Alle kritisieren den Bundeskanzler. Die Ampel muss sich jetzt zusammenraufen, um ihren Untergang zu verhindern.

Es ist gerade allzu leicht, auf Olaf Scholz herumzuhacken. Die Zustimmung zu ihm, seiner SPD und der ganzen Ampel-Regierung sinkt von Woche zu Woche. Dass da alle Finger auf den qua Amt Verantwortlichen zeigen, ist klar. Doch die Frage "Was hat dich bloß so ruiniert", die einst die Rockband "Sterne" formuliert hat, ist nicht nur an den Bundeskanzler zu richten. Sondern an alle Beteiligten des Regierungsbündnisses. Ja, es stimmt, der ruhige Hamburger mag nicht die Idealbesetzung für Zeiten sein, die derart krisenhaft und herausfordernd sind. Kriege, Energienotstand, Inflation, das Klima - dass ihn viele am liebsten sofort gegen den so viel zupackender wirkenden Verteidigungsminister Boris Pistorius tauschen würden, verwundert kaum. Begeisterung für notwendige, aber schmerzhafte Reformen zu entfachen ist wahrlich nicht die Stärke des Olaf Scholz.

Dem Kanzler mag vieles fehlen, Volksnähe, Charisma, die Fähigkeit, Zuversicht auszustrahlen. Vor allem aber fehlt ihm etwas, das mit seiner Persönlichkeit rein gar nichts zu tun hat: Macht. Der überzeugte Pragmatiker ist ja noch nicht einmal Chef seiner zuletzt weit nach links gerückten SPD. Die hat ihn nur widerwillig als Spitzenkandidat akzeptiert, weil mit ihm die beste Aussicht auf Stimmen aus der Mitte bestand. Nun muss er notgedrungen Positionen mittragen, hinter denen er gar nicht steht. Etwa den Umbau von Hartz IV zum Bürgergeld, das höher ausfällt und weniger Sanktionsmöglichkeiten vorsieht. Prompt kam es zu einer Debatte, ob Arbeit sich überhaupt noch genügend lohnt - brandgefährlich für die SPD, die einmal die Partei der Arbeiter war.

Wer nicht Herr im eigenen Haus ist und dann auch noch auf Koalitionspartner angewiesen ist, die so gegensätzlich sind wie Grüne und FDP, wem also die Durchsetzungsmacht fehlt, der kann nicht ständig die Machtworte sprechen, die von Scholz gefordert werden. Und auch die Empfehlung, der Kanzler müsse "besser kommunizieren", zielt an den wahren Ursachen für die Ampel-Misere vorbei. Es geht um die Inhalte. Wenn die Menschen den Eindruck haben, da wickeln die Regierenden einfach schöne bunte Bonbonpapierchen um bittere Pillen, schwer verdauliche Happen oder olle Kamellen, werden sie wütend. Der beste Kommunikator, den diese Regierung in ihren Reihen hat, ist der charismatische Robert Habeck. Selbst der grüne Klimaschutzminister vermochte nicht, das Volk vom im ersten Entwurf allzu ambitioniert geratenen Heizungsgesetz zu überzeugen. Der Ampel fehlt nicht die richtige "Verkaufe". Sondern, in vielen Feldern, ein Produkt, das die breite arbeitende Mitte der Gesellschaft überzeugt. Cannabis legalisieren, einmal jährlich das Geschlecht wechseln, in der größten Energiekrise die letzten Atomkraftwerke abschalten - damit hätte auch Pistorius keine Chance. Für vieles, was die Ampel will, gäbe es bei einer Volksabstimmung keine Mehrheit.

Das mag ein Stück weit erklären, warum Fundamentalprotest gerade Hochkonjunktur hat. Am stärksten profitiert der rechte Rand und jetzt, wo sich immer klarer zeigt, welch menschenverachtende völkische Ideologien in Teilen der AfD vorherrschen, scheint Scholz endlich doch noch die Entschlossenheit zu finden, die ein Kanzler in schweren Zeiten braucht. An der Spitze der Demonstrationen der Anständigen in vielen Städten findet er die lang vermissten klare Worte gegen eine drohende Spaltung der Gesellschaft. Wenn ihm bloß gelänge, nun auch seine Ampel zu überzeugen, dass es nur miteinander geht ...

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Olaf Scholz – Kanzler ohne Macht

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22.01.2024

Alle kritisieren den Bundeskanzler. Die Ampel muss sich jetzt zusammenraufen, um ihren Untergang zu verhindern.

Es ist gerade allzu leicht, auf Olaf Scholz herumzuhacken. Die Zustimmung zu ihm, seiner SPD und der ganzen Ampel-Regierung sinkt von Woche zu Woche. Dass da alle Finger auf den qua Amt Verantwortlichen zeigen, ist klar. Doch die Frage "Was hat dich bloß so ruiniert", die einst die Rockband "Sterne" formuliert hat, ist nicht nur an den Bundeskanzler zu richten. Sondern an alle Beteiligten des Regierungsbündnisses. Ja, es stimmt, der ruhige Hamburger mag nicht die Idealbesetzung für Zeiten sein, die derart krisenhaft und herausfordernd sind. Kriege, Energienotstand, Inflation, das Klima - dass ihn viele am liebsten sofort gegen den so viel zupackender wirkenden Verteidigungsminister Boris Pistorius tauschen würden, verwundert kaum. Begeisterung für notwendige, aber schmerzhafte Reformen zu entfachen ist wahrlich nicht die Stärke des Olaf Scholz.

Dem Kanzler mag vieles fehlen, Volksnähe, Charisma, die Fähigkeit, Zuversicht auszustrahlen. Vor allem aber fehlt ihm etwas, das mit seiner Persönlichkeit rein gar........

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