Zwei grüne Ampelmännchen mögen sich offensichtlich. Zwei rote Ampelweibchen, mit dem Herz am rechten Fleck, stehen einträchtig nebeneinander und halten sich an der Hand. Gleichgeschlechtliche Ampelpärchen sind in einigen deutschen Städten bereits im Einsatz. Doch ausgerechnet in der Regenbogenhauptstadt Berlin soll es sie nicht geben – obwohl hier 200.000 bis 300.000 Lesben, Schwulen, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen leben. Die Verwaltung der Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) erteilte entsprechenden Initiativen eine Absage.

Zum Christopher Street Day 2015 gab es erste Vorstöße in Berlin, die Welt der Ampelmännchen zu bereichern. Die bislang einzeln stehenden und laufenden Symbolwesen sollten durch lesbische, schwule und transsexuelle Ampelpärchen Verstärkung bekommen. Die Ampelmann GmbH, die das DDR-Piktogramm vermarktet, legte konkrete Gestaltungsideen vor. 2023 wurde nachgelegt.

Clara Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, bat die Verkehrssenatorin um Unterstützung. Wenn Ampeln auch Piktogramme gleichgeschlechtlicher Paare zeigen, wäre das ein „klares, sichtbares Statement für eine vielfältige Gesellschaft“, so die Grünen-Politikerin. Ebenfalls 2023 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg einen ähnlichen Vorstoß. „Gleichgeschlechtliche Ampelpärchen rücken die Vielfalt von Lebensentwürfen stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und setzen ein Zeichen für mehr Toleranz gegenüber queeren Menschen“, hieß es in der SPD-Fraktion, aus der die Beschlussvorlage gekommen war.

Die Senatsverwaltung für Verkehr, für rund 2100 Lichtsignalanlagen in Berlin zuständig, nahm sich des Themas an. Nun teilte sie auf Anfrage der Berliner Zeitung mit, wie ihre Prüfung ausgegangen ist. Mit ihrer Stellungnahme machten die Ampelverantwortlichen aus dem Hause Schreiner deutlich, dass sie Initiativen dieser Art nur zu gern ein für allemal abmoderieren würden.

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19.03.2024

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20.03.2024

In ihrem offiziellen Statement holt die Verwaltung etwas aus. Wie die Ampelsymbole auszusehen haben, werde durch die Straßenverkehrsordnung, kurz StVO, inhaltlich und optisch verbindlich festgelegt, teilt sie mit. Dazu gehören eine allgemeine Verwaltungsvorschrift und die Richtlinien für Lichtsignalanlagen, die Experten unter der Abkürzung RiLSA kennen. „Im Lichtzeichen für Fußgänger muss das rote Sinnbild einen stehenden, das grüne einen schreitenden Fußgänger zeigen“, heißt es. Dass in Berlin Ost-Ampelmännchen im Einsatz sind, ist okay. Doch das war es dann auch schon. „Andere Formen sind aus den dargestellten Gründen nicht vorgesehen“, so die Senatsverwaltung.

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Dass sich die Senatsverwaltung so hartleibig zeigt, erstaunt. Schließlich gilt Berlin als deutsche Hauptstadt von LGBTIQA+. Eine der weltweit größten Communitys aus diesem Spektrum hat an Spree und Havel ihren Lebensmittelpunkt. Die Ablehnung erstaunt umso mehr, weil Städte, die als konservativer gelten, gleichgeschlechtliche Ampelmenschen auftreten lassen. Seit Jahren schon.

„Ampelpärchen wurden in München erstmals im Jahr 2015 verwendet, von 2015 bis 2018 jeweils zeitlich begrenzt in einem Zeitraum von acht Wochen rund um den Christopher Street Day“, erläuterte Christina Warta aus der Verwaltung der bayrischen Landeshauptstadt. Seit dem 1. Juli 2019 würden die Symbole an sechs Ampeln dauerhaft verwendet. Natürlich hat man auch in München die rechtlichen Bedingungen im Blick. Trotzdem sind die Symbole dort bald schon seit fünf Jahren präsent.

„Im Zuge des Anordnungsverfahrens hatte das Mobilitätsreferat im Falle der sogenannten Ampelpärchen die Regierung von Oberbayern als übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde beteiligt“, erläuterte Warta. „Zusätzlich hatte die Landeshauptstadt Kontakt mit der Stadt Wien aufgenommen, da dort die Ampelpärchen zum ersten Mal zum Einsatz kamen, und die auch das Copyright für das Bildsymbol innehat.“ Als ein Bürger gegen die Ampeln klagte, habe das Verwaltungsgericht die abweichende Signalsymbolik nicht bemängelt. In der Praxis stellten die Ampelpärchen keine Beeinträchtigung dar: „Sie werden allgemein sehr gut angenommen und akzeptiert.“

Hannover ist ein anderes Beispiel für eine Stadt, in der die Ampelverantwortlichen keine Widersprüche zum regulatorischen Umfeld sehen. „Die Landeshauptstadt hat an vier ausgewählten Lichtsignalanlagen in der Innenstadt in den grünen Fußgängersignalgebern neue Signalgeberscheiben mit Paaren von Ampelmenschen installiert“, bestätigte die Sprecherin Janine Herrmann. „Damit soll ein Zeichen für eine offene Stadt und ein wichtiges Signal gegen Homophobie und für ein vielfältiges Miteinander gesetzt werden. Es wurden nur die grünen Signalbilder ausgetauscht, um die verkehrsrechtliche Bedeutung der roten Signalgeber nicht infrage zu stellen.“

Die roten Signalgeber (so nennen Fachleute die Ampellichter) bleiben, nur die grünen werden verändert: So ist es auch in Emden, wo Otto Waalkes vor 75 Jahren geboren wurde. Der Komiker, Comiczeichner und Regisseur wird in der ostfriesischen Hafenstadt mit einem grünen Ampelsymbol geehrt. Das rote entspricht weiterhin der deutschen Norm – auch weil es in die Bewegungsfreiheit der Bürger eingreift. Ein solcher belastender Verwaltungsakt muss nun mal korrekt sein, heißt es.

Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz erlaubt es den Stadt- und Gemeinderäten, eigenständig abweichende Regelungen zu treffen, erläutert Hinrich Post. Er ist in der Stadtverwaltung für Verkehr zuständig. Der Oberbürgermeister bestätigte den Beschluss, den springenden grünen Otto zu installieren, und ordnete die Vollziehung an. So kam Emden zur Otto-Ampel.

QOSHE - Ausgerechnet Berlin ist für lesbische und schwule Ampelmännchen tabu - Peter Neumann
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Ausgerechnet Berlin ist für lesbische und schwule Ampelmännchen tabu

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22.03.2024

Zwei grüne Ampelmännchen mögen sich offensichtlich. Zwei rote Ampelweibchen, mit dem Herz am rechten Fleck, stehen einträchtig nebeneinander und halten sich an der Hand. Gleichgeschlechtliche Ampelpärchen sind in einigen deutschen Städten bereits im Einsatz. Doch ausgerechnet in der Regenbogenhauptstadt Berlin soll es sie nicht geben – obwohl hier 200.000 bis 300.000 Lesben, Schwulen, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen leben. Die Verwaltung der Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) erteilte entsprechenden Initiativen eine Absage.

Zum Christopher Street Day 2015 gab es erste Vorstöße in Berlin, die Welt der Ampelmännchen zu bereichern. Die bislang einzeln stehenden und laufenden Symbolwesen sollten durch lesbische, schwule und transsexuelle Ampelpärchen Verstärkung bekommen. Die Ampelmann GmbH, die das DDR-Piktogramm vermarktet, legte konkrete Gestaltungsideen vor. 2023 wurde nachgelegt.

Clara Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, bat die Verkehrssenatorin um Unterstützung. Wenn Ampeln auch Piktogramme gleichgeschlechtlicher Paare zeigen, wäre das ein „klares, sichtbares Statement für eine vielfältige Gesellschaft“, so die Grünen-Politikerin. Ebenfalls 2023 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg einen ähnlichen Vorstoß. „Gleichgeschlechtliche Ampelpärchen rücken die Vielfalt von Lebensentwürfen stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und........

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