Haben Sie es auch schon gehört? Ich will es gar nicht wahrhaben! Penicillium camemberti ist vom Aussterben bedroht. Was – das sagt Ihnen nichts? Na dann, aufgepasst, Käseliebhaberinnen und -liebhaber müssen nun ganz stark sein: Penicillium camemberti ist der feine Schimmelpilz, der für die Herstellung von Camembert und Brie sowie Langres und Coulommiers verwendet wird.

Laut dem französischen Forschungsinstitut Centre national de la recherche scientifique (CNRS) droht ihm und somit auch den beliebten Käsesorten der Garaus, denn durch die intensive Zucht des Pilzstammes wurde die genetische Vielfalt dermaßen stark reduziert, dass er allmählich die Fähigkeit verloren hat, sich zu reproduzieren. Mittlerweile hat man erkannt, dass die Reduzierung der genetischen Vielfalt nicht nachhaltig ist.

Hört, hört, das kommt einem doch bekannt vor, oder nicht? Diversität ist also gut und wichtig, wie schön, das jetzt noch mal zu lesen, auch wenn es in diesem Fall nur um Käse geht. Aber vielleicht verstehen es jetzt auch jene Menschen besser, die für Vielfalt sonst wenig übrig haben, schließlich geht es nun womöglich um ihre Leibspeise.

06.03.2024

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Tatsächlich ist laut einer Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag des Milchindustrie-Verbandes (MIV) der Camembert der Deutschen zweitliebster Käse: 23 Prozent gaben ihn als absoluten Favoriten an; besser kommt nur noch der Gouda mit satten 43 Prozent weg. Wie aber konnte es nun dazu kommen, dass der Zweitplatzierte so bedroht ist?

Der aus Rohmilchkäse hergestellte Camembert wird bei der Produktion mit dem Pilz geimpft, wodurch sich sein besonderes Aromaprofil entwickelt. Der genießbare Edelschimmel, der dabei entsteht, war ursprünglich orange, grünlich oder blau-gräulich. Aus Sicht industrieller Lebensmitteltechniker nicht besonders attraktiv, also begann man gezielt damit, Pilzstämme zu züchten, die gewissen optischen und sensorischen Spezifikationen entsprechen – die also keine „verwirrenden Farben“ haben und hygienisch sowie toxikologisch unproblematisch sind.

Das klingt brav und langweilig, und wie wir nun gelernt haben, ist es auch noch nicht mal nachhaltig – na bravo, schönen Dank auch! Hier könnte man viele Parallelen ziehen zu aktuellen Vorgängen in Politik und Gesellschaft, gerade was Natur und Landwirtschaft angeht. Aber bleiben wir mal beim Camembert, denn die Tragödie hat noch gewaltige Ausmaße.

Der „Camembert de Normandie AOP“ ist nämlich wie das Baguette ein nationales Kulturgut in Frankreich, den Verlust könnte die Republik nur schwer verkraften, besonders die Region Normandie würde ein umsatzstarkes Erzeugnis verlieren. Zum Glück gibt es aber Hoffnung, denn einige wenige artisanale Betriebe haben ohne Unterbrechung traditionell produziert, so wie es die Menschen in der Region der Legende nach einst von dem Abt Charles-Jean Bonvoust gelernt hatten.

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29.02.2024

Dieser war während der Französischen Revolution vor den Republikanern geflüchtet und fand Unterschlupf bei der Bäuerin Marie Harel, welcher er zum Dank das Geheimnis der Brie-Produktion verriet. Der Käse hat seinen Ursprung im gleichnamigen Departement und seine Existenz ist seit dem 13. Jahrhundert belegt. Seine 700-jährige Historie ist recht spannend, sprengt aber hier den Rahmen, lesen Sie doch mal ein bisschen im Internet darüber.

Es wäre jedenfalls ein Jammer, wenn wir diese wunderbaren Käse verlieren würden und seine Geschichte in Vergessenheit geriete, nur wegen des sinnlosen Regulierungswahns übereifriger Lebensmitteltechniker und Europabeamter. Greifen Sie also zu, solange Sie noch können – am besten bei den handwerklich einwandfreien Camemberts und Bries. Dazu dann aber bitte ein ebenso gutes Brot, ein paar krumme Gurken und runzelige Radieschen. Was Sie sonst noch mit einem dieser Käse machen können, lesen Sie hier:

Zutaten: ein kleiner Camembert oder ein Stück Brie (circa 250 Gramm), eine kleine Schalotte, drei Esslöffel geräucherte Speckwürfel, eine Handvoll Weintrauben, zwei Esslöffel fein geschnittener Schnittlauch, 50 Milliliter Weißwein (am besten Riesling), eine Knoblauchzehe, Pflanzenöl (Traubenkernöl wäre ideal, aber jedes andere Pflanzenöl geht auch), Salz und Pfeffer

Zubereitung: Den Ofen auf 200 Grad vorheizen. Den Käse im Stück in eine leicht gefettete Auflaufform geben. Die Schalotte in kleine Würfel schneiden und sie dann mit den Speckwürfeln und Weintrauben mischen. Die Mischung um den Käse in der Form arrangieren und den Weißwein zugießen. Nun für circa 20 Minuten in den Ofen geben. In dieser Zeit aus der einen Hälfte der Knoblauchzehe und dem Öl ein feines Knoblauchöl machen, also die halbe Zehe fein würfeln oder zu einer Paste verarbeiten und mit dem Öl mischen.

Den Schnittlauch in feine, dünne Röllchen schneiden. Als Beilage Brot rösten und mit der anderen Hälfte der Knoblauchzehe einreiben, außerdem etwas Butter und Salz darauf geben. Den Käse, wenn er fertig gebacken ist, salzen und pfeffern, etwas von dem Knoblauchöl hinzugeben und mit dem Schnittlauch garnieren. Lang lebe der Schimmelpilz!

QOSHE - Achtung, der Camembert stirbt aus! Unser Lieblingsrezept – solange es ihn noch gibt - Felix Hanika
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Achtung, der Camembert stirbt aus! Unser Lieblingsrezept – solange es ihn noch gibt

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08.03.2024

Haben Sie es auch schon gehört? Ich will es gar nicht wahrhaben! Penicillium camemberti ist vom Aussterben bedroht. Was – das sagt Ihnen nichts? Na dann, aufgepasst, Käseliebhaberinnen und -liebhaber müssen nun ganz stark sein: Penicillium camemberti ist der feine Schimmelpilz, der für die Herstellung von Camembert und Brie sowie Langres und Coulommiers verwendet wird.

Laut dem französischen Forschungsinstitut Centre national de la recherche scientifique (CNRS) droht ihm und somit auch den beliebten Käsesorten der Garaus, denn durch die intensive Zucht des Pilzstammes wurde die genetische Vielfalt dermaßen stark reduziert, dass er allmählich die Fähigkeit verloren hat, sich zu reproduzieren. Mittlerweile hat man erkannt, dass die Reduzierung der genetischen Vielfalt nicht nachhaltig ist.

Hört, hört, das kommt einem doch bekannt vor, oder nicht? Diversität ist also gut und wichtig, wie schön, das jetzt noch mal zu lesen, auch wenn es in diesem Fall nur um Käse geht. Aber vielleicht verstehen es jetzt auch jene Menschen besser, die für Vielfalt sonst wenig übrig haben, schließlich geht es nun womöglich um ihre Leibspeise.

06.03.2024

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