Annahita Esmailzadeh, 31, ist Führungskraft bei Microsoft und eine starke Stimme in der Tech-Welt. Sie ist eine Powerfrau, die im Leben nichts geschenkt bekommen hat. Da die studierte Wirtschaftsinformatikerin zu oft in Schubladen gesteckt wurde, setzt sie sich auf LinkedIn, wo sie rund 178.000 Abonnenten hat, sowie in Büchern gegen Vorurteile und Stereotype in der Arbeitswelt und für mehr gelebte Diversität und Gleichberechtigung ein.

Die Berliner Zeitung hat sich mit der gebürtigen Münchnerin und begehrten Gastrednerin vor ihrem Auftritt bei einem Kulturabend im Kulturkaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße getroffen, wo ihr Bestseller „Von Quotenfrauen und alten weißen Männern – Schluss mit Vorurteilen in der Arbeitswelt“ zur Diskussion stand.

Berliner Zeitung: Frau Esmailzadeh, Sie leiten das Customer Success Management bei Microsoft Deutschland. Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Team und wie alt sind sie im Durchschnitt? Arbeiten Sie lieber mit Frauen oder Männern?

Esmailzadeh: Ich habe rund 20 Mitarbeitende. Die jüngste Person ist Mitte 20, und die älteste ist Anfang 60. Ich mache meine Präferenzen weder vom Alter noch vom Geschlecht abhängig.

Sie sind 30 Jahre alt. Sie machen den Eindruck, als wären Sie schon viel früher reif geworden. Liegt das an den Umständen, unter denen Sie aufgewachsen sind?

Ich bin ein Kind iranischer Einwanderer, wurde aber hier geboren. Mein Vater war Taxifahrer, meine Mutter Verkäuferin. Sie haben hart gearbeitet, aber wir konnten finanziell nie große Sprünge machen. Zugleich haben meine Eltern mir viele bestärkende Glaubenssätze mitgegeben, die von Anfang an meine Selbstwirksamkeit sowie Resilienz gefördert haben.

Dadurch, dass ich von meinen Eltern viel Liebe und Unterstützung, aber weder Kapital noch Netzwerk oder Beratung am Abendtisch mitbekommen habe, wie viele Kinder aus gut situierten Akademikerhaushalten, war ich von Anfang an beruflich auf mich allein gestellt. Ich habe mich für das Studium der Wirtschaftsinformatik nach zwei Kriterien entschieden: sicherer Job und attraktives Gehalt. Glücklicherweise habe ich in den letzten Jahren und beruflichen Stationen viele tolle Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen kennengelernt. Ein selbst selektiertes Netzwerk ist auch ein tolles Netzwerk.

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07.02.2024

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Viele junge Menschen in Deutschland haben es scheinbar nicht eilig, Karriere zu machen. Einige schließen mit 30 erst das Studium oder das Volontariat ab. Ist das ein Fehler?

Das ist nicht unbedingt ein Generationenthema, sondern aus meiner Sicht eher eine Frage der sozialen Herkunft. Ich beobachte persönlich, dass Menschen aus situierten Elternhäusern sich eher leisten können, nach dem Abitur erstmal ein Jahr zu reisen, alle sechs Monate den Job hinzuschmeißen oder in Teilzeit in den Beruf einzusteigen.

Das sind meistens Menschen, die eine gewisse psychologische Sicherheit haben, da sie über ihr Elternhaus ein Netz haben, das sie im Notfall auffängt. Sie wissen, dass sie notfalls weich fallen werden. Diese Sicherheit fehlt Arbeiterkindern und sozialen Aufsteigern sowie Aufsteigerinnen. Ebenso darf man nicht vergessen, dass diese Entspanntheit ebenso nicht von Menschen stammt, die Probleme damit haben, überhaupt einen Job zu finden, sondern eher bei Menschen beobachtet werden kann, die gut qualifiziert und damit auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt sind.

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Sie sind jetzt sehr gut qualifiziert, ändert das etwas an Ihrer Arbeitseinstellung?

Meine soziale Herkunft spielt in meinem Fall psychologisch wohl eine größere Rolle. Ich habe einen Masterabschluss in einem technischen, gut gefragten Beruf und viele Jahre Berufserfahrung. Wenn ich ein Jahr Sabbatical mache, werde ich nach einem Jahr finanziell wahrscheinlich nicht ruiniert sein. Zugleich habe ich dennoch unbewusst immer wieder die tief verankerte Angst, aus dieser Welt womöglich wieder herauszufliegen, in die ich vermeintlich nicht hineingehöre. Dieser Glaubenssatz ist bei vielen Arbeiterkindern stark verankert.

Was ich sagen will: Es ist eine teilweise realitätsferne Blasendiskussion, die wir im Kontext der Generation Z führen, also dass die jungen Menschen für hohe Ansprüche pauschal faul sind. Nicht jeder aus der Generation Z ist in der privilegierten Situation, solche Anforderungen überhaupt stellen zu können.

Junge Menschen, die im Praktikum sehr motiviert sind, hören oft, dass sie sich zu viel Druck machen. Wenn sie sich später im Job gut beweisen und schnell aufsteigen wollen, werden sie gebremst. Müssen sie sich für Karriere wirklich mehr Zeit nehmen, und lohnt es sich, älter zu wirken als man ist, wie der CDU-Politiker Philipp Amthor?

Ich habe am Anfang auch versucht, mich möglichst äußerlich zu assimilieren, gedeckte Farben und Kostüme zu tragen. In der IT-Beratung habe ich sogar weniger gelacht, um möglichst seriös zu wirken. Die Menschen haben trotzdem gesehen, da ist eine junge Frau mit einem Migrationshintergrund. Man hat mich deswegen nicht mehr oder weniger ernst genommen.

Was ich inzwischen daher jedem Menschen mit auf den Weg gebe ist: Suchen Sie sich ein Arbeitsumfeld, in dem Sie authentisch sein können. Und ja: Natürlich trifft ein junges Alter auf eine größere Skepsis. Ich selber habe aber die Erfahrung gemacht, dass diese Skepsis in der Regel relativ schnell abnimmt, wenn Kompetenz gegeben ist.

Menschen höheren Alters sind auch mit vielen Vorurteilen konfrontiert …

Genau, es wird ihnen vorgeworfen, pauschal nicht innovationsfähig zu sein, oder dass sie mit einem Fuß schon in der Rente stehen und deswegen nicht mehr ambitioniert sind. Altersdiskriminierung betrifft leider Menschen in fast jeder Altersspanne. Das Problem betrifft Frauen nochmal stärker, da sie sich im beruflichen Kontext fast immer im falschen Alter befinden.

Mit Mitte 20 sind sie noch „zu jung“ und werden nicht ernst genommen. Ab Mitte 20 bis Ende 30 befinden sie sich im fertilen Fenster, werden vermeintlich schwanger oder vernachlässigen wegen kleiner Kinder womöglich ihren Job. Dann sind sie in den Wechseljahren und häufig auch nicht mehr attraktiv für den Arbeitsmarkt. Eine Frau hat damit vielleicht fünf Jahre in der kompletten Lebensspanne, wo sie für den Arbeitsmarkt attraktiv ist, und das muss sich dringend ändern. Wir können es uns in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten, auf weibliche Talente zu verzichten.

Was geben Sie den Frauen mit?

Sie müssen sich nicht zwanghaft ihrem Arbeitsumfeld anpassen, sondern eher schauen: Bin ich in einem Arbeitsumfeld, wo ich wachsen und gedeihen kann? Wenn eine Blume nicht blüht, dann beschuldigen wir auch nicht die Blume, sondern schauen, was an ihrer Umgebung nicht stimmt, oder? Und das gebe ich jedem Menschen auf den Weg, der sich im beruflichen Umfeld nicht wohlfühlt.

Ihr ältester Kollege im Team ist Anfang 60. Wenn ich als Russin, 29 Jahre alt, einen älteren deutschen Mann für den Job interviewe, stelle ich die Frage: „Hätten Sie kein Problem damit, mich als Ihre Chefin zu haben?“ Ich habe irgendwie die Sorge, dass es nicht funktioniert. Wie gehen Sie mit älteren Kollegen in Ihrem Team um?

Diese Sorgen sind nicht unberechtigt. Jedes Mal, wenn ich ein neues Team übernommen habe, hatte ich das Gefühl, da ist eine gewisse Grundskepsis bezüglich meines Alters. Und bei mir zeigt sich ja ebenfalls das Konzept der Intersektionalität: Ich bin weiblich, jung und habe einen Migrationshintergrund, was potenzielle Vorurteile noch verstärkt. Wir alle stecken Menschen innerhalb von Sekunden in eine Schublade.

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Jedes Mal, wenn ein Artikel von mir online erscheint, tummeln sich unzählige Menschen im Kommentarbereich, die meine Kompetenz aufgrund meines Erscheinungsbilds pauschal hinterfragen und infrage stellen, ob ich mit „lauteren Mitteln“ an meine beruflichen Positionen gelangt bin. Und das, obwohl ich einen technischen Masterabschluss habe und seit über einem Jahrzehnt in der IT in diversen Positionen unterwegs bin. Einem hellhäutigen, mittelalten Mann mit der gleichen Vita begegnet zugleich diese Skepsis nicht. Du musst dich als junge Frau immer mehr anstrengen, um diesen Vorurteilen proaktiv zu begegnen und immer wieder die eigene Kompetenz unter Beweis stellen.

Sie haben auf der Arbeit bereits viel erreicht und treten öffentlich stark auf. Sehen Sie sich trotzdem gezwungen, Ihre Kompetenzen immer wieder zu beweisen?

Ich habe das Privileg, dass ich ein großartiges Arbeitsumfeld habe und in einer Unternehmenskultur arbeite, die ihresgleichen sucht. Ich habe selten ein Unternehmen erlebt, in dem so sehr auf Menschlichkeit geschaut wird und darauf, dass du etwas auf dem Kasten hast. Ich fühle mich sehr wohl, und wenn es nicht der Fall wäre, wäre ich schon weg.

Frauen können zwar genauso viel in der gleichen Position verdienen wie Männer, geben jedoch in Gesprächen zu, dass sie dafür mehr leisten und sich mehr anstrengen müssen, dass es sie mehr emotionale Kräfte kostet. Machen diese Frauen auch Fehler, die sie in solch eine Situation bringen, oder ist es eher das System, das sich ändern muss?

Die gläserne Decke ist ein Fakt, also müsste sich das System ändern. Je weiter man in der deutschen Wirtschaft nach oben blickt, desto homogener, akademischer, weißer und männlicher wird das Bild. Hier greift das sogenannte Affinitätsprinzip: Gleich und gleich gesellt sich gern. Das hat zur Konsequenz, dass Menschen sich lieber mit Menschen umgeben, die ihnen selbst ähnlich sind, auch geschlechtsbezogen. Deswegen ist es keine Einbildung, sondern ein gesellschaftlicher Fakt, dass es für Frauen in der Wirtschaft schwierig ist, sich ganz nach oben hinaufzuarbeiten, weil ihnen viel mehr Hürden begegnen.

Ist die Frauenquote also berechtigt?

Ich war in den ersten Berufsjahren der Meinung, dass es keine Frauenquote braucht: Leiste einfach genug, und dann schaffst du es ganz nach oben. Das dachte ich lange. Aber inzwischen bin ich der Meinung, dass man eine gesetzliche Quotenregelung braucht, um das Ungleichgewicht auszugleichen, das aufgrund traditioneller Machtstrukturen vorherrscht. Der Sinn der Quote ist nicht, wahllos Frauen in Positionen zu heben, die sie nicht verdienen. Niemand pfeift aufgrund der Quote willkürlich unqualifizierten Frauen auf der Straße hinterher und fragt sie, ob sie denn zufällig Lust darauf hätten, einen Aufsichtsratsposten zu besetzen.

Die Quote ist nüchtern betrachtet nichts anderes als ein Instrument, um einer unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppe einen gleichberechtigteren Partizipationsanteil zu ermöglichen. Sie ist hierbei auch kein Garant für Vielfalt über alle Diversitätsdimensionen, denn auch wenn ein Vorstand paritätisch mit Frauen und Männern besetzt ist, ist er nicht unbedingt divers. Die Quote allein wird allerdings die Herausforderungen nicht lösen, die zum Status quo und zu der existierenden Ungleichheit geführt haben. Sie bleibt wirkungslos, wenn sich an den zugrunde liegenden Denkmustern und Stereotypen sowie an den bestehenden strukturellen Herausforderungen nichts ändert.

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Warum glauben so viele, dass bei einer Frauenquote nicht trotzdem auf die Kompetenzen geschaut wird?

Das ist genau der Punkt. Jedes Mal, wenn eine Frau in einem öffentlichen Amt scheitert, wird auf einmal ihr Geschlecht diskutiert, als ob sie eine Quotenfrau wäre. Wenn aber ein Mann in einem öffentlichen Amt scheitert, heißt es, er war einfach inkompetent. Eine Frau, die es überhaupt schafft, für ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmandat infrage zu kommen, hat auf ihrem Weg in der Regel schon ganz viele Hürden aus dem Weg geräumt und ist in der Regel kompetent genug, sonst wäre sie nicht da.

Und selbst wenn sie nicht kompetent sein sollte, bleibt die Tatsache, dass wir auch enorm viele inkompetente Männer in verantwortungsvollen Positionen haben. Die Schriftstellerin Heidi Kabel hat es schön formuliert: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist.“ Erst dann haben wir es geschafft.

Eine Frau zu sein, ist in dem Fall schon schwer genug. Der Migrationshintergrund ist eine zusätzliche Hürde. Fühlen Sie sich in dem Sinne als Deutsche oder Deutsche iranischer Herkunft?

Ich fühle mich definitiv als Deutsche, aber du spürst immer wieder in der Gesellschaft, dass du nicht als deutsch-deutsch angesehen wirst, weil im Alltag ständig Kommentare kommen, die du nicht bekommen würdest, wenn du Lisa Müller heißen und wie Lisa Müller aussehen würdest. Und diese Kommentare beginnen schon mit „Oh, du kannst aber gut Deutsch“.

Vielleicht könnte das neue Einbürgerungsgesetz diese Wahrnehmung positiv ändern? Ich komme aus Russland, hätte aber gern auch die deutsche Staatsbürgerschaft, und durch meine Sozialisierung fühle ich mich schon als beides: Russin und Deutsche. Auf der Arbeit wünschte ich mir, dass Leute nicht wegen der Quote angestellt werden, sondern weil sie so kompetent sind und gut passen.

Genau das müsste unser Ziel sein, die gelebte Vielfalt. Die gelebte Diversität ist es eigentlich, wenn wir gar nicht mehr über Diversität sprechen, weil sie komplett selbstverständlich geworden ist. Also wenn keine Rolle spielt, wie alt du bist, welche ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung du hast oder ob du eine Behinderung hast. Bist du gut in einem Job oder bist du es nicht? Da müssen wir hinkommen.

Ich bin zum Beispiel zweisprachig aufgewachsen, meine Eltern haben mit mir daheim Persisch gesprochen. Ich habe als Kind viele Sommer im Iran verbracht. Das hat mir viel Bodenhaftung gegeben und mir aufgezeigt, welche Privilegien ich hier habe. Diese Gastfreundschaft, diese Herzlichkeit, diese Wärme von all den Menschen im Iran zu erleben, hat mich als Menschen sehr bereichert. Mit zwei Kulturen aufzuwachsen, ist ein großes Geschenk. Ich kann mich auch leichter auf Menschen aus anderen Kulturen einstellen. Deswegen sollten wir ethnische Vielfalt als Geschenk sehen.

In Berlin, wie in vielen Städten Deutschlands, protestieren Hunderttausende Menschen heutzutage gegen den Rechtsextremismus. Was können wir als Gesellschaft tun?

Die Gesellschaft ist nicht davor geschützt, dass bestimmte Kräfte bei sehr komplexen wirtschaftlichen Problemen nach einfachen Lösungen suchen und Sündenböcke konstruieren. Diese Kräfte stellen Themen in den Vordergrund, die zu Scheindebatten führen, uns aber vom Kern der Sache ablenken. Sie ziehen auch Menschen an, die gefrustet und unglücklich sind und gerne ein Ventil für ihren Frust hätten.

Deswegen müssen wir diese Menschen, ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen und in einen offenen und respektvollen Austausch miteinander kommen, statt immer mehr Fronten zu bilden und gar nicht mehr miteinander zu sprechen.

Vielen Dank Ihnen für das Gespräch.

Annahita Esmailzadeh: Von Quotenfrauen und alten weißen Männern – Schluss mit Vorurteilen in der Arbeitswelt. Campus Verlag, 2023. 19,99 bis 22,00 Euro.

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Annahita Esmailzadeh im Interview: „Du musst dich als junge Frau immer mehr anstrengen“

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10.02.2024

Annahita Esmailzadeh, 31, ist Führungskraft bei Microsoft und eine starke Stimme in der Tech-Welt. Sie ist eine Powerfrau, die im Leben nichts geschenkt bekommen hat. Da die studierte Wirtschaftsinformatikerin zu oft in Schubladen gesteckt wurde, setzt sie sich auf LinkedIn, wo sie rund 178.000 Abonnenten hat, sowie in Büchern gegen Vorurteile und Stereotype in der Arbeitswelt und für mehr gelebte Diversität und Gleichberechtigung ein.

Die Berliner Zeitung hat sich mit der gebürtigen Münchnerin und begehrten Gastrednerin vor ihrem Auftritt bei einem Kulturabend im Kulturkaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße getroffen, wo ihr Bestseller „Von Quotenfrauen und alten weißen Männern – Schluss mit Vorurteilen in der Arbeitswelt“ zur Diskussion stand.

Berliner Zeitung: Frau Esmailzadeh, Sie leiten das Customer Success Management bei Microsoft Deutschland. Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Team und wie alt sind sie im Durchschnitt? Arbeiten Sie lieber mit Frauen oder Männern?

Esmailzadeh: Ich habe rund 20 Mitarbeitende. Die jüngste Person ist Mitte 20, und die älteste ist Anfang 60. Ich mache meine Präferenzen weder vom Alter noch vom Geschlecht abhängig.

Sie sind 30 Jahre alt. Sie machen den Eindruck, als wären Sie schon viel früher reif geworden. Liegt das an den Umständen, unter denen Sie aufgewachsen sind?

Ich bin ein Kind iranischer Einwanderer, wurde aber hier geboren. Mein Vater war Taxifahrer, meine Mutter Verkäuferin. Sie haben hart gearbeitet, aber wir konnten finanziell nie große Sprünge machen. Zugleich haben meine Eltern mir viele bestärkende Glaubenssätze mitgegeben, die von Anfang an meine Selbstwirksamkeit sowie Resilienz gefördert haben.

Dadurch, dass ich von meinen Eltern viel Liebe und Unterstützung, aber weder Kapital noch Netzwerk oder Beratung am Abendtisch mitbekommen habe, wie viele Kinder aus gut situierten Akademikerhaushalten, war ich von Anfang an beruflich auf mich allein gestellt. Ich habe mich für das Studium der Wirtschaftsinformatik nach zwei Kriterien entschieden: sicherer Job und attraktives Gehalt. Glücklicherweise habe ich in den letzten Jahren und beruflichen Stationen viele tolle Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen kennengelernt. Ein selbst selektiertes Netzwerk ist auch ein tolles Netzwerk.

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08.02.2024

07.02.2024

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Viele junge Menschen in Deutschland haben es scheinbar nicht eilig, Karriere zu machen. Einige schließen mit 30 erst das Studium oder das Volontariat ab. Ist das ein Fehler?

Das ist nicht unbedingt ein Generationenthema, sondern aus meiner Sicht eher eine Frage der sozialen Herkunft. Ich beobachte persönlich, dass Menschen aus situierten Elternhäusern sich eher leisten können, nach dem Abitur erstmal ein Jahr zu reisen, alle sechs Monate den Job hinzuschmeißen oder in Teilzeit in den Beruf einzusteigen.

Das sind meistens Menschen, die eine gewisse psychologische Sicherheit haben, da sie über ihr Elternhaus ein Netz haben, das sie im Notfall auffängt. Sie wissen, dass sie notfalls weich fallen werden. Diese Sicherheit fehlt Arbeiterkindern und sozialen Aufsteigern sowie Aufsteigerinnen. Ebenso darf man nicht vergessen, dass diese Entspanntheit ebenso nicht von Menschen stammt, die Probleme damit haben, überhaupt einen Job zu finden, sondern eher bei Menschen beobachtet werden kann, die gut qualifiziert und damit auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt sind.

Berliner Job-Experte: Wer diese drei Tipps beachtet, macht Karriere

01.02.2024

Sie sind jetzt sehr gut qualifiziert, ändert das etwas an Ihrer Arbeitseinstellung?

Meine soziale Herkunft spielt in meinem Fall psychologisch wohl eine größere Rolle. Ich habe einen Masterabschluss in einem technischen, gut gefragten Beruf und viele Jahre........

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