Das Haushaltswunder von Berlin, die beinahe schon märchenhafte Auffindung von 1,2 Milliarden Euro quasi überflüssig eingestellten Geldes in die bisherigen Entwürfe, hat ein Nachspiel. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP)nimmt der schwarz-roten Koalition nicht ab, dass die vorgesehenen Kürzungen „niemand bemerken“ würde. Im Gegenteil: Die Gewerkschaft sieht die Innere Sicherheit massiv gefährdet. Der Senat ist unter Erklärungsdruck.

Aktiv muss nach Beschluss der Koalition jede Senatsverwaltung zwei Prozent ihres bisher vorgesehenen Budgets weniger ausgeben. Der Streit darum hat längst begonnen. Im Anschluss an die Senatssitzung am Dienstag versuchte Innensenatorin Iris Spranger, die Bedenken zu zerstreuen. Das gelang – man muss es so sagen – allenfalls teilweise.

Die SPD-Politikerin beharrte darauf, dass es „keinerlei Einsparung von Personalstellen“ geben werde. Im nächsten Atemzug aber sagte Spranger: Ihr Haus, die Innen- und Sportverwaltung wird nach ihren Worten 62 Millionen Euro einsparen müssen. Dabei, so die Herrin über Landespolizei und Feuerwehr, „haben wir eine Sicherheitslage, die sich jeden Tag verändern kann“. Und schließlich sei auch der Zivil- und Katastrophenschutz sehr wichtig. Sprangers Fazit: „Es wird schwer werden.“

Bei der Gelegenheit stellte CDU-Politiker Stefan Evers noch einmal dar, wie er als Finanzsenator die Einigung der Koalition einschätzt. Evers sprach von einer „haushaltspolitische Zeitenwende“ und erinnerte daran, dass das Ausgabenniveau der Berliner Haushalte seit 2019 „förmlich explodiert“ sei.

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Senat entdeckt „Fake-Rechnungen“: Was das für den Berliner Haushalt bedeutet

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Schuld war und ist eine nicht endende Kette von Krisen: Corona, Hunderttausende ukrainische Flüchtlinge, Energieunsicherheiten. Überall wurde Geld für Soforthilfen gegeben oder für noch schlechtere Zeiten als Notlage zurückgelegt. Seitdem bewegten sich alle Haushalte beständig am Limit. Zur Erinnerung: Dieser „Sparhaushalt“, wie ihn viele nennen, hat mit 40 Milliarden Euro das höchste Volumen aller Berliner Etats aller Zeiten.

Mit diesem scheinbar naturgegebenen Wachstum soll es nach dem Willen von Schwarz-Rot nun vorbei sein. Nicht nur werden die zum Teil dann doch nie benötigten Rücklagen aufgelöst und Vorsorgen aufgebraucht. Der aktuelle Haushalt sei nach Evers „eine echte Gestaltungsaufgabe“. Gefordert sei Haushaltsdisziplin und diese bedürfe einer „neue Mentalität“. Denn: „Die Zahlen sind, wie sie sind.“ Dennoch sei es gut, dass die Senatsverwaltungen jetzt eine sehr klare Vorgabe haben, so Evers.

Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass viele Senatorinnen und Senatoren diese Aufgabe weniger positiv sehen und sich eher à la Kollegin Spranger äußern werden: „Es wird schwer werden.“ Wer gibt schon gerne weniger Geld aus als geplant – und das ohne zu klagen?

Die Gewerkschaft der Polizei gehört jedenfalls ganz offenbar nicht dazu. Die Kürzungen seien sind nicht einmal im Ansatz machbar. Und: „Das wäre das Todesurteil für die Innere Sicherheit“, wie GdP-Landeschef Stephan Weh in einer Pressemitteilung schreibt.

Das sind nun wirklich starke Worte, aber der Gewerkschafter geht noch weiter. „Jeder weiß, dass CDU und SPD in erster Linie für Innere Sicherheit gewählt wurden“, schreibt er. Man brauche Investitionen statt Einsparungen, um die vielen Probleme in Sachen Personal, Ausstattung und technische Infrastruktur zu lösen. Hier gebe es „null Spielraum“.

„Die Vorschläge der Koalition zur Auflösung der #PMA sind weder seriös noch nachhaltig. Erneut nimmt die Koalition keine Prioritätensetzung vor. Damit wird die Verunsicherung der sozialen u kulturellen Trägerlandschaft fortgesetzt." https://t.co/SSq6lxSVRB #haushaltspolitik pic.twitter.com/wx60mNBbPd

Was ein Gewerkschafter kann, kann die politische Opposition freilich schon lange. Anne Helm und Carsten Schatz, die Fraktionsspitze der Linke im Abgeordnetenhaus, hält die Vorschläge der Koalition für „weder seriös noch nachhaltig“. Erneut nehme Schwarz-Rot keine politische Prioritätensetzung vor. Damit werde die Verunsicherung der sozialen und kulturellen Trägerlandschaft fortgesetzt. Damit richteten CDU und SPD nachhaltigen Schaden an, so die Linke-Politiker. „Mit ihrem Plan, Stellen, die nicht besetzt sind, dauerhaft aus dem Stellenplan zu streichen, wird die Koalition die Not da verstetigen, wo sie ohnehin schon am größten ist“, schreiben Helm und Schatz.

Auch ihre Grünen-Kollegen Bettina Jarasch und Werner Graf ziehen ein vernichtendes Fazit: „Nach einem Jahr Schwarz-Rot steht Berlin finanziell so schlecht und schutzlos gegen mögliche Krisen da, wie seit dem Bankenskandal vor 20 Jahren nicht mehr. So regiert man keine Stadt.“

Sozialpolitisch wird der Senat den Berliner Herausforderungen nicht gerecht.

Er schafft es mit den vorliegenden Beschlüssen zum #Haushalt erneut nicht für Klarheit zu sorgen. Das sorgt für eine weitere Verunsicherung der Beschäftigten, insbesondere bei #SozialenTrägern.#PMA pic.twitter.com/IOwdrCI90n

Den letzten Satz würde womöglich möglich auch Lars F. Lindemann unterschreiben. Wenn der Generalsekretär der außerparlamentarischen FDP über den Zustand von Berliner Polizei und Feuerwehr spricht, klingt er erstaunlicherweise fast wie der Polizei-Gewerkschafter Weh. „Ein Sanierungsstau von über 2,5 Milliarden Euro ist beschämend für die Hauptstadt. Anstatt hier endlich tätig zu werden und für Verbesserungen zu sorgen, verpulvert Rot-Schwarz Steuergelder für das 29-Euro-Ticket oder die Rekommunalisierung der Fernwärme sowie der Gasag.“ Lindemann sieht unter Schwarz-Rot „realitätsfremde Politik“, genauso wie unter Rot-Grün-Rot. Kurz: „Eine Schande für die Hauptstadt.“

Das Festhalten am Billig-Ticket für Bus und Bahn nimmt auch IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder aufs Korn. „Aus Sicht der Wirtschaft ist mehr Disziplin und ein klares Bekenntnis zu Investitionen erforderlich“, schreibt er. „Stattdessen hält Berlin an teuren Geschenken wie dem 29-Euro-Ticket fest.“ Das sei fatal, so Eder, schließlich sei es jetzt schon sicher, dass sich die Haushaltslage in den kommenden Jahren weiter verschärfen werde, da diesmal alle noch vorhandenen Rücklagen derzeit aufgebraucht werden. Die Wirtschaft brauche aber verlässliche Rahmenbedingungen und fordere daher von der Berliner Politik „eine längerfristige Prioritätensetzung, bei der investive Ausgaben klare Vorfahrt haben“, so Eder.

QOSHE - Polizeigewerkschaft: Der Berliner Senat „gefährdet die Innere Sicherheit“ - Elmar Schütze
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Polizeigewerkschaft: Der Berliner Senat „gefährdet die Innere Sicherheit“

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16.04.2024

Das Haushaltswunder von Berlin, die beinahe schon märchenhafte Auffindung von 1,2 Milliarden Euro quasi überflüssig eingestellten Geldes in die bisherigen Entwürfe, hat ein Nachspiel. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP)nimmt der schwarz-roten Koalition nicht ab, dass die vorgesehenen Kürzungen „niemand bemerken“ würde. Im Gegenteil: Die Gewerkschaft sieht die Innere Sicherheit massiv gefährdet. Der Senat ist unter Erklärungsdruck.

Aktiv muss nach Beschluss der Koalition jede Senatsverwaltung zwei Prozent ihres bisher vorgesehenen Budgets weniger ausgeben. Der Streit darum hat längst begonnen. Im Anschluss an die Senatssitzung am Dienstag versuchte Innensenatorin Iris Spranger, die Bedenken zu zerstreuen. Das gelang – man muss es so sagen – allenfalls teilweise.

Die SPD-Politikerin beharrte darauf, dass es „keinerlei Einsparung von Personalstellen“ geben werde. Im nächsten Atemzug aber sagte Spranger: Ihr Haus, die Innen- und Sportverwaltung wird nach ihren Worten 62 Millionen Euro einsparen müssen. Dabei, so die Herrin über Landespolizei und Feuerwehr, „haben wir eine Sicherheitslage, die sich jeden Tag verändern kann“. Und schließlich sei auch der Zivil- und Katastrophenschutz sehr wichtig. Sprangers Fazit: „Es wird schwer werden.“

Bei der Gelegenheit stellte CDU-Politiker Stefan Evers noch einmal dar, wie er als Finanzsenator die Einigung der Koalition einschätzt. Evers sprach von einer „haushaltspolitische Zeitenwende“ und erinnerte daran, dass das Ausgabenniveau der Berliner Haushalte seit 2019 „förmlich explodiert“ sei.

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