Bernd, 56: Mein Freund und ich sind jeweils bei Freunden zu Silvester eingeladen. Also auf der einen Seite laden seine Freunde ein, auf der anderen meine. Seine sind sturzlangweilig, bei meinen wird Scharade gespielt. Ich kann mir nichts Lustigeres vorstellen! Er hasst Scharade. Wir lieben uns trotzdem. Am liebsten würde ich ihm vorschlagen, dass wir getrennt feiern. Meine Güte, wir sind seit fast 30 Jahren zusammen, da müssen wir uns an Silvester um Mitternacht nicht unbedingt Küsschen geben. Kann ich mich trauen, es vorzuschlagen?

Lieber Bernd, spontan würde ich sagen: „Laden Sie doch alle Ihre Freunde einfach zu sich nach Hause zum Feiern ein.“ Mal sehen, wie sich die Silvester-Party dann entwickelt. Spaß beiseite! Es ist eine gute und wichtige Frage: Was kann man seinem Partner zutrauen? Was will man von sich preisgeben? Werde ich beschämt? Wird mein Partner eine Seite von mir sehen müssen, die ich besser bedeckt halte? Eine, die er nicht aushalten kann? Liebe ist eben ein gefährliches Pflaster, gleichzeitig aber auch der schönste Ort der Welt. Oft sind es nur kleine Bewegungen hin oder weg, die doch erstaunlich schwerfallen.

Vor zwei Tagen saßen meine Frau und ich vor dem Fernseher, sie guckt gerne „The Marvelous Mrs. Maisel“ – ich eher französische Krimis, am besten mit Originalton. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck von meiner Frau entsteht: Sie spricht quasi fließend Französisch, ich bin es, der hier noch lernt. Jetzt haben wir auf mein Bestreben hin einen – wie ich zugeben muss: mäßigen – französischen Krimi geschaut. Zwischendrin dachte ich: „Oh, das gefällt ihr bestimmt nicht. Die macht das nur für mich“. Das war mir etwas peinlich. Gestern habe ich sie dann gefragt, wie das für sie war. „Ach,“ sagte sie, „war schon ok. Ich weiß doch, was du so für Filme magst.“ Sie war nicht begeistert, hat sich aber auch nicht gequält. Die Antwort entsprach bei Lichte ziemlich genau dem, was ich erwarten würde. Aber am Tag davor, vor dem Fernseher im Dunklen, war ich mir da nicht so sicher gewesen.

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Was würde Ihr Partner wohl Neues von Ihnen sehen oder ertragen müssen, wenn Sie diesen Vorschlag machen, was er in den 30 gemeinsamen Jahren davor nicht schon bemerkt hat? Und wie ist es Ihnen bisher gelungen, dies vermutlich Unangenehme vor ihm zu verbergen? Es sind nur kleine Bewegungen hin oder weg. Vermutlich werden Sie es besprechen können. Vielleicht ist er sogar ganz froh, dass Sie es ansprechen. Er hatte womöglich auch schon dran gedacht, sich aber nicht getraut zu fragen. Frohes Fest!

Haben Sie Fragen an den Paartherapeuten? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de

QOSHE - Paartherapie: „Dürfen wir Silvester getrennt feiern oder geht das gar nicht?“ - Fabian Lenné
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Paartherapie: „Dürfen wir Silvester getrennt feiern oder geht das gar nicht?“

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30.12.2023

Bernd, 56: Mein Freund und ich sind jeweils bei Freunden zu Silvester eingeladen. Also auf der einen Seite laden seine Freunde ein, auf der anderen meine. Seine sind sturzlangweilig, bei meinen wird Scharade gespielt. Ich kann mir nichts Lustigeres vorstellen! Er hasst Scharade. Wir lieben uns trotzdem. Am liebsten würde ich ihm vorschlagen, dass wir getrennt feiern. Meine Güte, wir sind seit fast 30 Jahren zusammen, da müssen wir uns an Silvester um Mitternacht nicht unbedingt Küsschen geben. Kann ich mich trauen, es vorzuschlagen?

Lieber Bernd, spontan würde ich sagen: „Laden Sie doch alle Ihre Freunde einfach zu sich nach Hause zum Feiern ein.“ Mal sehen, wie sich die Silvester-Party dann entwickelt. Spaß........

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