„Die Landestierschutzbeauftragte ist fachaufsichtlich weisungsfrei und betreibt eine eigenständige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“: So steht es auf der Internetseite der Tierschutzbeauftragten. Noch, muss man wohl sagen. Denn nach Informationen der Berliner Zeitung plant die von der CDU berufene Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) eine Entmachtung der Amtsträgerin Kathrin Herrmann.

Die Tierschutzbeauftragte genieße keine „begründete Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive“, heißt es gleichlautend in den Antworten von Badenbergs Staatssekretärin Esther Uleer auf parlamentarische Anfrage aus der SPD- und der Grünenfraktion. „Sie ist dementsprechend weder politisch unabhängig noch fachaufsichtlich weisungsfrei.“ Stattdessen sei sie „in die Behördenhierarchie“ der Justizsenatsverwaltung „eingegliedert“ und habe keine „außerordentlichen Befugnisse, zum Beispiel für eine unabhängige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“, schrieb Uleer am 29. Februar. Ihre noch unveröffentlichten Antworten liegen unserer Redaktion vor.

Was die Staatssekretärin wie eine nüchterne Zustandsbeschreibung formuliert, wäre eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis. Bisher genoss die Veterinärmedizinerin Herrmann große Freiheit: Sie vertritt Anliegen des Tierschutzes, ist dabei Ansprechpartnerin für Verbände und Organisationen, veröffentlicht kritische Stellungnahmen zu aktuellen tierschutzpolitischen Themen, organisiert Veranstaltungen und Fortbildungen. Als die Berliner Zeitung vor einigen Monaten über Missstände bei der Genehmigung von Tierversuchen berichtete, forderte sie Aufklärung – da war Badenberg gerade neu im Amt. Im vergangenen November kritisierte sie die Berliner Staatsanwaltschaft in einer Presseerklärung, nachdem diese ein Strafverfahren gegen einen Mann eingestellt hatte, der mutmaßlich Tauben gequält und getötet hatte.

Dabei agierte Herrmann in dem Rahmen, der für ihre Funktion bisher vorgesehen war. In einer internen Aufgabenkreisbeschreibung, in Angaben der früheren grün-geführten Senatsverwaltung gegenüber dem Abgeordnetenhaus sowie auch noch in dem von den Abgeordneten beschlossenen Haushaltsplan 2022/23 heißt es jeweils, dass die Tierschutzbeauftragte „weisungsfrei“ agiere. Im Lichte dieser Rollenbeschreibung hatte Herrmann ihr Amt Ende 2020 angetreten, berufen von Senator Dirk Behrendt (Grüne).

02.03.2024

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Im aktuellen Haushaltsplan fehlt ein entsprechender Hinweis, und künftig soll tatsächlich alles anders werden als bisher: Badenberg will den Titel „Beauftragte“ für Herrmann zwar beibehalten, sie aber offenbar ähnlich einer Referatsleiterin in den Apparat der Senatsverwaltung eingliedern – dabei legt die Bezeichnung eine politische Unabhängigkeit eigentlich nahe. Künftig müsste Herrmann fachliche Stellungnahmen und Äußerungen gegenüber der Presse von Staatssekretärin Uleer freigeben lassen.

Weil Herrmann zu unbequem ist? Schon zuletzt schränkte die Senatsverwaltung ihren Spielraum ein. Eine lange geplante Kampagne über die Zusammenhänge von Tierhaltung, Klimaschutz und Gesundheit stoppte die Hausleitung. „Diese Kampagne ist nicht Bestandteil des Koalitionsvertrages der aktuellen Regierung“, begründete Uleer dies in ihrer Antwort auf die Anfrage des Grünen-Abgeordneten Stefan Taschner. Der spricht von einem „Maulkorb“ für Herrmann – dabei sei die Unabhängigkeit der Tierschutzbeauftragten seit Einrichtung dieser Position stets „besonders wichtig“ gewesen. „Der Berliner Tierschutz braucht eine politisch und fachlich unabhängige Landestierschutzbeauftragte“, sagte Taschner der Berliner Zeitung. Wenn diese „nur die Senatsmeinung wiedergeben“ dürfe, könne sie ihre Aufgabe nicht erfüllen: „Ein Kontrolleur, der den Weisungen des zu Kontrollierenden unterliegt, kann seine Kontrollfunktion nicht ausüben.“

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Auch innerhalb der Koalition sorgt Badenbergs Vorgehen für Ärger. Die sozialdemokratische Abgeordnete Tamara Lüdke warf der Senatorin „schlechten Stil“ vor: „Sie hat das Parlament in keiner Form eingebunden. Das ist unangemessen“, so die tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, die die zweite parlamentarische Anfrage gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Lars Rauchfuß gestellt hatte. Die Beschneidung der Befugnisse Herrmanns lehnt sie ab: „Die Landestierschutzbeauftragte muss auch weiterhin ein Kontroll- und Appellrecht ausüben und auch mal öffentlich eine andere Meinung als die der Senatorin vertreten können.“ Lüdke warf Badenberg vor, Herrmanns Position „linientreu gestalten“ zu wollen und den Tierschutz „auf CDU-Positionen einnorden“ zu wollen. Sie kündigte Gespräche mit der Senatorin an.

Die Senatsverwaltung für Justiz, die in Berlin auch für den Tierschutz zuständig ist, erklärte auf Anfrage, aus der Bezeichnung „Beauftragte“ ergebe sich „keine konkrete Rechtsstellung“. Die Tierschutzbeauftragte habe „schwerpunktmäßig eine beratende Funktion gegenüber der Senatsverwaltung und nachgeordneten Behörden“. Dies, so ein Sprecher, sei bereits 2017 schriftlich von der damaligen Hausleitung festgelegt worden. „Die rechtliche und politische Verantwortung obliegt der jeweiligen Hausleitung.“ Herrmanns Öffentlichkeits- und Pressearbeit unterliege „dem Vorbehalt der Freigabe durch die Hausleitung“. Warum dies in der Praxis bisher anders war, darauf ging der Sprecher nicht ein.

Auf Bundesebene schlägt die Ampelkoalition derzeit den gegenteiligen Weg ein als die Berliner Senatorin Badenberg: Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, richtete sie 2023 erstmals das Amt einer Tierschutzbeauftragten der Bundesregierung ein. Sie soll ausdrücklich „politisch und fachlich unabhängig arbeiten“.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will diese Freiheiten sogar fest im Tierschutzgesetz verankern. Im Referentenentwurf für eine Neufassung des Gesetzes, der der Berliner Zeitung vorliegt, heißt es unmissverständlich: Die Beauftragte handele „unabhängig“, sie „unterliegt weder einer Fach- noch einer Rechtsaufsicht“.

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Zu grün oder zu unbequem? Senatorin entmachtet Tierschutzbeauftragte

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04.03.2024

„Die Landestierschutzbeauftragte ist fachaufsichtlich weisungsfrei und betreibt eine eigenständige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“: So steht es auf der Internetseite der Tierschutzbeauftragten. Noch, muss man wohl sagen. Denn nach Informationen der Berliner Zeitung plant die von der CDU berufene Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) eine Entmachtung der Amtsträgerin Kathrin Herrmann.

Die Tierschutzbeauftragte genieße keine „begründete Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive“, heißt es gleichlautend in den Antworten von Badenbergs Staatssekretärin Esther Uleer auf parlamentarische Anfrage aus der SPD- und der Grünenfraktion. „Sie ist dementsprechend weder politisch unabhängig noch fachaufsichtlich weisungsfrei.“ Stattdessen sei sie „in die Behördenhierarchie“ der Justizsenatsverwaltung „eingegliedert“ und habe keine „außerordentlichen Befugnisse, zum Beispiel für eine unabhängige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“, schrieb Uleer am 29. Februar. Ihre noch unveröffentlichten Antworten liegen unserer Redaktion vor.

Was die Staatssekretärin wie eine nüchterne Zustandsbeschreibung formuliert, wäre eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis. Bisher genoss die Veterinärmedizinerin Herrmann große Freiheit: Sie vertritt Anliegen des Tierschutzes, ist dabei Ansprechpartnerin für Verbände und Organisationen, veröffentlicht kritische Stellungnahmen zu aktuellen tierschutzpolitischen Themen, organisiert Veranstaltungen und Fortbildungen. Als die Berliner Zeitung vor einigen Monaten über Missstände bei der Genehmigung von Tierversuchen........

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