Otto Dix (1891–1969) hatte ein zutiefst menschliches wie künstlerisches Anliegen, als er entschied, sich 1955 in die Akademie der Künste West und bald darauf auch in die AdK Ost aufnehmen zu lassen. Das klingt, vor dem Hintergrund des aufkommenden Kalten Krieges, nach kühner Grenzgängerei. Und nach der Sehnsucht, zu vermitteln, zu befrieden.

Der aus dem thüringischen Gera Untermhaus stammende, 1933 von den Nazis aus dem Professorenamt an der Dresdner Kunsthochschule gejagte Expressionist und geniale Verist der neusachlichen Malerei hatte tatsächlich das Anliegen, den Spagat zu wagen, zu verbinden, auf diese Weise in beiden Teilen Deutschlands zu wirken. Und dies bei Wahrung seiner Unabhängigkeit. Also reiste er aus Hemmenhofen am Bodensee, seinem Exil seit NS-Zeit, an, besuchte beide Akademien und auch Dresden, wo die Kunstsammlungen sein weltberühmtes Triptychon „Der Krieg“ ankauften – die Szenen der Vernichtungsschlacht um Verdun von 1916.

Die an Grünewalds Isenheimer Altar geschulten Tafeln kündigten ein Jahr vor der Machtübernahme der Nazis wie ein Orakel den Zweiten Weltkrieg an: den Überfall auf europäische Länder im Osten wie im Westen, den Völkermord und den Holocaust. Die Neue Nationalgalerie besitzt das Pendant: das 1963 vom West-Berliner Senat angekaufte, den grausamen Stellungskrieg um 1916 darstellende Gemälde „Flandern“ von 1936. Die beiden Antikriegswerke wirken mit ungebrochener Brisanz als universeller Ausdruck für Aggression und Zivilisationsbruch, gerade im Blick auf Putins Krieg gegen die Ukraine.

Ai Weiwei: Gaza-Kritik unterliegt im Westen Zensur wie in Maos China

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Die Malerin Karolina Jabłońska und die Frau im Einweckglas: Farben für Angst und Wut

03.02.2024

1983 gründete Dix’ Witwe Martha in Vaduz, Liechtenstein, die Otto-Dix-Stiftung. Diese Instanz überlässt der vereinten Akademie der Künste nun den schriftlichen Nachlass, biografische Unterlagen und Fotos des Malers, so auch jene Korrespondenzen, die sich vor allem mit Archiven von Dix’ Weggefährten wie George Grosz, John Heartfield und Paul Westheim aus den 1920er-Jahren beredt ergänzen.

AdK, Eröffnung des Dix-Archivs, Pariser Platz 4, am 7. Februar, 19.30 Uhr. Max Moor liest aus Briefen und Dokumenten, anschließend Podiumsgespräch. Eintritt frei.

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03.02.2024

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QOSHE - Akademie der Künste eröffnet Otto-Dix-Archiv - Ingeborg Ruthe
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Akademie der Künste eröffnet Otto-Dix-Archiv

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05.02.2024

Otto Dix (1891–1969) hatte ein zutiefst menschliches wie künstlerisches Anliegen, als er entschied, sich 1955 in die Akademie der Künste West und bald darauf auch in die AdK Ost aufnehmen zu lassen. Das klingt, vor dem Hintergrund des aufkommenden Kalten Krieges, nach kühner Grenzgängerei. Und nach der Sehnsucht, zu vermitteln, zu befrieden.

Der aus dem thüringischen Gera Untermhaus stammende, 1933 von den Nazis aus dem Professorenamt an der Dresdner Kunsthochschule gejagte Expressionist und geniale Verist der neusachlichen Malerei hatte tatsächlich das Anliegen, den Spagat zu wagen, zu........

© Berliner Zeitung


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