Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der führenden Industriestaaten (OECD) hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland erneut nach unten korrigiert. In diesem Jahr erwarten die OECD-Konjunkturexperten nun ein Mini-Wachstum von 0,2 anstatt von 0,3 Prozent, wie früher erwartet.

Die neue Prognose für Deutschland und andere G20- sowie OECD-Staaten wurde am Donnerstag veröffentlicht – eine Woche nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Wachstumsprognose für Deutschland umgekehrt von o,2 auf 0,3 Prozent erhöht hatte. Habeck begründete dies mit „Zeichen für eine leichte konjunkturelle Aufhellung“; die Wirtschaft dagegen reagierte mit Unverständnis.

Mit einem prognostizierten Wachstum von nur 0,2 Prozent wird die deutsche Wirtschaft dieses Jahr unter G20-Mitgliedern am wenigsten zulegen, gefolgt aufsteigend von Großbritannien mit 0,4 Prozent. Die anhaltende Inflationsbekämpfung und steigende Löhne werden die Realeinkommen und den privaten Konsum in der Bundesrepublik stützen, erwarten die OECD-Experten. Politische Unsicherheit im Zusammenhang mit der Finanzierung geplanter steuerlicher Anreize für grüne Investitionen würde aber weiterhin das Vertrauen der Anleger belasten, heißt es in der Prognose. Nicht nur deutsche Firmen investieren gerade lieber im Ausland, sondern auch ausländische Investoren aus den USA, Großbritannien und der Türkei investieren weniger in Deutschland.

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Am stärksten dagegen wird demnach die Wirtschaft in Indien mit einem Plus von 6,6 Prozent, Indonesien mit 5,1 Prozent und in China mit 4,9 Prozent boomen. Italien und Frankreich sollen demnach jeweils um 0,7 Prozent moderat wachsen. Selbst die russische Wirtschaft, mit massiven und beispiellosen Sanktionen belegt, soll dieses Jahr laut der Prognose um 2,6 Prozent wachsen.

In der letzten Februar-Prognose hatte die OECD dem Land nur noch ein Wachstum von 1,8 Prozent zugetraut, noch früher, im November 2023, nur 1,1 Prozent. Deutschland sollte dieses Jahr laut der früheren November-Vorhersage sogar noch um 0,6 Prozent wachsen, doch diese wurde seitdem zweimal nach unten korrigiert. Im letzten Jahr war die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft, während die russische angeblich um 3,6 Prozent gewachsen war.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Russland in diesem Jahr ein Wachstum von 3,2 Prozent, deutlich mehr als Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Ob dieses Wachstum allerdings nachhaltig ist? Die Ölexporte des Landes seien stabil und die Staatsausgaben seien „hoch geblieben“, was zum Wachstum beitrage, erklärte der IWF. Das heißt: Hohe Militärausgaben kurbeln das Wirtschaftswachstum an.

In diesem Jahr will der russische Staat nach einem im November 2023 von Präsident Wladimir Putin unterzeichneten Dekret 10,775 Billionen Rubel für das Militär ausgeben, oder nach dem aktuellen Wechselkurs umgerechnet 109,54 Milliarden Euro: 70 Prozent mehr als im Jahr 2023, 2,3-mal mehr als im Jahr 2022 und dreimal mehr als vor dem Angriff auf die Ukraine. Der Anteil der russischen Militärausgaben am Staatshaushalt soll somit knapp 29,5 Prozent erreichen, gegen 19 Prozent im Vorjahr und 17 Prozent im ersten Kriegsjahr 2022.

Dass in diesem Jahr trotz weiter steigender Militärausgaben ein geringeres Wirtschaftswachstum in Russland erwartet wird, liegt an vielen weiteren Problemen wie ein parallel steigendes Haushaltsdefizit oder sinkende Importe aufgrund des steigenden Sanktionsdrucks des Westens auf russische Handelspartner wie China oder die Türkei. Hochrangige Wirtschaftsvertreter warnten, dass die Ausgaben die Wirtschaft überhitzen könnten. „Wenn man versucht, schneller zu fahren, als es die Konstruktion des Autos zulässt, und so viel Gas gibt, wie man kann, wird der Motor früher oder später überhitzen und wir kommen nicht weit“, sagte Zentralbankchefin Elwira Nabiullina dazu im Dezember. „Wir könnten schnell vorgehen, aber nicht für lange.“

Mit der Überhitzung des russischen Motors rechnen auch die OECD sowie der IWF. Ihre Russland-Prognose für das nächste Jahr, also 2025, fällt daher bescheidener aus: ein bis maximal 1,8 Prozent Wachstum. Die deutsche Wirtschaft soll dagegen mehr Schwung bekommen und von einem Konjunkturplus von 1,1 Prozent bzw. 1,3 profitieren. Die reale Tendenz wird im Laufe des Jahres klarer.

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QOSHE - OECD stuft Deutschland herunter und peppt Russland-Prognose auf: Wie geht das? - Liudmila Kotlyarova
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OECD stuft Deutschland herunter und peppt Russland-Prognose auf: Wie geht das?

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02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der führenden Industriestaaten (OECD) hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland erneut nach unten korrigiert. In diesem Jahr erwarten die OECD-Konjunkturexperten nun ein Mini-Wachstum von 0,2 anstatt von 0,3 Prozent, wie früher erwartet.

Die neue Prognose für Deutschland und andere G20- sowie OECD-Staaten wurde am Donnerstag veröffentlicht – eine Woche nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Wachstumsprognose für Deutschland umgekehrt von o,2 auf 0,3 Prozent erhöht hatte. Habeck begründete dies mit „Zeichen für eine leichte konjunkturelle Aufhellung“; die Wirtschaft dagegen reagierte mit Unverständnis.

Mit einem prognostizierten Wachstum von nur 0,2 Prozent wird die deutsche Wirtschaft dieses Jahr unter G20-Mitgliedern am wenigsten zulegen, gefolgt aufsteigend von Großbritannien mit 0,4 Prozent. Die anhaltende Inflationsbekämpfung und steigende Löhne werden die Realeinkommen und den privaten Konsum in der Bundesrepublik stützen, erwarten die OECD-Experten. Politische Unsicherheit im Zusammenhang mit der Finanzierung geplanter steuerlicher........

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