Die Republik Moldau gehört zu den ärmsten Ländern auf dem europäischen Kontinent. Umso erfreulicher war die Stimmung in der Hauptstadt Chisinau, als die Europäische Union Ende vergangenen Jahres den Weg für Beitrittsverhandlungen frei machte. Experten schätzen zwar nicht mit einer Aufnahme vor 2030 – trotzdem gerät das Land inmitten des Ukrainekrieges verstärkt in den Blickpunkt deutscher Außenpolitik.

Das Treffen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) und ihrem Amtskollegen aus Moldau soll Einigkeit im Beitrittsprozess signalisieren. „Moldau steht in vorderster Reihe in Europa“, sagt Baerbock während der gemeinsamen Pressekonferenz angesprochen auf die geografische Lage, in der sich das kleine Land befindet. Doch sowohl Berlin als auch Chisinau wissen: Der Schatten Moskaus schwebt wie ein Damoklesschwert über dem südosteuropäischen Land. Und Moskau scheint seinen Einsatz beim Ringen um Einfluss im Land zu erhöhen.

Für den neuen moldauischen Außenminister Mihai Popsoi steht der Berlin-Besuch ganz oben auf seiner Monatsagenda. Die Republik Moldau – sie grenzt an Rumänien und die Ukraine – befindet sich in einem Schwebezustand. Einerseits ist da die proeuropäisch ausgerichtete Regierung unter Präsidentin Maia Sandu. Aus dem Auswärtigen Amt erklingen floskelhafte Parolen nach dem Motto wir stehen „Schulter an Schulter“ mit Moldau; außerdem freut man sich dort über millionenschwere Hilfspakete seitens der EU „zur Unterstützung der moldauischen Streitkräfte“.

Andererseits verfolgt auch Russland seine geopolitischen Interessen im Land. Bis zu 2000 russische Soldaten sind in der abtrünnigen Region Transnistrien stationiert. Immer wieder kommt es zu angeblich von Russland gesteuerten Protesten im Land. Bleibt die zentrale Frage: Wie weit werden die EU und auch Deutschland Moldau entgegenkommen, um das Land in die europäische „Wertefamilie“ aufzunehmen?

•gestern

06.04.2024

07.04.2024

07.04.2024

gestern

Die Lage ist durchaus heikel: Insbesondere die von Moldau abtrünnige Region Transnistrien bestimmt die öffentliche Berichterstattung. Erst Ende Februar forderten die prorussischen Separatisten in Transnistrien Moskauer „Schutz“ gegen die Zentralregierung in Chisinau. Forderungen des transnistrischen Abgeordnetenkongresses erinnerten an Vorfälle in der Ostukraine im Februar 2022, als Moskau ähnliche „Schutz“-Forderungen aus Donezk und Luhansk zum Anlass nahm, die Ukraine großflächig anzugreifen. Zugleich dementierten transnistrische Vertreter jedoch, dass die abtrünnige Region den russischen Präsidenten Wladimir Putin gebeten habe, Transnistrien in die Russische Föderation aufzunehmen.

Die selbsternannte Republik Transnistrien ist ein schmaler Landstreifen im südosteuropäischen Moldawien an der Grenze zur Ukraine. Schon vor Auflösung der Sowjetunion kämpften lokale Separatisten gegen die moldawische Regierung. Bis zum Einfrieren des Bürgerkriegs 1992 kam es zu Hunderten Toten. Seitdem ist in Transnistrien ein russisches Friedenskontingent stationiert. Die von keinem Land der Welt anerkannte „Republik“ verfügt über eine eigene Währung und eigene Sicherheitskräfte und gibt eigene Pässe aus.

In den letzten Monaten gab es immer wieder Anzeichen zunehmender Spannungen zwischen der moldauischen Regierung in Chisinau und der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol. Im Sommer 2022, wenige Monate nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, erschütterten mehrere Explosionen Transnistrien. Im März 2023 behauptete die dortige Führung, die Ukraine habe einen erfolglosen Mordanschlag gegen ihren Anführer durchgeführt. Das russische Verteidigungsministerium ließ damals verlauten, die Ukraine plane einen militärischen Angriff auf Transnistrien.

Transnistrien bittet Moskau „um Hilfe“: Kommt es nun zur nächsten Annexion?

28.02.2024

Neue Haltung: Moldawien bezeichnet Russland erstmals als „gefährlichste Bedrohung“

12.10.2023

Nicht nur Transnistrien sorgt für Kopf- und Bauchschmerzen im europäisch-moldauischen Beitrittsprozess. Auch das autonome Gebiet Gagausien im Süden Moldaus würde lieber mit Moskau als mit Brüssel kooperieren. Ähnlich wie in Transnistrien richtete man auch in Gagausien ein „Hilfegesuch“ an Moskau. Anlass dafür sei die angebliche Diskriminierung der gagausischen Minderheit durch die moldauische Regierung, sagte die Gouverneurin von Gagausien, Jewgenija Gutsul, gegenüber Ria Novosti. Leider würden „unsere Rechte in Gagausien von den Zentralbehörden unterdrückt. Das geht über alle Grenzen hinaus“. Die Behörden von Moldau seien „Dirigenten eines aufgezwungenen westlichen politischen Kurses“, der „definitiv“ nicht den Interessen der Einwohner Moldaus entspräche.

Chisinau beobachtet wiederum mit Argusaugen die Entwicklung in dem autonomen Gebiet. Während der vergangenen Kommunalwahlen in Gagausien warf Präsidentin Sandu der politischen Elite in der Region vor, man wolle „Chaos stiften und unseren europäischen Weg verhindern“. Chisinau befürchtet, die südliche Region Moldaus werde ein Destabilisierungsfaktor im Beitrittsprozess mit der EU – denn in Gagausien bestimmen besonders prorussisch eingestellte Akteure die Politik.

Mit der „Taurus“ über die Moldau: Zwischen Bier, Macron und Ukrainekrieg – eine Bootsfahrt in Prag

17.03.2024

Russland übernimmt zunehmend die Initiative – ist die Millionenstadt Charkiw das Ziel?

vor 7 Std.

Gouverneurin Jewgenia Gutsul warf beispielsweise erst kürzlich der Regierung in Chisinau vor, man sei dort eine Marionette Rumäniens. In einem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen streute sie Drohgebärden, Gagausien werde sich von Moldau „abspalten“, sollte es zu einem Vereinigungsprozess zwischen Moldau und Rumänien kommen. Der Kreml spielte mit und behauptete daraufhin, der prowestlich orientierten Regierung in Chisinau mangele es an Souveränität.

QOSHE - Außenminister von Moldau in Berlin: Russland und EU ringen um Einfluss im Land - Nicolas Butylin
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Außenminister von Moldau in Berlin: Russland und EU ringen um Einfluss im Land

14 1
09.04.2024

Die Republik Moldau gehört zu den ärmsten Ländern auf dem europäischen Kontinent. Umso erfreulicher war die Stimmung in der Hauptstadt Chisinau, als die Europäische Union Ende vergangenen Jahres den Weg für Beitrittsverhandlungen frei machte. Experten schätzen zwar nicht mit einer Aufnahme vor 2030 – trotzdem gerät das Land inmitten des Ukrainekrieges verstärkt in den Blickpunkt deutscher Außenpolitik.

Das Treffen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) und ihrem Amtskollegen aus Moldau soll Einigkeit im Beitrittsprozess signalisieren. „Moldau steht in vorderster Reihe in Europa“, sagt Baerbock während der gemeinsamen Pressekonferenz angesprochen auf die geografische Lage, in der sich das kleine Land befindet. Doch sowohl Berlin als auch Chisinau wissen: Der Schatten Moskaus schwebt wie ein Damoklesschwert über dem südosteuropäischen Land. Und Moskau scheint seinen Einsatz beim Ringen um Einfluss im Land zu erhöhen.

Für den neuen moldauischen Außenminister Mihai Popsoi steht der Berlin-Besuch ganz oben auf seiner Monatsagenda. Die Republik Moldau – sie grenzt an Rumänien und die Ukraine – befindet sich in einem Schwebezustand. Einerseits ist da die proeuropäisch ausgerichtete Regierung unter Präsidentin Maia Sandu. Aus dem Auswärtigen Amt erklingen floskelhafte Parolen nach dem Motto wir stehen „Schulter an Schulter“ mit Moldau; außerdem freut man sich dort über millionenschwere Hilfspakete seitens der EU „zur........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play