München - München, Deutschland und die ganze Welt trauert um den Kaiser. Ganz besonders nah geht der Tod von Franz Beckenbauern aber vor allem denen, die mit ihm zusammengespielt haben. Bayern-Legenden wie Franz "Bulle" Roth. Der heute 77-Jährige holte mit den Münchnern dreimal in Folge den Cup der Landesmeister (1974-1976) – an der Seite seines des am Sonntag verstorbenen Freundes Franz Beckenbauer.

AZ: Herr Roth, Sie können sich sicher denken, warum wir anrufen…
FRANZ "BULLE" ROTH: Jaja, leider ein sehr trauriges Telefonat.

In der Tat. Wie haben Sie vom Tod Ihres Freundes erfahren?
Wie wir alle, über die Medien. Er war ja schon sehr, sehr krank. Von Monat zu Monat wurde es wohl schlimmer mit seinen Krankheiten. Es war irgendwie abzusehen. Für den Franz ist es eine Erlösung. Aber für uns ist es sehr, sehr traurig, weil da ein Freund, ein toller Mensch von uns gegangen ist.

Hatten Sie noch Kontakt zu ihm?
Immer! Telefonisch waren wir immer verbunden. Am 13. September 2022, zwei Tage nach seinem Geburtstag, war ich noch einen ganzen Nachmittag mit ihm daheim in Salzburg zusammen. Da ging‘s ihm noch relativ gut. Wir haben uns lange unterhalten. Er ist auch noch mit mir runter zum Auto gegangen, da war alles noch gut. Ich hätte ihn auch wieder besucht, aber dann kam meine eigene Herz-OP dazwischen. Da war ich ein halbes Jahr lang außer Gefecht.

Au weh, wann war denn Ihre OP?
Im Februar letzten Jahres. Wenn wir telefoniert haben, hat der Franz noch geflachst: ‚Bulle, du brauchst gar nicht stolz sein auf deine drei By-Pässe – ich hab‘ vier!‘ Aber da ging es ihm schon etwas schlechter. Bald darauf war auch telefonieren nicht mehr möglich. Er musste immer sehr langsam sprechen. Aber ich hab‘ immer wieder angerufen und dann mit seiner Frau Heidi gesprochen. Auch mit seinem Bruder Walter war ich sehr verbunden und hab‘ gesagt: ‚Wenn er nicht mehr telefonieren kann oder möchte, dann richtet doch bitte schöne Grüße von mir aus!‘ Aber der Kontakt war immer da. Zuletzt am Telefon hatte ich ihn selbst dann im August.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung?
Natürlich, unsere Freundschaft begann, als ich 1966 zum FC Bayern kam.

Erzählen Sie!
Ich kam von einem kleinen Amateurverein, der SpVgg FC Kaufbeuren, waren im Trainingslager in Stegen am Ammersee, und die Nationalspieler hatten nach der WM in England ein paar Tage länger Urlaub bekommen. Da hatte man schon Ehrfurcht, als es hieß: ‚Heute kommen die Drei: der Beckenbauer, der Maier und der Müller.‘ Dann sind wir Neuen vorgestellt worden, und Trainer Tschik Cajkovski sagte: ‚Wir haben einen aus dem Allgäu, der hat Kraft wie Muh.‘ Da hat der Maier Sepp gesagt: ‚Trainer, das heißt bei uns Bulle.‘ Von da an war ich der Bulle. Als wir mit dem Abendessen fertig waren, kam der Franz auf mich zu und sagte ‚Grüß dich, du bist jetzt nicht der Franz, sondern der Bulle, denn der Franz bin ich.‘ Aber er meinte, ich brauche keine Angst zu haben, das werde eine gute Zeit, und er unterstütze die jungen Nachwuchsspieler. Es war ein vom ersten Blickkontakt an perfektes Verhältnis. Wir haben uns sensationell gut verstanden, während der Fußballzeit und später auch privat.

Auf dem Platz waren diese zehn Jahre die erfolgreichste Epoche in der Vereinsgeschichte des FC Bayern.
Zehn Jahre lang ging das! Als er dann aus New York zurück kam, haben wir uns oft zum Golfspielen getroffen. Ein paar Mal habe ich in Oberndorf besucht, als er noch da bei Kitzbühel gewohnt hat.

Wie haben Sie den Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung von der Lichtgestalt zum Schattenmann erlebt?
Er hat viel ertragen müssen! Hat zum Schluss Prügel bekommen, für Dinge, für die er gar nicht zu hundert Prozent verantwortlich war. Es waren ja mehrere dabei bei der Bewerbung für die WM 2006. Aber die haben sich alle geduckt und den Franz vorgeschoben, ihn eigentlich im Regen stehen lassen. Er hat das ja nicht für sich gemacht. So etwas wie das Sommermärchen in Deutschland wird nie mehr kommen. Ob das jetzt die Menschen waren oder die Wirtschaft: Alle haben davon ja profitiert. Und danach zeigt man dann mit dem Finger auf ihn! Das hat er nicht verdient. Er war ein Mensch, für den alle gleich waren. Für ihn gab es keine bösen Menschen. Ich hab‘ oft zu ihm gesagt ‚Franz, du brauchst doch einen Bodyguard!‘ Er war ja Deutschlands bekanntester Mann, musste als er noch in Oberndorf wohnte, durch den Wald hoch fahren. Er meinte nur: ‚Ich tue keinem was, und ich hoffe, dass mir auch keiner was tut.‘ Das war sein Lebensmotto.

QOSHE - "Erlösung": Bayern-Legende nimmt emotional Abschied von Franz Beckenbauer - Thomas Becker
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"Erlösung": Bayern-Legende nimmt emotional Abschied von Franz Beckenbauer

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10.01.2024

München - München, Deutschland und die ganze Welt trauert um den Kaiser. Ganz besonders nah geht der Tod von Franz Beckenbauern aber vor allem denen, die mit ihm zusammengespielt haben. Bayern-Legenden wie Franz "Bulle" Roth. Der heute 77-Jährige holte mit den Münchnern dreimal in Folge den Cup der Landesmeister (1974-1976) – an der Seite seines des am Sonntag verstorbenen Freundes Franz Beckenbauer.

AZ: Herr Roth, Sie können sich sicher denken, warum wir anrufen…
FRANZ "BULLE" ROTH: Jaja, leider ein sehr trauriges Telefonat.

In der Tat. Wie haben Sie vom Tod Ihres Freundes erfahren?
Wie wir alle, über die Medien. Er war ja schon sehr, sehr krank. Von Monat zu Monat wurde es wohl schlimmer mit seinen Krankheiten. Es war irgendwie abzusehen. Für den Franz ist es eine Erlösung. Aber für uns ist es sehr, sehr traurig, weil da ein Freund, ein toller Mensch von uns gegangen ist.

Hatten Sie noch Kontakt zu ihm?
Immer! Telefonisch waren wir immer verbunden. Am 13. September 2022, zwei Tage nach seinem Geburtstag, war ich noch einen ganzen Nachmittag mit ihm daheim in Salzburg zusammen. Da ging‘s ihm noch relativ........

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