München – Das 4:0 des FC Bayern über Borussia Dortmund Anfang November 2019 war gleich im doppelten Sinne ein Neuanfang: Zum einen gab Hansi Flick sein Bundesliga-Debüt als Bayern-Coach. Zum anderen endete mit jenem Spiel die vielleicht denkwürdigste Ära der Vereinsgeschichte.

Auf der Jahreshauptversammlung gut eine Woche später gab Uli Hoeneß das Präsidentenamt an Herbert Hainer weiter. Als letzte Amtshandlung, nach fast fünf Jahrzehnten in sportlich verantwortlichen Positionen, ließ er den bisherigen Sportdirektor Hasan Salihamidzic in den Vorstand berufen.

Mit ihm und Oliver Kahn, zu der Zeit Karl-Heinz Rummenigges CEO-Azubi, schien der Rekordmeister bestens für die Zukunft aufgestellt. Wie Hoeneß und Rummenigge sind auch Kahn und Salihamidzic absolute Vereinslegenden und Champions-League-Sieger.

Dennoch war nicht alles so perfekt, wie es schien. Die Brazzo-Ära war vor allem auch durch Diskussionen geprägt. Am bemerkenswertesten der Krach mit Hansi Flick, der zu dessen Rücktritt führte. Da auch Transfers und Vertragsverlängerungen erstaunlich öffentlich behandelt wurden und sich die Langzeitlösung Nagelsmann eben nicht als solche erwies, zog der Vorstand im Zuge der jüngsten Meisterfeierlichkeiten Ende Mai den Schlussstrich.

Hoeneß' erster Versuch, sein jüngeres Ebenbild zu formen, konnte damit zu den Akten. Über den Sommer mussten Rummenigge und er im kurzfristig berufenen Transferausschuss nochmal in die erste Reihe.

Allerdings hat der Bayern-Patron noch einen zweiten Plan – und der heißt Max Eberl. Bereits seit den frühen Gladbacher Jahren ist der aktuelle Wahl-Münchner im Visier des FC Bayern. Eberl führte die Borussia mit geringsten Mitteln aus dem Abstiegskampf bis in die Champions League und ließ, wenn auch nicht in der Tabelle, doch zumindest auf dem Platz die Rivalität der Siebzigerjahre wieder aufleben: Gladbach wurde zu Bayerns Angstgegner.

Mit den geschickten Transfers von Lois Openda, Xavi Simons oder Castello Lukeba sorgte Eberl auch bei RB Leipzig dafür, dass zumindest kurzfristig niemand mehr von Christopher Nkunku, Dominik Szoboszlai oder Josko Gvardiol redet. Vier Spiele am Stück blieb RB zudem noch nie gegen den Rekordmeister ungeschlagen. Der ideale Beweis, dass Eberl in der Lage ist, seine Fähigkeiten aus Gladbach-Zeiten auch eine Etage höher anzuwenden.

Wenn es sein muss, kann Eberl genauso emotional sein wie Hoeneß und stellt den Verein an erste Stelle – auch, wenn er sich dafür mit den eigenen Fans anlegen muss. "Wir haben Werte, sind gegen Rassismus und Ausgrenzung – und dann halten 50 Hornochsen ein solches Plakat hoch. Dafür schäme ich mich", lederte der damalige Gladbach-Manager im Februar 2020, nachdem aus der Nordkurve Banner gegen Dietmar Hopp auftauchten.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Emotionalität war Eberl bereits 2017 Thema, als es darum ging, einen langfristigen Nachfolger für Matthias Sammer zu finden. Hoeneß dementierte Gespräche anfänglich, gab bei der Vorstellung von Salihamidzic als Sportdirektor aber doch offen zu: "Es sind viele Namen herumgegeistert. Effektiv waren es zwei. Das waren die Einzigen, mit denen wir uns wirklich beschäftigt haben. Und ich meine, im Kreis von Eberl und Lahm kann man sich ja auch ganz gut wohlfühlen."

Am Montag tagt der Aufsichtsrat. In jener Sitzung soll eine Entscheidung über Eberls Berufung in den Vorstand gefällt werden. Fürsprecher hat Eberl genug, mit Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sogar die beiden stimmgewaltigsten, berichtet die "Bild".

Zwar sei Jan-Christian Dreesen der Meinung, Christoph Freund könne diese Rolle ebenfalls ausfüllen. Dem Vorstandschef ist jedoch bewusst, dass die finale Entscheidung nicht bei ihm, sondern dem Aufsichtsrat liegt. Und in diesem gibt es mit Präsident Herbert Hainer und Finanzvorstand Dr. Michael Diederich zwei weitere prominente Unterstützer Eberls.

Auch bei der Mitgliederversammlung wollte sich Dreesen nicht zu Eberl äußern: "Das ist Sache das Aufsichtsrates und dort zuvorderst des Vorsitzenden. Der Vorsitzende des Vorstandes wird üblicherweise bei solchen Sachen mit involviert. Das ist bisher nicht passiert. Also glaube ich auch nicht, dass es morgen dazu eine Entscheidung geben wird." Dreesen kenne Eberl aus verschiedenen DFL-Meetings. Ein fachliches Urteil wollte er sich allerdings nicht bilden.

Auch der FC Liverpool zeigt mittlerweile Interesse an Eberl. Für den aus dem niederbayrischen Bogen stammenden 50-Jährigen gilt der FC Bayern jedoch als Priorität. Zwischen 1991 und 1994 spielte er für die Amateure des Rekordmeisters und absolvierte 1991 sogar ein Bundesligaspiel (2:3 in Stuttgart).

Mehr als 30 Jahre später soll Eberl die Zukunft des Vereins mitgestalten. Probleme mit Sportdirektor Freund werden aufseiten der Münchner nicht erwartet. Der 46-Jährige Österreicher soll bis hierhin äußerst bescheiden und lernwillig gewirkt sowie einen guten Eindruck in Gesprächen mit Beratern hinterlassen haben.

Besonders in diesem Punkt wolle der Rekordmeister von Eberls Erfahrung profitieren, heißt es. Nicht zuletzt, da es gilt, in den nächsten Monaten mit einer ganzen Reihe von Schlüsselspielern zu verlängern - angefangen bei Manuel Neuer und Thomas Müller (Vertrag bis 2024), über Joshua Kimmich, Leroy Sané sowie Alphonso Davies (bis 2025) bis hin zu Jamal Musiala (bis 2026). Den ersten Schritt gab es bereits in den vergangenen Tagen. Thomas Müller wollte eine Verlängerung nach dem 4:2 gegen Heidenheim nicht dementieren. Bei der Mitgliederversammlung bekam zudem Sven Ulreich den meisten Applaus. "Ich hoffe, er hört das hier. Dann fällt ihm vielleicht auch die Unterschrift unter den neuen Vertrag mit dem Christoph Freund leichter", flachste Vorstandschef Jan-Christian Dreesen.

Mit Freund und Eberl hätte der FC Bayern abermals eine neue Ära eingeläutet - fast auf den Tag genau vier Jahre nach dem letzten Neubeginn.

QOSHE - Beim FC Bayern: Was Eberl zum neuen Hoeneß macht - Victor Catalina
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Beim FC Bayern: Was Eberl zum neuen Hoeneß macht

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13.11.2023

München – Das 4:0 des FC Bayern über Borussia Dortmund Anfang November 2019 war gleich im doppelten Sinne ein Neuanfang: Zum einen gab Hansi Flick sein Bundesliga-Debüt als Bayern-Coach. Zum anderen endete mit jenem Spiel die vielleicht denkwürdigste Ära der Vereinsgeschichte.

Auf der Jahreshauptversammlung gut eine Woche später gab Uli Hoeneß das Präsidentenamt an Herbert Hainer weiter. Als letzte Amtshandlung, nach fast fünf Jahrzehnten in sportlich verantwortlichen Positionen, ließ er den bisherigen Sportdirektor Hasan Salihamidzic in den Vorstand berufen.

Mit ihm und Oliver Kahn, zu der Zeit Karl-Heinz Rummenigges CEO-Azubi, schien der Rekordmeister bestens für die Zukunft aufgestellt. Wie Hoeneß und Rummenigge sind auch Kahn und Salihamidzic absolute Vereinslegenden und Champions-League-Sieger.

Dennoch war nicht alles so perfekt, wie es schien. Die Brazzo-Ära war vor allem auch durch Diskussionen geprägt. Am bemerkenswertesten der Krach mit Hansi Flick, der zu dessen Rücktritt führte. Da auch Transfers und Vertragsverlängerungen erstaunlich öffentlich behandelt wurden und sich die Langzeitlösung Nagelsmann eben nicht als solche erwies, zog der Vorstand im Zuge der jüngsten Meisterfeierlichkeiten Ende Mai den Schlussstrich.

Hoeneß' erster Versuch, sein jüngeres Ebenbild zu formen, konnte damit zu den Akten. Über den Sommer mussten Rummenigge und er im........

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