Warum hat Danny J. seinen drei Monate alten Sohn ertränkt? Und war der Mann, den alle Zeugen im Prozess einen liebevollen Vater seiner vierjährigen Tochter nannten, zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig? Die Fragen soll an diesem Montag die psychiatrische Sachverständige Dagny Luther klären. Sie wird sie nicht eindeutig beantworten.

In ihren Gutachten spricht die Sachverständige von Symptomen einer Autismusstörung bei dem hochintelligenten Angeklagten und einer depressiven Dekompensation.

Der 38-jährige Danny J. muss sich derzeit wegen Mordes vor dem Berliner Landgericht verantworten. Er hat schon zu Prozessbeginn zugegeben, am 11. August vorigen Jahres seinen Sohn in der Babybadewanne ertränkt zu haben, als er mit dem Kind allein in der Wohnung in der Wiecker Straße in Lichtenberg war. Seine vierjährige Tochter war bei der Oma, die Kindsmutter bei ihrer Schwester.

Laut Anklage ertränkte Danny J. den Säugling in der mit heißem Wasser gefüllten Wanne, weil er das Kind nicht gewollt und sich in seiner Lebensgestaltung gestört gefühlt habe.

Luther widerspricht dem. Sie sagt, es gehe nicht darum, dass das Kind den Angeklagten eingeengt habe. Es gehe bei der Tat um Stressreduktion. Denn Veränderungen im Leben bedeuteten für Autisten massiven Stress. Sie wollten, wenn alles gut laufe, dass alles so bleibe.

20 Stunden hat die Sachverständige mit Danny J. gesprochen – und nie eine emotionale Regung bemerkt. Danny J. sei schon als Kind lieber allein geblieben, habe mit Legosteinen gespielt und wenn ein Stein fehlte, stundenlang danach gesucht.

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Soziale Interaktionen seien für Autisten wie den Angeklagten anstrengend. Es fehle ihnen an sozialer Kompetenz. Zudem hätten sie, aus Angst, etwas falsch zu machen, ein geringes Selbstwertgefühl. Ihr Leben bestehe aus Sorge. „Wo Leute einmal nachdenken, denkt Danny J. fünfmal darüber nach.“

Schon das erste Kind sei eine Herausforderung für den Angeklagten gewesen. Die Tochter sei aber die wichtigste Person in seinem Leben geworden. „Selbstwertschwache Menschen fühlen sich in der Nähe von Kindern wohl“, erklärt die Sachverständige.

Dann kam Corona, die Welt wurde eng. Danny J., der soziale Kontakte scheute, musste nun mit Frau und Kind auf engstem Raum leben. Für sie als Expertin sei sein damaliger Trennungswunsch nachvollziehbar.

Nach Corona wollte die Partnerin des Angeklagten ein zweites Kind. Sie wurde schwanger. Der Angeklagte bat sie, das Baby abtreiben zu lassen. Doch seine Lebensgefährtin lehnte ab. Luther sagt, es habe bei Danny J. seit Herbst 2022 eine mittelschwere depressive Episode gegeben – in Wellen, bis zum Tattag. „Es muss davon ausgegangen werden, dass Danny J. das Kind nicht wollte – auch nach der Geburt.“

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Den Tatablauf nennt die Sachverständige ein „hochkomplexes Geschehen“, für das es keine Zeugen gebe. Es könne durchaus sein, dass Danny J. zum Tatzeitpunkt an einer Derealisationsstörung gelitten habe – einer Stressreaktion des Körpers, um sich einem unerträglichen Zustand zu entziehen. Der Angeklagte habe sich „wie im falschen Film“ gefühlt. Derealisationserleben entsteht so abrupt wie eine Panikattacke.

Wenn das zuträfe, dann könnte die Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten beeinträchtigt gewesen sein. Luther sagt, sie könne gleichwohl nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit bei Danny J. zum Tatzeitpunkt vorhanden war.

Am 7. März werden die Plädoyers und das Urteil erwartet.

QOSHE - Vater ertränkte Baby in Berlin: Laut der Sachverständigen ging es um Stressreduktion - Katrin Bischoff
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Vater ertränkte Baby in Berlin: Laut der Sachverständigen ging es um Stressreduktion

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19.02.2024

Warum hat Danny J. seinen drei Monate alten Sohn ertränkt? Und war der Mann, den alle Zeugen im Prozess einen liebevollen Vater seiner vierjährigen Tochter nannten, zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig? Die Fragen soll an diesem Montag die psychiatrische Sachverständige Dagny Luther klären. Sie wird sie nicht eindeutig beantworten.

In ihren Gutachten spricht die Sachverständige von Symptomen einer Autismusstörung bei dem hochintelligenten Angeklagten und einer depressiven Dekompensation.

Der 38-jährige Danny J. muss sich derzeit wegen Mordes vor dem Berliner Landgericht verantworten. Er hat schon zu Prozessbeginn zugegeben, am 11. August vorigen Jahres seinen Sohn in der Babybadewanne ertränkt zu haben, als er mit dem Kind allein in der Wohnung in der Wiecker Straße in Lichtenberg war. Seine vierjährige Tochter war bei der Oma, die Kindsmutter bei ihrer Schwester.

Laut Anklage ertränkte Danny J. den Säugling in der mit........

© Berliner Zeitung


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