In Dahlem wird es trotz des November-Nieselregens langsam weihnachtlich. Vor den Blumenläden liegen Tannenzweige in Kisten parat; rund um den Botanischen Garten glitzern bereits die ersten Weihnachtslichter auf der Straße. Und auch in der Mensa der Freien Universität wird die fröhliche Stimmung immer präsenter.

Neben der Essensrückgabe steht Tobias Groß, er trägt eine leuchtend rote Nikolausmütze und eine passende Jacke. „Habt ihr Lust auf den bestbezahlten Nebenjob der Welt?“, fragt er immer wieder die Studenten, die mit neugierigen Blicken an ihm vorbeigehen.

Schon seit 2011 verbringt der 31-Jährige seinen Heiligabend auf die immer gleiche Weise: In der Rolle des Weihnachtsmannes besucht er Familien in ganz Berlin in ihren Wohnungen, um Geschenke zu verteilen und für eine fröhliche Stimmung zu sorgen. Dieser Job ist seit Jahrzehnten ein ganz sicherer Geldbringer für Studenten. Und so hat es auch bei Tobias Groß angefangen.

„Ich war damals vor meinem ersten Auftritt so aufgeregt“, sagt er. „Diese erste Familie werde ich nie vergessen – wie ich vor ihrer Haustür mit einem Puls von 200 stand.“ Doch dann öffnete sich die Tür und es gab kein Zurück mehr. „Du siehst, wie die Kinder freudestrahlend und begeistert auf dich warten“, sagt er. „Es freut einen einfach sehr, so was vermitteln zu können.“

•gestern

15.11.2023

gestern

Weihnachtsmann in Berlin buchen: Das sind die Preise, Fristen und Bedingungen

15.11.2023

Saisonstart: Der Weihnachtsmann hat am Dienstag seine Arbeit begonnen

14.11.2023

Seit 2018 ist Tobias Groß nun einer der beiden Geschäftsführer von Weihnachtsmann2Go, ein Vermittlungsdienst von Weihnachtsmännern – und eben auch Weihnachtsfrauen und -engeln – für Bescherungen. Die Gage pro Auftritt, die die Familien in ihren Wohnungen an die Darsteller zahlt, liegt normalerweise zwischen 50 und 80 Euro.

Im vergangenen Jahr habe Weihnachtsmann2Go etwa 200 Darsteller für Bescherungen in der ganzen Stadt vermittelt, sagt Groß. Mitte November sei die „heißeste Phase“, wenn es um die eingehenden Buchungen für Heiligabend geht. Deshalb steht er in der Mensa der FU mit Alina Sanden, die ihn mit dieser Rekrutierungskampagne unterstützt und als Weihnachtsfrau verkleidet ist. Sie werben um neue Darsteller unter den Studierenden.

Der Ablauf der Bescherung sei immer ganz ähnlich, sagt Tobias Groß. Die Eltern legen im Voraus die Geschenke in einen Sack, den sie vor die Wohnungstür stellen. Dort kann ihn der Weihnachtsmann leicht finden, bevor er an der Tür klingelt. Dann geht er zu den Kindern und spricht mit ihnen über das vergangene Jahr. Dafür können die Eltern bei der Buchung auch ein paar Hinweise geben.

Mit einem Weihnachtslied wie „O Tannenbaum“ oder Anekdoten über die Wichtel am Nordpol könne man der Rolle einen eigenen Stempel aufdrücken. „Das Ganze dauert nur etwa 15 Minuten – und dann geht’s weiter zum nächsten Termin“, sagt Tobias Groß. In diesem Jahr hat er bereits fünf Buchungen für Heiligabend bekommen; sein persönlicher Rekord liegt bei 15 Auftritten an einem Abend.

Die unterschiedlichen Erfahrungen, die er über die Jahre als Weihnachtsmann gemacht habe, seien für ihn ein Highlight, sagt er. Mal hat er eine Familie mit einer alleinerziehenden Mutter in einem Ahrensfelder Hochhaus besucht, mal eine Familienfeier in einer Steglitzer Villa mit mehr als 30 Gästen. Eines gilt immer: Die Freude für die ganze Familie und vor allem die Kinder, die durch den Besuch vermittelt wird.

In der Mensa steht auf einem Plakat von Weihnachtsmann2Go das Versprechen von einem „Sack voller Geld“. Und genau das ist es auch, was die verwirrt schauenden Studierenden dazu bringt, stehen zu bleiben und mit Tobias Groß und Alina Sanden zu sprechen. Ein Student fragt im Vorbeigehen, ohne auf eine Antwort zu warten, wie viel Geld eigentlich drin ist. „500 Euro für eine Nacht Arbeit!“, ruft Alina ihm zu. „Jo, was?“, fragt der Student ungläubig. Er dreht sich sofort um, um mehr zu erfahren.

Briefe ans Christkind: Weihnachtspostamt in Engelskirchen öffnet

13.11.2023

Trotz Problemen: Der Tannenbaum unter der Gedächtniskirche steht

10.11.2023

Sofort geht es los mit den Fragen. Sie haben viele Fragen. Viele zweifeln auch daran, ob sie geeignet sind. Sie fragen sich, ob die Stimme tief genug sei, der Bart voll genug, die Statur beleibt genug, ob der Job nicht nur für Männer sei. Tobias Groß versucht, sie alle zu beruhigen; vieles lasse sich mit Requisiten wie Kostümbart oder Bauch regeln, sagt er. Es lohne sich aber, sich viel Mühe beim Aussehen zu geben.

Auf seiner Webseite hat jeder Darsteller ein Profil mit Fotos in voller Verkleidung – und die Eltern wählen ihren Weihnachtsmann anhand dieser Bilder aus. Dabei wird großer Wert auf Liebe zum Detail und Authentizität gelegt: „Wenn man einen echten Bart hat, kann man mehr Geld verlangen“, sagt Groß. Wer den Job besonders gut macht, kann sogar Stammkunden gewinnen. Manche Familien buchen bis Juli im Voraus, um genau den Weihnachtsmann ihrer Wahl zu bekommen.

Wer nach dem Gespräch in der Mensa noch Interesse hat, kann sich für einen Workshop am Sonnabend anmelden. Wenn sich fünf Interessierte nach dieser Rekrutierungsrunde anmelden würden, sei das ein Erfolg, sagt Tobias Groß.

Die Jahre der Pandemie waren auch für sein Unternehmen eine wirtschaftliche Herausforderung – aber sie hätten immer versucht, sich anzupassen. Seit 2020 kann man auch eine digitale Botschaft vom Weihnachtsmann bestellen; die Botschaften seien auch heute noch sehr beliebt, auch wenn in diesem Jahr Corona bislang kein Thema mehr gewesen sei, sagt Tobias Groß.

Unter den Interessierten, die in ihrer Mittagspause mit Tobias Groß und Alina Sanden sprechen, ist der Biochemiestudent Vincent Ahlert. Der 20-Jährige trägt einen Vollbart – und es ist nicht das erste Mal, dass das thematisiert wird. „Jemand hat mich schon letztes Jahr gefragt, ob ich jemals daran gedacht hätte, einen Weihnachtsmann zu spielen“, sagt er. „In den letzten Jahren habe ich gerne Weihnachtspullis und -mützen getragen, dazu könnte man auch extra den Bart färben.“

Ob er am Wochenende bei dem Workshop von Weihnachtsmann2Go mitmachen wird, muss er sich noch überlegen. Er denkt aber, es könnte schon „lustig“ sein, Weihnachten 2023 mal ganz anders zu erleben. Mit Arbeit. Das Geld wirkt da natürlich nicht abschreckend.

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de

QOSHE - Berlin sucht Weihnachtsmänner: „Für einen echten Bart zahlen die Eltern mehr“ - Elizabeth Rushton
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Berlin sucht Weihnachtsmänner: „Für einen echten Bart zahlen die Eltern mehr“

12 17
19.11.2023

In Dahlem wird es trotz des November-Nieselregens langsam weihnachtlich. Vor den Blumenläden liegen Tannenzweige in Kisten parat; rund um den Botanischen Garten glitzern bereits die ersten Weihnachtslichter auf der Straße. Und auch in der Mensa der Freien Universität wird die fröhliche Stimmung immer präsenter.

Neben der Essensrückgabe steht Tobias Groß, er trägt eine leuchtend rote Nikolausmütze und eine passende Jacke. „Habt ihr Lust auf den bestbezahlten Nebenjob der Welt?“, fragt er immer wieder die Studenten, die mit neugierigen Blicken an ihm vorbeigehen.

Schon seit 2011 verbringt der 31-Jährige seinen Heiligabend auf die immer gleiche Weise: In der Rolle des Weihnachtsmannes besucht er Familien in ganz Berlin in ihren Wohnungen, um Geschenke zu verteilen und für eine fröhliche Stimmung zu sorgen. Dieser Job ist seit Jahrzehnten ein ganz sicherer Geldbringer für Studenten. Und so hat es auch bei Tobias Groß angefangen.

„Ich war damals vor meinem ersten Auftritt so aufgeregt“, sagt er. „Diese erste Familie werde ich nie vergessen – wie ich vor ihrer Haustür mit einem Puls von 200 stand.“ Doch dann öffnete sich die Tür und es gab kein Zurück mehr. „Du siehst, wie die Kinder freudestrahlend und begeistert auf dich warten“, sagt er. „Es freut einen einfach sehr, so was vermitteln zu können.“

•gestern

15.11.2023

gestern

Weihnachtsmann in Berlin buchen: Das sind die Preise, Fristen und Bedingungen

15.11.2023

Saisonstart: Der Weihnachtsmann hat am Dienstag seine Arbeit begonnen

14.11.2023

Seit 2018 ist Tobias Groß nun........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play