vor, hieß es.

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