Ist Deutschlands Wirtschaftswachstum langfristig gefährdet? Kreditinvestoren wetten zunehmend darauf, dass die aktuellen Probleme der Bundesrepublik kein Ausrutscher sind, sondern andauern werden.

Und das zeigt sich immer stärker an den Unternehmen. Der letzte Notalarm-Bericht (Distress Alert) des US-amerikanischen Beratungsunternehmens im Bereich Krisen- und Sanierungsmanagement, Alvarez & Marsal (A&M), zeigt, dass Deutschland bereits die EU-Liste der Unternehmen in Not anführt.

Kreditaufnahmen und Anleihen von deutschen Unternehmen im Wert von mehr als 13,6 Milliarden US-Dollar hatten im vergangenen Monat den sogenannten notleidenden Charakter, berichtet das US-Nachrichtenportal Bloomberg. Das ist 13-mal so viel Geld, wie sich zum Beispiel die italienischen Unternehmen in Not geliehen haben. Notleidende Kredite oder Wertpapiere sind solche von Unternehmen, die in finanzielle oder betriebliche Schwierigkeiten beziehungsweise in Zahlungsverzug geraten, bankrott oder kurz in Not sind.

Unter 33 europäischen Ländern, die zuletzt im November 2023 von der A&M untersucht wurden, war der Anteil der Notlagen mit 14,8 Prozent am höchsten bei den deutschen Unternehmen. Dies stellt einen beträchtlichen Anstieg von noch neun Prozent im Jahr 2022 dar. Die Unternehmen im Bereichen Mode, Konsumgüter sowie im Bausektor sind mit entsprechend 33,3, 31,6 und 25 Prozent Anteil am stärksten von einer Notlage betroffen. In Belgien, den Niederlanden und Luxemburg geben rund 12,4 Prozent aller Unternehmen an, in einer Notlage zu sein. In Frankreich nur acht Prozent, in Spanien 11,5 Prozent, und in Italien 10,1 Prozent.

Die Notlage breite sich auf andere Sektoren aus, nicht nur auf den Immobiliensektor, das Baugewerbe und den Einzelhandel, die von der Inflation und den steigenden Kreditkosten betroffen seien, kommentiert der Geschäftsführer des Financial Restrukturierungsberatungsteams bei der A&M-Vertretung in München gegenüber Bloomberg. Auch das verarbeitende Gewerbe sei jetzt immer mehr von der Krise betroffen, und die Automobilindustrie „wird weiterhin ein Sorgenkind sein“.

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07.02.2024

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07.02.2024

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Diese Notlage führt dazu, dass Anleihegläubiger von deutschen Unternehmen höhere Unternehmensaufschläge verlangen als im gesamten Euroraum. Dieser Trend verstärkt sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, dem Ausfall der russischen Gaslieferungen nach Deutschland und der dadurch ausgelösten Energiekrise.

„Die wirtschaftlichen Aussichten des Landes bleiben düster“, heißt es im neuen Weil European Distress Index. Deutschland erweise sich als der am stärksten belastete Markt in Europa, beeinflusst durch mehrere Faktoren wie sich verschlechternde Investitionskennzahlen, Liquiditätsdruck und stagnierende Rentabilität, die seit Beginn dieses Jahrs anhalten.

„Grüner Fetisch“: Ökonom rechnet mit Habecks neuen Gaskraftwerken ab

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Neue Daten für 2023: So stark steigt in Berlin die Zahl der Insolvenzen

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Infolgedessen steigt auch die Zahl der Insolvenzen. Seit Juni 2023 sind durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten. Insgesamt haben laut einer Auswertung der Restrukturierungsberatung Falkensteg im vergangenen Jahr knapp 15.000 Firmen Insolvenz angemeldet – 26 Prozent mehr 2022. In diesem Jahr erwarten Experten ein Plus von 30 Prozent.

Das erklärt sich nicht nur mit Nachholeffekten aus der Coronazeit, als die Insolvenzmeldepflicht zeitweise ausgesetzt wurde, sondern auch mit Auswirkungen der Multikrisen aus dem Jahr 2023. Auf die Frage, ob die Bundesregierung ebenfalls eine Zunahme bei Unternehmens-Insolvenzen erwartet und vor allem in welchen Branchen, reagiere sie bisher ausweichend. Das aktuell „herausforderte“ konjunkturelle Umfeld sei bekannt, heißt es lediglich in einer Antwort auf Anfrage des fraktionslosen (früher Linke) Abgeordneten im Bundestag Christian Leye im Januar.

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QOSHE - Neue Daten zeigen das EU-Land mit den meisten Unternehmen in Not: Deutschland - Liudmila Kotlyarova
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Neue Daten zeigen das EU-Land mit den meisten Unternehmen in Not: Deutschland

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09.02.2024

Ist Deutschlands Wirtschaftswachstum langfristig gefährdet? Kreditinvestoren wetten zunehmend darauf, dass die aktuellen Probleme der Bundesrepublik kein Ausrutscher sind, sondern andauern werden.

Und das zeigt sich immer stärker an den Unternehmen. Der letzte Notalarm-Bericht (Distress Alert) des US-amerikanischen Beratungsunternehmens im Bereich Krisen- und Sanierungsmanagement, Alvarez & Marsal (A&M), zeigt, dass Deutschland bereits die EU-Liste der Unternehmen in Not anführt.

Kreditaufnahmen und Anleihen von deutschen Unternehmen im Wert von mehr als 13,6 Milliarden US-Dollar hatten im vergangenen Monat den sogenannten notleidenden Charakter, berichtet das US-Nachrichtenportal Bloomberg. Das ist 13-mal so viel Geld, wie sich zum Beispiel die italienischen Unternehmen in Not geliehen haben. Notleidende Kredite oder Wertpapiere sind solche von Unternehmen, die in finanzielle oder betriebliche Schwierigkeiten beziehungsweise in Zahlungsverzug geraten, bankrott oder kurz in Not........

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