Der Begriff suggeriert, dass die Politik ihr Handeln nur vortäuscht. Doch manchmal muss die Gesellschaft auch Zeichen setzen.

Es gibt in der Politik Formulierungen, die nichts anderes sind als Kampfbegriffe. „Fake News“ ist so eine – der Gegner soll nicht nur widerlegt, sondern diskreditiert werden. Das Wort ist Waffe vor allem von Populisten. Auch „Elite“ fällt in diese Kategorie. Im Ringen um die Mütterrente wurde gerne die wohlhabende „Zahnarztgattin“ als Gegenargument genannt. Und dann ist da noch die „Symbolpolitik“. Ihr Image ist schlecht, weil der Begriff suggeriert, dass die Handlungen, die dahinterstecken, Veränderung nur vortäuschen.

Gerade in diesen Tagen fällt das Wort wieder häufiger. Adressat ist Arbeitsminister Hubertus Heil, der unermüdlich am Bürgergeld herumdoktert. Heil will all jenen, die sich ohne erkennbaren Grund Stellenangeboten verweigern, die Leistungen kürzen. Betreffen wird dieser staatliche Akt der Maßregelung nur wenige Betroffene, auch das Geld, das der Staat auf diese Weise einspart, ist – vor allem im Vergleich – eine eher überschaubare, ja bescheidene Summe. Vieles ist eben komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheint. Also alles nur Symbolpolitik? Ja – aber die ist bisweilen besser als ihr Ruf. Manchmal müssen Politik und Gesellschaft ein Zeichen setzen. Das lautet in diesem Fall: Niemand ist zum Arbeiten verpflichtet. Doch gleichzeitig erwarten, dass die Gemeinschaft dann für den eigenen Unterhalt aufkommt, das ist zu viel verlangt.

Es geht um Werte, es geht um Normen. Es geht um ein Gefühl der Gerechtigkeit, das die Grundlage ist für eine Solidargemeinschaft. Wenn der Eindruck entsteht, dass dieses Versprechen gebrochen wird, zerbröselt eine wichtige Säule der sozialen Marktwirtschaft. Schon jetzt ist zu spüren, dass die Verteilungskämpfe innerhalb der Gesellschaft härter werden. Trotzdem hat es Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, die Schwachen und die Angehörigen von Minderheiten nicht aus dem Blick zu verlieren. Das muss so bleiben. Doch dafür braucht es die Gewissheit, dass die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft. Niemand will das Gefühl haben, der Dumme zu sein.

Natürlich können Symbole im Regierungshandeln nur ein Teil des großen Ganzen sein. Veränderungen müssen irgendwann auch spürbar sein, wer immer nur ankündigt oder Sonntagsreden hält, verliert irgendwann auch an Zuspruch. Doch ganz auf Symbolpolitik zu verzichten, wäre ebenso falsch. Und das gilt nicht nur mit Blick auf das Thema Bürgergeld. Ein Feld, auf dem sich die Politik schon lange abquält, ist der Umgang mit Prostitution. Modern und aufgeschlossen erschien es vielen, das Geschäft vor allem mit Frauen so liberal wie möglich zu machen. Dass seither der Menschenhandel noch mehr floriert, wird vielfach ausgeblendet. Als „ältestes Gewerbe der Welt“ wird die Prostitution romantisiert, doch hinter den Vorhängen spielen sich wahre Dramen ab.

Natürlich könnte auch eine Änderung des Gesetzes nicht alle Missstände beseitigen, zu vieles geschieht im Zwielicht. Doch die Gesellschaft könnte auch hier ein Zeichen setzen: Wir wollen nicht, dass der Besuch in einem Bordell als normal gilt, wir wollen nicht, dass Junggesellenabschiede ohne Scham mit Prostituierten begangen werden. Es ist eine Frage des Respekts, dieses Zeichen öffentlich zu setzen. Eine politische Geste mit Signalwirkung. Sie wäre nur ein Anfang, doch manchmal ist ein Anfang eben besser als nichts.

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QOSHE - Warum Symbolpolitik manchmal besser ist als ihr Ruf - Margit Hufnagel
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Warum Symbolpolitik manchmal besser ist als ihr Ruf

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10.01.2024

Der Begriff suggeriert, dass die Politik ihr Handeln nur vortäuscht. Doch manchmal muss die Gesellschaft auch Zeichen setzen.

Es gibt in der Politik Formulierungen, die nichts anderes sind als Kampfbegriffe. „Fake News“ ist so eine – der Gegner soll nicht nur widerlegt, sondern diskreditiert werden. Das Wort ist Waffe vor allem von Populisten. Auch „Elite“ fällt in diese Kategorie. Im Ringen um die Mütterrente wurde gerne die wohlhabende „Zahnarztgattin“ als Gegenargument genannt. Und dann ist da noch die „Symbolpolitik“. Ihr Image ist schlecht, weil der Begriff suggeriert, dass die Handlungen, die dahinterstecken, Veränderung nur vortäuschen.

Gerade in diesen Tagen fällt das Wort wieder häufiger. Adressat ist Arbeitsminister Hubertus Heil, der unermüdlich am Bürgergeld herumdoktert. Heil will all jenen, die sich ohne erkennbaren Grund Stellenangeboten verweigern, die Leistungen kürzen. Betreffen wird dieser........

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