An einem Montagnachmittag fühlt sich die Bernauer Straße genauso an wie jede andere belebte Berliner Straße; die Straßenbahnen rattern regelmäßig vorbei, ab und zu ertönt die Sirene eines Krankenwagens. Manchmal hört man auch das Lachen einer Schulgruppe, die die Gedenkstätte Berliner Mauer besichtigt. Zu DDR-Zeiten befand sich hier noch eine schwer befestigte Grenze mit Wachtürmen, Todesstreifen und Schießbefehl.

Am 9. November dieses Jahres werden 35 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer vergangen sein. Wie zu jedem großen Jubiläum des Mauerfalls ist ein großes Programm von Kultur- und Bildungsprojekten angedacht; die Pläne für den kommenden November wurden am Montag im Besucherzentrum der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße vorgestellt. Ziel dabei sei es, so wurde es mehrfach betont, sowohl die Ereignisse von vor 35 Jahren zu feiern, als auch der Opfer der Mauer und der deutschen Teilung zu gedenken und über die Aufklärungsarbeit zu sprechen, die noch geleistet werden muss.

Die Gleichzeitigkeit des Erinnerns an die Friedliche Revolution sei heute auch aktueller denn je, so Marianne Birthler, die ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. „Während wir den 35. Jahrestag des Mauerfalls zu Recht feiern, sterben und leiden nicht weit von hier Menschen, und das kriege ich aus meinen Gedanken nicht weg“, sagt sie. „Das ist für mich ein neuer Grund, immer wieder diese Freude der Freiheit zu feiern – und auch deswegen glaube ich, dass wir dieser Erinnerung schuldig sind, sie den nachwachsenden Generationen weiterzugeben.“

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Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) war vor Ort; er sprach von seinen Erinnerungen der „unfassbaren Aufbruchsstimmung“ in der Nacht des 9. Novembers 1989, den er als „Schicksalstag“ beschreibt. „Die Aktualität zeigt, wie wichtig der 9. November auch für die Zukunft in unserem Land ist, wie wichtig Demokratie und Freiheit sind“, so Wegner. „Nach 35 Jahren ziehe ich ein positives Resümee – aber wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, wenn es um Unterschiede bei Lebensbiografien und den gleichen Lohn für gleiche Arbeit geht.“

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Das Herzstück der Feierlichkeiten zum Jubiläum soll eine mehrere Kilometer lange Ausstellung entlang der ehemaligen Mauer mit Protestplakaten aus historischen sowie aktuellen Kundgebungen sein. An zwei Bildschirmen zeigen digitalisierte Modellbilder eine Reihe von größeren und kleineren Plakaten, die vor dem Reichstag oder entlang der Oberbaumbrücke angebracht werden sollen. Darauf stehen nicht nur Parolen wie „Keine Gewalt“ oder „Wir sind das Volk“, sondern auch „Nie wieder ist jetzt“ oder „Hass ist keine Meinung“. Organisator der Aktion ist Kulturprojekte Berlin. Die landeseigene Gesellschaft hat bereits andere Großveranstaltungen wie die Lange Nacht der Museen oder die Berlin Art Week organisiert.

„An einem Ort, der damals für Trennung, Teilung, Unfreiheit und Eingrenzung stand, möchten wir einen großen Weg der Freiheit entstehen lassen“, so Simone Leimbach, Abteilungsleiterin bei Kulturprojekte Berlin für Ausstellungen und Veranstaltungen. Ihr Wunsch ist es, dass die Berliner sich an dieser Aktion beteiligen, indem sie ihre eigenen Protestschilder einreichen – und damit die Vielfalt der 1989 erkämpften Meinungsfreiheit zeigen. Es wird auf Tausende von Einsendungen gehofft; weitere Informationen dazu, wie man ein Plakat einsenden kann, werde es wohl erst nach Ostern geben.

Neben der Plakataktion veranstaltet Kulturprojekte Berlin eine Reihe von Workshops, Diskussionsrunden und Führungen; nach dem 9. November werden die Beiträge zusammen mit Essays, Fotos, Interviews und historischen Einordnungen zur Friedlichen Revolution in einem Buch gesammelt. Die Stiftung Berliner Mauer veranstaltet auch ein eigenes Programm mit Ausstellungen und Aktionen, etwa über die Ansichten der heutigen europäischen Jugend zu den Ereignissen von vor 35 Jahren, mit einem Schwerpunkt auf Osteuropa und die polnische Solidarnosc-Bewegung.

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Und wie wird mit Kontroversen im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse der Berliner Demonstrationskultur umgegangen? Auseinandersetzungen seien in dem Sinne nicht nur erwartet, sondern auch begrüßt, so Moritz van Dülmen, Geschäftsführer von Kulturprojekte Berlin. „Grundsätzlich wissen wir, dass es durchaus kontroverse Diskussionen zu vielen Punkten geben wird“, sagt er. „Die werden wir nicht nur aushalten müssen, sondern auch aushalten wollen.“

Van Dülmen nennt keine einzelnen Protestanliegen oder Motive, die von der Ausstellung an sich verboten sind; es werde aber schon Grenzen geben, sagt er. „Wir werden natürlich darauf achten, dass nichts, was im Sinne von Grundgesetz- oder Menschenrechtsverletzungen verboten ist, zur Schau gestellt wird“, sagt er. Kai Wegner betont allerdings, der Fokus müsse auf Straßendemos als Protestform bleiben, die die „Demokratie und Freiheit aufbewahren“, denn diese seien für ihn die Kernwerte der Friedlichen Revolution. „Alles, was diesen Ideen entgegensteht, gehört nicht zum 9. November 1989 und nicht zu dessen Gedenken“, so der Regierende Bürgermeister.

QOSHE - 35 Jahre Mauerfall: Aktion mit Protestplakaten soll „Freude der Freiheit“ feiern - Elizabeth Rushton
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35 Jahre Mauerfall: Aktion mit Protestplakaten soll „Freude der Freiheit“ feiern

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25.03.2024

An einem Montagnachmittag fühlt sich die Bernauer Straße genauso an wie jede andere belebte Berliner Straße; die Straßenbahnen rattern regelmäßig vorbei, ab und zu ertönt die Sirene eines Krankenwagens. Manchmal hört man auch das Lachen einer Schulgruppe, die die Gedenkstätte Berliner Mauer besichtigt. Zu DDR-Zeiten befand sich hier noch eine schwer befestigte Grenze mit Wachtürmen, Todesstreifen und Schießbefehl.

Am 9. November dieses Jahres werden 35 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer vergangen sein. Wie zu jedem großen Jubiläum des Mauerfalls ist ein großes Programm von Kultur- und Bildungsprojekten angedacht; die Pläne für den kommenden November wurden am Montag im Besucherzentrum der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße vorgestellt. Ziel dabei sei es, so wurde es mehrfach betont, sowohl die Ereignisse von vor 35 Jahren zu feiern, als auch der Opfer der Mauer und der deutschen Teilung zu gedenken und über die Aufklärungsarbeit zu sprechen, die noch geleistet werden muss.

Die Gleichzeitigkeit des Erinnerns an die Friedliche Revolution sei heute auch aktueller denn je, so Marianne Birthler, die ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. „Während wir den 35. Jahrestag des Mauerfalls zu Recht feiern, sterben und leiden nicht weit von hier Menschen, und das kriege ich aus meinen Gedanken nicht weg“,........

© Berliner Zeitung


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