Freitagfrüh an einer Straßenecke in Wedding: „Free, free Palastine!“, ruft ein einzelner Mann von einer Straßenseite. „From Hamas!“, schallt es von der anderen Straßenseite zurück, wo sich zwei Dutzend pro-israelische Demonstranten versammelt haben. Eine halbe Minute lang geht das so, dann ist es wieder still.

Anlass für dieses ritualisierte Wortduell, das sich so oder ähnlich immer wieder an unterschiedlichen Stellen Berlin abspielt, war der Auftakt des lang angekündigten Palästina-Kongresses, der an diesem Wochenende in Berlin stattfinden soll. Dabei sind Reden, Videobotschaften, Seminare und Workshops zum aktuellen Nahost-Konflikt angekündigt.

Freilich wird der Konflikt, der mit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober eskaliert ist, dabei nur aus dem Blickwinkel der Palästinenser betrachtet. Eine nach eigener Darstellung „Gruppe palästinensischer, jüdischer, deutscher und internationaler Aktivist:innen“ halte den Kongress ab. Mit dem Ziel: „Gemeinsam werden wir die deutsche Bundesregierung öffentlichkeitswirksam der Beihilfe zum Genozid in Gaza anklagen.“ Dazu solle es Beiträge von zahlreichen umstrittenen Politikern, Wissenschaftlern und Autoren geben, die seit Jahren einseitig Position gegen Israel beziehen. Hierzulande wohl der bekannteste ist der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Von ihm soll eine Videobotschaft zu sehen sein.

„Palästina-Kongress“ in Berlin: Parteien planen Proteste

gestern

„Unerträglich“: Kritik an „Palästina-Kongress“ in Berlin

vor 1 Std.

Weil die Veranstaltung ob ihres teils unverhohlenen Antisemitismus seit Wochen in der Kritik steht, entschieden sich die Organisatoren für ein Versteckspiel. So luden sie für Freitagmorgen zu einer Pressekonferenz in ein Ladenlokal in Wedding ein, um dort bekannt zu geben, wo der Kongress tatsächlich stattfinden soll: in einem Veranstaltungszentrum in einem Gewerbegebiet an der Germaniastraße in Tempelhof. Wegen der repressiven Entwicklungen gebe es nur begrenzte Kapazitäten, haben die Veranstalter mitgeteilt, die die „Hetze seitens Rassisten und Genozid-Befürwortern“ kritisierten.

Die Stimmung vor dem Zentrum ist am frühen Nachmittag aufgeheizt. Nach Angaben der Polizei stehen dort etwa 250 Menschen. Die Polizei wertet dies inzwischen als Versammlung. Die Öffentlichkeit wurde zum Teil ausgeschlossen. Nur handverlesene „israelkritische“ Journalisten werden eingelassen. Einer der Organisatoren begründet: „Alle Journalisten, die keinen Zugang erhalten, wissen warum: Weil sie Hetzer, weil sie Verleumder sind.“ Begleitet wird er von Sprechchören: „Shame on you!“ Viele der Teilnehmer vor dem Veranstaltungszentrum tragen Palästinensertücher. Sie rufen „Deutschland finanziert – Israel bombardiert.“

•gestern

•vor 4 Min.

10.04.2024

Polizei bewertet Ansammlung vor dem #PalästinaKongress als Versammlung. Ca. 250 Menschen sind hier. @berlinerzeitung pic.twitter.com/ZX8l7X6CCU

Die Polizei begleitet die Veranstaltung mit einem Großaufgebot. Allein am Freitag sollen rund 900 Einsatzkräfte eingesetzt werden, sagte eine Sprecherin. Bis Sonntag seien insgesamt rund 2300 Polizisten eingeplant.

Ein winziger Teil der Ordnungskräfte war an diesem Morgen in Wedding aufgefahren. Dort trennten sie die einsamen „Free Palastine“-Rufer von den pro-israelischen Aktivisten und unter anderem dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Dirk Stettner. Der Politiker hatte dafür gesorgt, dass Helfer Stunden zuvor an unterschiedlichen Stellen der Stadt Slogans mit Sprühkreide auf den Asphalt gebracht haben: „Berlin ist keine Bühne für Hass“ oder „Nein zum Antisemitismus“ war zu lesen. Außerdem fuhr die CDU-Fraktion mit einem Videowagen durch die Gegend, auf dem ähnliche Parolen erschienen.

Stettner bezeichnet den „Palästina-Kongress“ als eine „Schande“. Schon die Auswahl der Referenten, von denen viele die palästinensische Gewalt verherrlichten, sage alles über diesen Kongress aus. Natürlich sei es richtig und notwendig über humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Gaza-Streifen zu sprechen, auch über einen Waffenstillstand und natürlich die Freilassung der israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas. „Aber all das hat nichts mit diesem Kongress zu tun“, sagt Stettner. Hier werde nur Hass gegen Israel geschürt. Und das sei inakzeptabel. Die „demokratische Mitte“ dürfe die Debatte nicht den Extremisten überlassen, so Stettner.

Auch Stettners Parteifreund, Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, kritisierte den sogenannten Palästina-Kongress. „Es ist unerträglich, dass ein sogenannter Palästina-Kongress in Berlin stattfinden wird“, sagte der CDU-Politiker. „Wir dulden in Berlin keinen Antisemitismus, Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden. Deshalb wird die Berliner Polizei konsequent durchgreifen, sollte es bei diesem Treffen zu antisemitischen Äußerungen oder Straftaten kommen.“

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„Es ist schlimm genug, dass Extremisten dieser Welt in unsere Metropole kommen, um sich hier an einen Tisch zu setzen und gegen Israel zu hetzen“, sagt am Freitag der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Stephan Weh. „Schlimm ist es aber auch, dass wir mit unserer aktuellen Gesetzeslage sie praktisch dazu einladen. Sie nutzen die Lücken des Versammlungsfreiheitsgesetzes und die Tatsache, dass es nach wie vor an einem Veranstaltungssicherheitsgesetz fehlt.“ Hier müsse die Landesregierung umgehend nachjustieren. Es brauche Regelungen, die nicht nur die Polizei zur Deeskalation zwingen, sondern auch den Veranstalter, der als Ansprechpartner vorab mit den Behörden kommunizieren müsse.

In Berlin gibt es nicht nur den umstrittenen „Palästina-Kongress“. Nach Angaben eines Polizeisprechers ist für Sonnabendnachmittag eine Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit Palästina“ angemeldet. Sie soll am Oranienplatz in Kreuzberg stattfinden. Angemeldet sind 1000 Teilnehmer.

QOSHE - Palästina-Kongress in Berlin: Auftakt mit Geschrei - Elmar Schütze
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Palästina-Kongress in Berlin: Auftakt mit Geschrei

19 0
12.04.2024

Freitagfrüh an einer Straßenecke in Wedding: „Free, free Palastine!“, ruft ein einzelner Mann von einer Straßenseite. „From Hamas!“, schallt es von der anderen Straßenseite zurück, wo sich zwei Dutzend pro-israelische Demonstranten versammelt haben. Eine halbe Minute lang geht das so, dann ist es wieder still.

Anlass für dieses ritualisierte Wortduell, das sich so oder ähnlich immer wieder an unterschiedlichen Stellen Berlin abspielt, war der Auftakt des lang angekündigten Palästina-Kongresses, der an diesem Wochenende in Berlin stattfinden soll. Dabei sind Reden, Videobotschaften, Seminare und Workshops zum aktuellen Nahost-Konflikt angekündigt.

Freilich wird der Konflikt, der mit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober eskaliert ist, dabei nur aus dem Blickwinkel der Palästinenser betrachtet. Eine nach eigener Darstellung „Gruppe palästinensischer, jüdischer, deutscher und internationaler Aktivist:innen“ halte den Kongress ab. Mit dem Ziel: „Gemeinsam werden wir die deutsche Bundesregierung öffentlichkeitswirksam der Beihilfe zum Genozid in Gaza anklagen.“ Dazu solle es Beiträge von zahlreichen umstrittenen Politikern, Wissenschaftlern und Autoren geben, die seit Jahren einseitig Position gegen Israel beziehen. Hierzulande wohl der bekannteste ist der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Von ihm soll eine Videobotschaft zu sehen sein.

„Palästina-Kongress“ in Berlin: Parteien planen........

© Berliner Zeitung


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