Schöner lächeln, unverbindlicher Infotermin beim Spezialisten, 3D-Scan, Ratenzahlung – es klingt erst mal ziemlich gut, was der Zahnschienen-Anbieter Dr. Smile auf seiner Website schreibt. Und immerhin: „Über 150.000 Kund:innen lächeln mit uns.“

Da kann ja nichts mehr schiefgehen, denkt man frohen Mutes. Eine kleine Zahnlücke im Unterkiefer, ach ja, die dürfte ruhig mal geschlossen werden. Und daneben die Zähne sehen ein bisschen schief aus. Nichts Weltbewegendes, ein narzisstisches Nice-to-have.

Der Kiez-Zahnarzt, zu dem man seit Jahren geht, veranschlagt knapp 350 Euro für das Zuspachteln der Lücke. Wobei, das klingt so grobmotorisch, dabei ist das Angleichen zweier Zähne eine sehr filigrane und keineswegs triviale Tätigkeit. Und es dauert – eine gute Stunde.

Wenn man sich eine Zahnlücke mit einer Kunststoffmischung auffüllen lässt, werden die beiden auseinanderstehenden Zähne jeweils ein Stückchen breiter. Optisch fällt das nicht auf, das Ergebnis – professionell gemacht, versteht sich – ist natürlich und unauffällig.

Andere Zahnprobleme wie Fehlstellungen oder weitere Lücken werden bei solch einer Prozedur selbstverständlich nicht behoben. Das geht nur mit einer Zahnspange oder einer Zahnschiene, auch Aligner genannt. Anbieter gibt es zuhauf, Dr. Smile ist einer der größten und mit seinen zehn Standorten in Berlin ziemlich gut zu erreichen.

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Wenn man auf der Dr.-Smile-Website ist und sie verlassen möchte, vielleicht um anderswo weiter zu recherchieren, ploppt ein kleines Fenster auf, das fragt, ob man schon gehen möchte, und bietet direkt an: „Termin buchen“. Ein kleiner Vorgeschmack auf das noch kommende Bindungsbedürfnis des Unternehmens.

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Das Buchen des Termins ist sehr leicht und schnell erledigt. Man kann anklicken, ob man lieber in eine Praxis nach Neukölln oder Friedrichshain will, welcher Tag und welche Zeit einem passen. Dann noch schnell die persönlichen Angaben eingeben, Termin im Kalender notieren – fertig.

Keine Stunde später klingelt das Telefon, die sogenannte Customer Journey beginnt. Eine sehr freundliche Dr.-Smile-Mitarbeiterin ist am Apparat und möchte sich erkundigen, mit welcher Problemstellung man kommen würde, was man erwartet. Eine Art Anamnese also.

Zu diesem Zeitpunkt hat Dr. Smile auch bereits die Terminbestätigung per Mail verschickt sowie eine weitere mit dem Angebot eines kostenfreien Shuttleservices. Zwei Tage später kommen sowohl eine SMS als auch eine weitere Mail, um an den Termin in vier Tagen zu erinnern. Tags darauf noch mal und am Tag danach schon wieder.

Der Fairness halber: Man hätte auch mit einer „Abmelden“-Rück-SMS dafür sorgen können, dass man keine Nachrichten mehr bekommt. Aber wer weiß, vielleicht ist es ja für die künftige Behandlung doch wichtig, per SMS erreichbar zu sein.

Als der Termin ansteht, kommen morgens eine weitere SMS und auch noch mal ein Anruf. Dr. Smile will offenbar ganz, ganz sichergehen, dass der Termin eingehalten wird, man ihn keinesfalls vergisst.

Wohlmeinend könnte man sich fragen: Was ist denn da bitte alles vorgefallen, dass das Unternehmen es für nötig erachtet, (potenzielle) Kunden binnen einer Woche fast ein Dutzend Mal auf allen Kanälen zu kontaktieren? Allem Verständnis zum Trotz: Es nervt.

In der Praxis selbst können die beiden Damen am Tresen den Termin beim Arzt zunächst nicht finden und sind kurz davor, einen wegzuschicken. Irgendwie fällt einer der Mitarbeiterinnen dann doch noch ein, bei jemand anderem nachzufragen, hin und her, warten, schweres Durchatmen. Ach ja, doch, Dr. Smile, na klar. Bitte da hindurch!

Dr. Smile arbeitet vorrangig mit Partner-Praxen zusammen. Es sind niedergelassene Zahnärzte und Zahnärztinnen, die mit der Firma kooperieren, für sie einen Teil der Tätigkeiten übernehmen und auch Räume zur Verfügung stellen.

Während man wartet, füllt man – wenig überraschend – einen Anamnesebogen aus. Einen sehr langen Anamnesebogen. Im Arztgespräch schließlich darf man einen Teil dessen nochmals erzählen, nämlich, weshalb man da sei und was man sich wünsche.

Im Prinzip eins zu eins jenes Gespräch, das eine Woche zuvor bereits am Telefon stattgefunden hat. Unweigerlich fragt man sich: Was soll das?

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Dann werden die Zähne untersucht, wobei der Arzt nebenbei fallen lässt, dass sie ja verfärbt seien und er auch Behandlungen anbiete, damit die Zähne wieder weiß werden. Merkwürdig, dass der eigene Zahnarzt und die Fachfrau von der professionellen Zahnreinigung so etwas nie erwähnt haben …

Das Vermessen des Gebisses in 3D dauert rund 15 Minuten. Ein längliches Instrument, mit dem der Arzt im Mund herumwerkelt, fotografiert gefühlt jeden Zahn einzeln und aus allen Perspektiven. Auf einem Bildschirm wird der Fortschritt angezeigt. Schöne Technik.

Nach dem kostenlosen Vor-Ort-Termin kommen noch am selben Tag zwei Mails. Erst will Dr. Smile wissen, wie es war und ob man das Unternehmen weiterempfehlen würde. Sodann kommt die Benachrichtigung, dass am Behandlungsplan gearbeitet werde.

Tags darauf kommen wieder SMS und Mail im Doppelpack, verbunden mit der Bitte, man möge einen Gesprächstermin vereinbaren, weil ja der Behandlungsplan bald fertig wäre und besprochen werden müsste.

Vier Tage nach der Mundhöhlenvermessung ist er da: Per Mail bekommt man eine virtuelle 3D-Ansicht des Gebisses, das man sich aus allen Perspektiven anschauen und anhand eines Zeitstrahls den voraussichtlichen Behandlungserfolg begutachten kann. Die Prognose: sieben Monate Dauer, 15 Schienen, 3999 Euro.

Es gibt diverse Zahlungsmöglichkeiten, auch Upgrades sind möglich, sodass man, wenn man möchte, auch mehr als 5000 Euro ausgeben kann. In den nächsten drei Tagen kommen noch drei SMS, die immer wieder daran erinnern, dass man sich schnell entscheiden muss.

Unter anderem heißt es dort: „Damit wir unsere zuverlässigen und schnellen Prozesse aufrechterhalten können, sind unsere Behandlungspläne auf 10 Tage befristet.“

Während man also noch sinniert, ob man tatsächlich so viele Tausend Euro ausgeben möchte und ob man sich nicht doch ein alternatives Angebot einholt, klingelt das Handy. Dr. Smile, natürlich. Eine Frau fragt, ob man nicht einen Termin machen wolle, um den Behandlungsplan zu besprechen.

Puh, na gut. Eigentlich fehlt die Zeit, man muss ja arbeiten, den Alltag auf die Reihe kriegen und so. Nun ja, sagt sie, die Zeit dränge auch ihrerseits, denn das Angebot gelte ja nur zehn Tage. Warum? Weil die Laborplätze nicht so lange belegt werden könnten, führt sie aus.

Inwiefern ein digitaler Kostenvoranschlag Platz im Labor beansprucht, kann sie zwar auch nicht erklären, aber darum geht es wohl auch nicht. Sie wiederholt das Gesagte einfach in leichter Variation. Eine Begründung, die sich selbst begründet. Und dann: Nein, man könne nicht mehr Bedenkzeit einräumen. Zehn Tage, dann ist Schluss.

Und warum braucht man Zahnschienen für den Ober- und Unterkiefer, wenn man doch nur eine kleine Korrektur an den unteren Zähnen wünscht? Logischerweise, weil Ober- und Unterbiss miteinander harmonieren müssten, und wenn man an der einen Stelle etwas ändere, müsse man an der anderen quasi nachjustieren.

Dass das bei einer Zahnspange möglich sei, liege daran, dass es eben unterschiedliche Behandlungskonzepte seien, erwidert sie auf Nachfrage.

Jedenfalls: Der Alltag frisst einen auf, die Tage sind pickepackevoll, und so verstreicht die Dr.-Smile-Deadline. Aber nur fast. Denn eine Woche nach dem Termin in der Zahnarztpraxis, und somit kurz vor Fristende, wird ein 600-Euro-Rabatt angeboten und es werden nochmals die Zahlungsmodalitäten dargelegt: Zwölf Monate Ratenzahlung ohne Zinsen, Maximallaufzeit 72 Monate, die genaue Summe legt man erst nach vier Wochen fest. Es geht also erst mal nur ums Ja-Sagen. Das Angebot ist auf zwei Tage befristet.

Egal. Manche Dinge sollen eben nicht sein. Insbesondere Geldangelegenheiten sollte man nicht überstürzt und mit Zeitdruck regeln. Keine zwei Wochen später meldet Dr. Smile sich erneut, bietet nunmehr 800 Euro Rabatt, zwei weitere Wochen danach soll es zusätzlich eine Schallzahnbürste im Wert von 200 Euro on top geben.

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Dann kam der Black Friday, was Dr. Smile dazu veranlasste, noch mal nachzulegen: 1100 Euro Rabatt plus ein Whitening Kit für zu Hause, das 200 Euro wert ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird dieses „Angebot des Jahres“ auch ganz klassisch per Post verschickt. Was für ein Aufwand! Dr. Smile bemüht sich echt um seine Kunden ...

Auch Monate nach dem ganzen Druck bleibt ein merkwürdig mulmiges Gefühl. Warum so ein Stress? Wieso der dringliche Tonfall in SMS und Mails? Weshalb keine schlüssigen Erklärungen auf Nachfragen? Es muss ein Geheimnis bleiben, denn – und das ist vermutlich die Pointe dieser Geschichte – Dr. Smile hat auf eine Nachfrage der Berliner Zeitung nicht reagiert.

Gern hätte man gewusst, inwiefern tatsächlich Laborplätze belegt werden und warum die Firma derart viele Mails und SMS verschickt. Oder war das nur ein Einzelfall? Auch das wäre, neben anderen Fragen, spannend gewesen zu erfahren. Doch auch mehr als anderthalb Wochen nach Absenden der Mail antwortet Dr. Smile nicht, lässt die gesetzte Frist verstreichen. Wir sind quitt.

QOSHE - Zahnlücke schließen, Zähne begradigen: Warum macht Dr. Smile so einen Stress? - Nicole Schulze
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Zahnlücke schließen, Zähne begradigen: Warum macht Dr. Smile so einen Stress?

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05.02.2024

Schöner lächeln, unverbindlicher Infotermin beim Spezialisten, 3D-Scan, Ratenzahlung – es klingt erst mal ziemlich gut, was der Zahnschienen-Anbieter Dr. Smile auf seiner Website schreibt. Und immerhin: „Über 150.000 Kund:innen lächeln mit uns.“

Da kann ja nichts mehr schiefgehen, denkt man frohen Mutes. Eine kleine Zahnlücke im Unterkiefer, ach ja, die dürfte ruhig mal geschlossen werden. Und daneben die Zähne sehen ein bisschen schief aus. Nichts Weltbewegendes, ein narzisstisches Nice-to-have.

Der Kiez-Zahnarzt, zu dem man seit Jahren geht, veranschlagt knapp 350 Euro für das Zuspachteln der Lücke. Wobei, das klingt so grobmotorisch, dabei ist das Angleichen zweier Zähne eine sehr filigrane und keineswegs triviale Tätigkeit. Und es dauert – eine gute Stunde.

Wenn man sich eine Zahnlücke mit einer Kunststoffmischung auffüllen lässt, werden die beiden auseinanderstehenden Zähne jeweils ein Stückchen breiter. Optisch fällt das nicht auf, das Ergebnis – professionell gemacht, versteht sich – ist natürlich und unauffällig.

Andere Zahnprobleme wie Fehlstellungen oder weitere Lücken werden bei solch einer Prozedur selbstverständlich nicht behoben. Das geht nur mit einer Zahnspange oder einer Zahnschiene, auch Aligner genannt. Anbieter gibt es zuhauf, Dr. Smile ist einer der größten und mit seinen zehn Standorten in Berlin ziemlich gut zu erreichen.

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Keine Stunde später klingelt das Telefon, die sogenannte Customer Journey beginnt. Eine sehr freundliche Dr.-Smile-Mitarbeiterin ist am Apparat und möchte sich erkundigen, mit welcher........

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