Schmeckt wie bei Großmutter – das ist heutzutage mehr ein Werbeslogan als Realität, denn viele Großmütter sind heute flott unterwegs, speisen in angesagten Restaurants oder besuchen ihre Enkel während des Erasmus-Austauschsemesters in Mailand oder Barcelona. Das ist natürlich stark verallgemeinert, aber sicherlich sind Frauen jenseits der 60 heute keine „Omis“ mehr.

Das Bild, welches man mit „Schmeckt wie bei Großmutter“ zeichnet, ist ein anderes, erinnert es doch mehr an das Klischee einer liebenswerten Matrone in Kittelschürze, die noch ganz brav, gemäß dem altmodisch-konservativen Narrativ der Hausfrau, am heimischen Herd steht und sich um das leibliche Wohl der Familie kümmert. Alles wird selber gemacht, pure Handarbeit, viel Mühe und Liebe, und es schmeckt so unverschämt gut, wie es eben nur bei „Omi“ schmecken kann.

Die Rezepte wurde früher alle feinsäuberlich in einem Büchlein notiert und wie ein Schatz im Küchenschrank aufbewahrt. Heute liegen diese Notizen leider oft nur noch rum oder sind im schlimmsten Fall im Müll gelandet, man hat ja doch nicht reingeschaut, da fielen sie dem Frühjahrsputz zum Opfer. Und das ist ein Jammer, denn die Tausenden Rezeptbücher, verstreut übers ganze Land, sind quasi eine Bibliothek, die einen großen Teil unseres kulinarischen Erbes enthält.

•gestern

23.11.2023

gestern

Heutzutage schaut man kurz aufs Handy, sucht einfach sein Wunschrezept, und nachdem man sich zwei, drei Rezepte durchgelesen hat, ist die Entscheidung gefallen. Es ist ganz einfach geworden, im Grunde schleppt man ständig ein globales Kochbuch mit sich rum, einfach in der Hosentasche.

Und überhaupt, wer findet denn noch Zeit, um so richtig zu kochen und zu backen. Zeit ist für den Großstädter ein rares Gut, und auch das Angebot von Convenience-Produkten ist zu verlockend, um nicht regelmäßig zuzugreifen. Stück für Stück gewöhnt man sich dann an den faden Einheitsgeschmack der Industrieprodukte.

In der Vorweihnachtszeit sieht es allerdings noch etwas anders aus, da wird in Deutschland tatsächlich noch fleißig gebacken, und wie ich nun selber wieder einmal erfahren durfte, gibt es eine eingeschworene Gruppe von passionierten Weihnachtskeksbäckern, die tatsächlich noch alte Rezepte nutzen, um Stollen, Vanillekipferl, Bethmännchen und Lebkuchen zu backen.

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22.11.2023

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Und ganz anders als langweilige Industrieprodukte schmecken diese artisanalen Gebäcke ganz vorzüglich nach allerbesten Zutaten, Handwerk, Erfahrung und viel Hingabe. Gerade zuletzt habe ich ein ganz besonderes Rezeptbuch gesehen, die Eigentümerin hat die Rezepte sortiert und alle Seiten professionell binden lassen – alles eingeschlagen in schönes Leder. Die ältesten Rezepte sind noch in altdeutscher Handschrift geschrieben.

Gebacken wird nach diesen Rezepten, so die aktuelle Besitzerin, schon immer. So also auch dieses Jahr. Nach knapp zwei Stunden war es dann soweit, und nach der ersten Kostprobe habe ich verstanden, wieso: Es schmeckt eben wie bei Omi, meine hat zwar nie gebacken, aber eben wie bei dieser Fantasie-Omi, die sich jeder vorstellt, wenn er diesen fast abgedroschenen Slogan liest.

Bei uns gab es Nussecken, und die gehen so:

Zutaten für den Boden: 300 g Mehl, 1 TL Backpulver, 130 g Rohrzucker, 2 Päckchen Vanillezucker, 2 Eier, 130 g kalte Butter, ca. 150 g Aprikosenmarmelade.

Alle Zutaten bis auf die Marmelade zu einem Teig verkneten und dann gleichmäßig auf einem Backpapier (32 cm mal 24 cm) ausrollen. Auf das Backblech geben und dann mit der Marmelade bestreichen.

Zutaten für den Belag: 200 g Butter, 200 g Rohrzucker, 2 Päckchen Vanillezucker, 200 g Haselnussgries, 200 g gehackte Haselnüsse, 3–4 EL warmes Wasser.

Zubereitung: Alles miteinander verrühren und dann auf den Boden mit der Marmelade gleichmäßig aufstreichen. Das Blech nun bei 175 Grad in den vorgeheizten Ofen geben und für 25 bis 30 Minuten, je nachdem wie hell oder dunkel Sie es mögen, backen. Auskühlen lassen und anschließend in Nussecken schneiden. Guten Appetit!

Felix Hanika war Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in einigen der besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.

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Weihnachtsbäckerei: In allen drei Nussecken soll Liebe drin stecken

7 0
25.11.2023

Schmeckt wie bei Großmutter – das ist heutzutage mehr ein Werbeslogan als Realität, denn viele Großmütter sind heute flott unterwegs, speisen in angesagten Restaurants oder besuchen ihre Enkel während des Erasmus-Austauschsemesters in Mailand oder Barcelona. Das ist natürlich stark verallgemeinert, aber sicherlich sind Frauen jenseits der 60 heute keine „Omis“ mehr.

Das Bild, welches man mit „Schmeckt wie bei Großmutter“ zeichnet, ist ein anderes, erinnert es doch mehr an das Klischee einer liebenswerten Matrone in Kittelschürze, die noch ganz brav, gemäß dem altmodisch-konservativen Narrativ der Hausfrau, am heimischen Herd steht und sich um das leibliche Wohl der Familie kümmert. Alles wird selber gemacht, pure Handarbeit, viel Mühe und Liebe, und es schmeckt so unverschämt gut, wie es eben nur bei „Omi“ schmecken kann.

Die Rezepte wurde früher alle feinsäuberlich in einem Büchlein notiert und wie ein Schatz im Küchenschrank aufbewahrt. Heute liegen diese Notizen leider oft nur noch rum oder sind im schlimmsten Fall im Müll gelandet, man hat ja doch nicht reingeschaut, da fielen sie dem Frühjahrsputz zum Opfer.........

© Berliner Zeitung


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