Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vergangene Woche eine drastische und noch dazu effektive Maßnahme gegen illegale Einwanderung ergriffen: Sie hat die stationären Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz verlängert. Dadurch sind illegale Grenzübertritte im Vergleich um 60 Prozent zurückgegangen. Man kann das nur schwer als unmenschliche Einschränkung ansehen – bei diesen Grenzkontrollen werden Schlepper oder Menschen, die die Polizei dafür hält, festgenommen (340 seit der Einführung der ständigen Kontrollen) und es werden Menschen abgewiesen, die bereits in anderen EU-Staaten ein Recht auf ein Asylverfahren haben. Alle anderen stehen im Stau, dürfen aber über die Grenze. Die Schlangen sind bisher der einzige Kritik-Grund, der in der öffentlichen Debatte aufgetaucht ist.

Dabei haben diese Grenzkontrollen, gerade weil sie so effektiv sind, eine dunkle Seite. Sie verändern den gesamten Schengenraum, die Wanderungsbewegungen in ihm und das Verhältnis der betroffenen Schengenstaaten untereinander. Die Ministerin tut etwas, wovor Angela Merkel nach 2015 immer zurückgeschreckt ist: Sie sorgt dafür, dass die Last, die dem BAMF aus der Bearbeitung von hunderttausenden Asylverfahren und Ländern und Gemeinden aus der Integration von hunderttausenden Einwanderern erwächst, in Europa gerechter verteilt wird. Dadurch haben nicht nur die Zielländer der Einwanderer das Problem, sondern alle. Der Preis dafür ist allerdings die Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums. Der geht nämlich gerade vor die Hunde, weil die Länder, die von Faesers Maßnahme am meisten betroffen sind, ihr nacheifern.

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Unmittelbar nachdem Faeser zum ersten Mal ständige Grenzkontrollen eingerichtet hat, tat selbst die europaskeptische und deutschfeindliche polnische Regierung unter Mateusz Morawiecki das Gleiche an der Grenze zur Slowakei. Andernfalls – Flüchtlingshelfer mögen mir die etwas zynische Wortwahl verzeihen – wäre er nämlich auf all den Migranten „sitzen geblieben“, die über die slowakische Grenze nach Polen und von dort in Richtung Deutschland wandern, nur um dann an der deutsch-polnischen Grenze abgewiesen zu werden.

Polen hätte dann das Problem Faesers gehabt: Entweder hätte es diese Migranten mit Hilfe der Dublin-Prozeduren an die Slowakei zurückgeben können, oder, wenn die Slowakei sich so quergestellt hätte wie Polen das bisher getan hat, sie behalten und dafür sorgen müssen, dass sie ein Asylverfahren bekommen und danach entweder zurück in ihre Heimat geschickt werden, oder, falls das nicht geht, eine Duldung bekommen, was heißt, dauerhaft im Land bleiben, bis sie eine Möglichkeit finden, nach Deutschland oder ein anderes Land ihrer Träume zu kommen, legal oder illegal.

Man sieht: Grenzkontrollen wirken. Sie führen allerdings nicht unbedingt dazu, dass Migranten abgeschreckt werden und sich gar nicht erst auf den Weg nach Deutschland oder in die EU machen. Migranten sind weder Volljuristen noch Schengen-Experten. Sie orientieren sich nicht am ständig sich ändernden Recht, sondern daran, welche Chancen sie haben, das zu erreichen, was sie wollen. Und die sind auch bei Grenzkontrollen immer noch groß genug. Die Gewerkschaft der Polizei weist schon darauf hin: Je dichter die Kontrollen an den Grenzübergängen sind, desto mehr Migranten kommen über die grüne Grenze. Das ist der Preis, den wir für Faesers Erfolg bezahlen: Irgendwann werden wir die Bundespolizei wieder auf- und ausrüsten müssen damit sie die ganze Ost- und Südgrenze bewachen kann.

Solche Kettenabschiebungen über die EU-Außengrenze hinaus wirken am Ende wirklich abschreckend und können auch die Zahl der Migranten, die sich nach Europa aufmachen, deutlich reduzieren. So gesehen hat Jens Spahn mehr als Recht, wenn er behauptet, früher oder später würden die Außengrenzen der EU komplett geschlossen. Das gilt nämlich nicht nur für die Außengrenzen, sondern auch für die innerhalb des Schengenraumes. Sollte sich dort nämlich ein Türchen öffnen, gibt es für die Staaten an der Außengrenze keinen Grund mehr, die Außengrenze geschlossen zu halten: Sie können dann die Migranten wieder durchwinken ohne Furcht, dass sie zu ihnen zurückgeschickt werden.

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Wir hätten aber gerne beides: Reisefreiheit ohne lästige Grenzkontrollen und bürokratielosen kleinen Grenzverkehr für Pendler auf der einen Seite und weniger illegale Einwanderung auf der anderen Seite. Rückführungsabkommen sollen das schaffen: Die Bundesregierung muss einfach nur Abkommen schließen mit den Ländern, aus denen die meisten Migranten kommen. Die kriegen mehr Visa für legale Einreisen in die EU und einen Haufen Geld und nehmen dafür ihre Bürger wieder zurück. Wenn es klappt, wissen die Migranten, dass sie am Ende ihrer Reise wieder da landen, wo sie herkommen und machen sich gar nicht erst auf den Weg. Das sagt jedenfalls die Theorie. Aber so wird’s nicht kommen.

Wegen der geltenden Rechtslage, die es verbietet, Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen ihnen Gefahr droht, kann man solche Abkommen nur mit einigermaßen humanen Regierungen abschließen. Ich wage jetzt einmal zu bezweifeln, ob die Türkei noch dazu gehört, nicht nur, weil sie durch ihre Verstrickung in den Krieg in Syrien und ihr Vorgehen gegen die kurdische Minderheit im Land selbst Flüchtlinge produziert, sondern auch, weil inzwischen immer mehr türkische Staatsbürger in Deutschland politisches Asyl erhalten.

Ähnlich sieht es in Tunesien aus, das inzwischen auch keine Demokratie mehr ist. Die tunesische Regierung hat gut erkannt, was man von ihr verlangt und Flüchtlinge aus Afrika buchstäblich in die Wüste gejagt – in Richtung Syrien. Geld und Druck sorgen dafür, dass manche afrikanischen Regierungen hart und erbarmungslos durchgreifen, oft auch ohne große Rücksicht auf die eigene Bevölkerung.

Im Rahmen ihrer Konfrontation mit westlichen Staaten hat die Militärjunta in Niger, die sich im Juli an die Macht geputscht hat, nun ein Gesetz von 2015 aufgehoben, dass auf Geheiß europäischer Staaten die „illegale Migration“ begrenzen sollte und jeden, der Migranten versorgt, transportiert oder ihnen sonst wie hilft, mit Strafen zwischen einem und dreißig Jahren Gefängnis bedrohte. Als es in Kraft trat, brach ein großer Teil des Tourismus-, Hotel- und Transportgewerbes im Norden des Landes zusammen, weil damit nicht nur Transitreisen auf dem Weg nach Europa, sondern auch der kleine Grenzverkehr mit Nachbarstaaten getroffen wurde. Jetzt ist das Gesetz aufgehoben, und die Schmuggler und Migranten freuen sich.

Vielleicht können Europäer, die afrikanische Regierungen dazu bringen wollen, gegen Migration mit harter Hand vorzugehen, diesen die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen. Wie das Beispiel Tunesiens und der Türkei zeigt, lassen die sich das aber immer mehr kosten. Das kann man Erpressung nennen, aber es folgt einer einfachen Logik: Eine Regierung wird nur dann Migration verhindern, wenn sie daran mehr verdient als daran, die Migration zu fördern. Für die Schmuggler an den Küsten ist die Sache ganz einfach: Solange es für sie keine besseren Verdienstmöglichkeiten gibt, als Migranten über das Mittelmeer zu helfen, haben sie keinen Grund, sich einen anderen Job zu suchen.

Solange wir Europäer also den Schmugglern nicht mehr bezahlen, als sie jetzt verdienen, werden sie weiter schmuggeln. Da wir sie nur indirekt über ihre meist korrupten Regierungen bezahlen können, müssen wir ihnen, soll das Ganze funktionieren, soviel überweisen, dass alle Vermittler und Beamten dabei ihren Schnitt machen, aber am Ende noch genug bei den Schmugglern ankommt. Je korrupter ein Land, desto mehr Geld muss dabei über den Tisch gehen, denn desto mehr geht verloren, bis das Geld ganz unten ankommt. Früher dachten wir einmal, wir könnten mit Entwicklungshilfe demokratische und wenig korrupte Regierungen belohnen und müssten den korrupten Diktatoren die Mittel streichen. Jetzt sehen wir: Umgekehrt wird ein Schuh draus. Vielleicht sollten wir die Putschisten in Niger subventionieren, statt sie bloßzustellen und zu isolieren?

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Es gibt da noch einen anderen Faktor, der das Ganze zusätzlich verteuert: Je korrupter und autoritärer eine Regierung ist, desto weniger Grund hat sie, abgelehnte Asylsucher aus Europa wieder zurückzunehmen. Das ist eine Lehre, die viele Herrscher Nordafrikas und der arabischen Halbinsel aus dem arabischen Frühling gezogen haben. Nichts schadet der Stabilität ihrer Länder – und der Erhaltung ihrer Macht – mehr, als ganz viele arbeitslose, radikale junge Männer, die zu viel Zeit und wenig Angst haben.

Wenn die sich ins Mittelmeer stürzen, um in Europa Jobs zu suchen – umso besser. Sie machen dann dort Rabatz und nicht zuhause in Tunis, Istanbul oder Tripolis und wenn sie tatsächlich Arbeit finden, werden sie einen Teil ihrer Einkünfte an ihre Verwandten zuhause überweisen und so die Wirtschaft stabilisieren, die autoritäre und korrupte Diktaturen in der Regel an die Wand fahren.

Warum, um alles in der Welt, sollten solche Herrscher dann aber Rückführungsabkommen abschließen? Dann hätten sie das Problem, das von sich aus gegangen ist, ja wieder zurück! Das ist der Grund, warum solche Rückführungsabkommen vielleicht noch in Ländern einen gewissen Erfolg haben, die in die EU wollen (wie Georgien und Moldawien). Ihre Herrscher sind einigermaßen demokratisch und nicht allzu korrupt und die Aussicht auf den EU-Beitritt bedeutet für sie, dass ihre Jugend in absehbarer Zeit ganz legal in der EU Geld verdienen können wird.

So zahlreich wie in Afrika ist diese Jugend auch gar nicht, die Zahl der Geburten pro Frau nähert sich Georgien und Moldawien dem EU-Durchschnitt an. Ganz anders in Marokko und Libyen, von Ländern wie Niger und Nigeria, wo zwischen 5 und 7 Kinder auf eine Familie kommen, ganz zu schweigen.

Solche Länder würden den Teufel tun, ihre Migranten zurückzunehmen. Wenn ihnen am Erhalt ihrer Macht und der Entwicklung ihres Landes etwas liegt, sollten sie ihre Auswanderer sogar unterstützen beim Versuch, nach Europa zu gelangen. Wir in Europa werden also auch in Zukunft eine Menge Einwanderer haben, die wir nicht zurückschicken können, weil ihre Regierungen sie nicht aufnehmen. Oder weil die dafür zu viel Geld von uns wollen.

Dazu kommen noch diejenigen, die ihre Regierungen zwar gerne zurückbekommen hätten, die wir aber nicht zurückschicken können, weil diese Regierungen sie sonst umbringen, verstümmeln, foltern oder verhungern lassen. So wie diejenigen, die vor den Taliban, den Mullahs im Iran und demnächst vielleicht aus dem Gaza-Streifen fliehen.

Für solche Fälle hat sich die britische Regierung nun eine Wunderwaffe ausgedacht: Sie werden nach Ruanda gebracht und die ruandische Regierung bekommt einen Haufen Geld dafür, Asylverfahren dort durchzuführen. Bekommen sie Asyl oder Schutz, dürfen sie in Ruanda bleiben, andernfalls muss sich Ruanda darum kümmern, was mit ihnen weiter geschieht.

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Dahinter steht natürlich die unausgesprochene Annahme, dass sich beide Gruppen am Ende mehr oder weniger diskret in Luft auflösen und möglichst auf eigene Kosten irgendwohin gehen, wo sie überleben können und wollen. Manche Politiker in der Bundesrepublik finden dieses Modell gut, obwohl es bisher nur in eine Richtung funktioniert: Ruanda bekommt das Geld, aber die britische Regierung wird die betroffenen Migranten nicht los, weil die britischen Gerichte und der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die Rückführung blockieren.

Jens Spahn hat das nicht daran gehindert, so einen Mechanismus auch für die Bundesrepublik und neben Ruanda auch noch Ghana ins Spiel zu bringen. Ruanda wäre dafür, wie der ruandische Außenminister Vicent Biruta bei Annalena Baerbocks Besuch in Kigali erkennen ließ. Nicht Ruanda, sondern Baerbock ist das Problem: Sie attackierte Spahn für seinen Vorschlag. Bei den Grünen kommt der britische Deal mit Kigali gar nicht gut an.

Natürlich würden deutsche Gerichte einen solchen Deal genauso blockieren, wie britische Gerichte das tun. Und Menschenrechtler würden dagegen Sturm laufen, weil sie ihn für unmenschlich halten. Allerdings ist die Sachlage etwas komplizierter. Aber das liegt an Ruanda, nicht an der Juristerei oder der deutschen Innenpolitik.

Die meisten Leute denken bei Ruanda an den Völkermord von 1994, als eine Hutu-Militärjunta hunderttausende Tutsi umbrachte, bis sie von den jetzigen Machthabern, der Ruandischen Patriotischen Front (RPF), von der Macht vertrieben wurde. Die Völkermordmilizen flohen damals vor allem in den Ostkongo, wo manche von ihnen bis heute ihr Unwesen treiben, unterstützt von der Regierung in Kinshasa.

Deshalb unterstützt die Regierung Ruandas die M23 Miliz, die die Tutsi in den Kivu-Provinzen des Kongo vor den Völkermord-Nachfahren schützen soll und die kongolesische Armee auf Distanz hält. Ruanda ist also selbst ein Land, das Flüchtlinge produziert und an einem Krieg zumindest indirekt beteiligt ist – ähnlich wie die Türkei.

Für Ruandas Exilanten und die Gegner des britisch-ruandischen Migrationsdeals ist Ruanda darüber hinaus auch eine brutale Militärdiktatur, deren Justiz von der Regierung abhängig ist und deshalb weder faire Asylverfahren durchführen, noch sicherstellen kann, dass Schutzsuchende nicht in Länder deportiert werden, in denen ihnen Verfolgung droht.

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Das fand auch der Oberste Gerichtshof in Großbritannien, den dazu eine heftige Kritik des UN-Flüchtlingshilfswerks animiert hat. Aus diesem Grund steht Ruanda auch weiter zu dem Abkommen: es trägt dazu bei, das wegen der Einmischung im Kongo etwas ramponierte Image Ruandas aufzupolieren. In den letzten Monaten haben EU und USA heftig Druck auf Kigali ausgeübt und der Regierung dort geht langsam die Entwicklungshilfe aus – da kommt der für Großbritannien ziemlich teure Flüchtlingsdeal gerade recht.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass das gleiche UN-Flüchtlingshilfswerk geholfen hat, tausende Migranten, die in libyschen Arbeitslagern als Geiseln gehalten wurden, nach Ruanda zu bringen. Ruanda war eines der wenigen Länder, die bereit waren, sie aufzunehmen. Inzwischen hat das Land auch sudanesische Studenten, die zu Beginn des Bürgerkriegs fliehen konnten, mit Stipendien und Studienplätzen ausgestattet.

Früher hat Ruanda (zusammen mit Uganda) auch Flüchtlinge aus Darfur und Eritrea aufgenommen, denen es gelungen war, nach Israel zu fliehen, die dort aber nicht willkommen waren. Von den Millionen Menschen, die seit 1994 aus dem Kongo nach Ruanda zurückgekommen sind, gar nicht zu reden. Hätte der britische Oberste Gerichtshof mich gefragt, ich hätte ganz im Stil von Angela Merkel geantwortet: Die Ruander, die schaffen das.

Ich finde die Idee trotzdem schlecht, aber aus ganz anderen Gründen als die Menschenrechtler und der UNHCR, auf die der Oberste Gerichtshof gehört hat. Um dessen Zweifel zu zerstreuen, hat die britische Regierung nun ein neues Abkommen ausgehandelt, das unter anderem gemeinsame Berufungsinstanzen für Asylverfahren vorsieht.

Da werden dann britische und ruandische Beamte gemeinsam darüber entscheiden, wer in Ruanda Asyl bekommt. Darüber, was mit den Betroffenen danach passiert, haben die Briten aber keinerlei Kontrolle mehr. Und Ruandas Regierung lässt sich bei so etwas gar nicht gern über die Schulter sehen. Es kommt gelegentlich vor, dass in Ruanda politisch allzu aktive Bürger spurlos verschwinden, von Unbekannten ermordet werden oder sich im Krankenhaus wiederfinden. Und allzu heftig auftretende Exilanten pflegen Attentaten zum Opfer zu fallen, über die sich die Regierenden in Kigali dann öffentlich freuen, obwohl sie natürlich jede Verantwortung dafür ablehnen.

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In der einen oder anderen Form hätte die Bundesrepublik diese Probleme mit jedem Land, das zurzeit als Abnehmer für nicht-abschiebbare Migranten im Gespräch ist. Ghana ist zwar eine Demokratie, zugleich aber nach der Pandemie in eine dramatische Wirtschaftskrise gerutscht und schon deshalb kaum an der Aufnahme von Migranten aus Europa interessiert. Wie im Senegal, der auch ab und zu in solchen Debatten auftaucht, hat aber auch Ghana ein Korruptionsproblem und natürlich gibt es in keinem dieser Länder Asylverfahren, die die super-rechtsstaatlichen bundesdeutschen Kriterien erfüllen. Sollte die Bundesregierung also auf die Idee verfallen, Asylverfahren nach Afrika auszulagern, steht sie vor dem gleichen Dilemma wie Rishi Sunak: um die heimischen Gerichte zufriedenzustellen, muss sie dann BAMF-Beamte in den Senegal und nach Ghana entsenden und überwachen, wie deren Entscheidungen umgesetzt werden – ein Masterplan für bilaterale Konflikte, die dann – ähnlich wie im Fall Tunesien – dazu führen werden, dass die Abschiebungen unterbrochen werden müssen, entweder weil Ghana oder der Senegal das so wollen oder weil deutsche Gerichte so entscheiden.

Das wiederum führt zu einer ziemlich beunruhigenden Schlussfolgerung: Wenn wir tatsächlich Asylverfahren in Länder außerhalb der EU auslagern wollen, müssen wir entweder diese Länder dazu bringen, ähnlich hohe Anforderungen an ihre Verwaltung und Justiz anzulegen wie in der EU – oder unsere eigenen Anforderungen so absenken, dass diese Länder sie problemlos erfüllen können. Letzteres ist sicher leichter – aber wollen wir das?

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Wie Nancy Faeser dabei hilft, die Reisefreiheit in der EU abzuschaffen

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Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vergangene Woche eine drastische und noch dazu effektive Maßnahme gegen illegale Einwanderung ergriffen: Sie hat die stationären Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz verlängert. Dadurch sind illegale Grenzübertritte im Vergleich um 60 Prozent zurückgegangen. Man kann das nur schwer als unmenschliche Einschränkung ansehen – bei diesen Grenzkontrollen werden Schlepper oder Menschen, die die Polizei dafür hält, festgenommen (340 seit der Einführung der ständigen Kontrollen) und es werden Menschen abgewiesen, die bereits in anderen EU-Staaten ein Recht auf ein Asylverfahren haben. Alle anderen stehen im Stau, dürfen aber über die Grenze. Die Schlangen sind bisher der einzige Kritik-Grund, der in der öffentlichen Debatte aufgetaucht ist.

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Polen hätte dann das Problem Faesers gehabt: Entweder hätte es diese Migranten mit Hilfe der Dublin-Prozeduren an die Slowakei zurückgeben können, oder, wenn die Slowakei sich so quergestellt hätte wie Polen das bisher getan hat, sie behalten und dafür sorgen müssen, dass sie ein Asylverfahren bekommen und danach entweder zurück in ihre Heimat geschickt werden, oder, falls das nicht geht, eine Duldung bekommen, was heißt, dauerhaft im Land bleiben, bis sie eine Möglichkeit finden, nach Deutschland oder ein anderes Land ihrer Träume zu kommen, legal oder illegal.

Man sieht: Grenzkontrollen wirken. Sie führen allerdings nicht unbedingt dazu, dass Migranten abgeschreckt werden und sich gar nicht erst auf den Weg nach Deutschland oder in die EU machen. Migranten sind weder Volljuristen noch Schengen-Experten. Sie orientieren sich nicht am ständig sich ändernden Recht, sondern daran, welche Chancen sie haben, das zu erreichen, was sie wollen. Und die sind auch bei Grenzkontrollen immer noch groß genug. Die Gewerkschaft der Polizei weist schon darauf hin: Je dichter die Kontrollen an den Grenzübergängen sind, desto mehr Migranten kommen über die grüne Grenze. Das ist der Preis, den wir für Faesers Erfolg bezahlen: Irgendwann werden wir die Bundespolizei wieder auf- und ausrüsten müssen damit sie die ganze Ost- und Südgrenze bewachen kann.

Solche Kettenabschiebungen über die EU-Außengrenze hinaus wirken am Ende wirklich abschreckend und können auch die Zahl der Migranten, die sich nach Europa aufmachen, deutlich reduzieren. So gesehen hat Jens Spahn mehr als Recht, wenn er behauptet, früher oder später würden die Außengrenzen der EU komplett geschlossen. Das gilt nämlich nicht nur für die Außengrenzen, sondern auch für die innerhalb des Schengenraumes. Sollte sich dort nämlich ein Türchen öffnen, gibt es für die Staaten an der Außengrenze keinen Grund mehr, die Außengrenze geschlossen zu halten: Sie können dann die Migranten wieder durchwinken ohne Furcht, dass sie zu ihnen zurückgeschickt werden.

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