München - Thomas Müller blickte in ratlose Gesichter, diesmal in die der Reporter. Plötzlich wendeten sich diese von ihm ab. Partymusik kam von irgendwoher, wurde lauter und lauter. Gegröle ertönte aus einem Lautsprecher, mit dem Werder Bremens Verteidiger Niklas Stark die Kabine verlassen hatte und Richtung Ausgang der Allianz Arena schlenderte, zum nächsten Partyort der Grün-Weißen, dem Mannschaftsbus.

Nach dem 1:0, dem ersten Werder-Erfolg in München seit 16 Jahren, beschallte Stark mit dem Mallorca-Schlager "Dicht im Flieger" die Mixed Zone und ließ Müller kurz verstummen. Der stets inhaltlich kompetente Niederlagen-Erklärer des FC Bayern brach die Interview-Runde ab und meinte mit gequältem Lächeln: "Jetzt merkst du: Denen war's wichtig." Den Seinen, so der Vize-Kapitän, habe "das Feuer gefehlt". Und so vieles mehr.

Eine Bankrotterklärung war diese erste Heimniederlage der Saison, in Puncto spielerischer Leistung, Körpersprache und Mentalität. "Ein Schlag ins Gesicht", so Müller. An wem liegt die neuerlich aufgeflammte Bayern-Krise? Eine AZ-Analyse.

An Trainer Thomas Tuchel? Der 50-Jährige verzweifelt mittlerweile daran, dass es die Mannschaft nicht hinbekommt, die angeblich so starken Trainingsleistungen auf den Platz zu bringen. Irgendwie macht es nicht Klick in der Beziehung zwischen Team und Trainer, der seit Ende März im Amt ist und der nun die Meisterschaften-Serie (elf am Stück) zerstören könnte. Ob Tuchel selbst noch an die Wende und weitere Titel außer der im Mai von Borussia Dortmund geschenkten Meisterschale glaubt?

An der Qualität der Mannschaft? Nein, sieht man die Namen all der Nationalspieler und stellt sich ihre Bestleistung vor. So viel zu Theorie und Praxis. Gehen einige Spieler, etwa der von Tuchel infrage gestellte und diesmal nach einer guten Stunde ausgewechselte Mittelfeld-Chef Joshua Kimmich ("Natürlich will ich immer 90 Minuten auf dem Platz stehen – gerade, wenn wir hinten liegen ist es was anderes, als wenn man 3:0 führt") für ihren Trainer nicht durchs Feuer? Warum erreicht Leroy Sané nicht mehr das Niveau, auf dem er von August bis Mitte November performte? Ob das Team neben Ergänzungsspieler Eric Dier im Januar noch verstärkt wird bzw. werden kann und soll, steht in den Sternen.

An der Mentalität der Mannschaft? Ist es die berühmte Frage der Einstellung, die wiederum der intrinsischen Motivation der Spieler selbst bedarf und – im Idealfall - nur hin und wieder vom Trainer extra angestachelt werden sollte? Kimmich monierte, er habe "nicht das Gefühl, dass wir wissen, worum es geht. Es darf uns nicht passieren, dass ein Gegner hungriger ist als wir". Merkwürdig. "Wir müssen 90 Minuten da sein und nicht so Larifari spielen", schimpfte Konrad Laimer, während der biologisch-mentale Zustand der Mannschaft von Müller mit "zu wenig Leben!" und von Sportdirektor Christoph Freund mit "blutleerer Auftritt!" beschrieben wurde.

An Kahn und Salihamidzic? Im März reagierten der damalige Vorstandschef und der damalige Sportvorstand auf das 1:2 in Leverkusen mit der überraschenden wie womöglich voreiligen Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann. Auch da schlitterte Bayern durch Formdellen und Krisen, auch da knirschte es zwischen Coach und Teilen des Teams. Der eigentliche Grund zur Trennung war die einmalige Gelegenheit, den arbeitslosen Welttrainer Tuchel zu bekommen, der kurz vor einem Engagement bei Tottenham Hotspur stand. Ob die bekannte (Spiel-)Philosophie von Tuchel überhaupt zur Charakteristik des bekannten, weil von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic zusammengestellten Kaders passte? War erstmal zweitrangig. Und schafft nun Probleme, die unüberwindbar werden könnten.

Übrigens war es Max Eberl (50), Bayerns designierter neuer Sportvorstand, der Ende Februar vom Aufsichtsrat durchgewunken wird, der zu seiner Zeit als Macher bei Borussia Mönchengladbach einen Trainer aus Spanien in die Bundesliga holen wollte – was nicht klappte, damals im März 2021. Im Oktober 2022 unterschrieb dieser Ex-Bayern-Profi bei Bayer Leverkusen. Er hört auf den Namen Xabi Alonso. Nachtigall, ich hör...

QOSHE - Krise beim FC Bayern: Was Kahn und Brazzo damit zu tun haben - Patrick Strasser
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Krise beim FC Bayern: Was Kahn und Brazzo damit zu tun haben

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22.01.2024

München - Thomas Müller blickte in ratlose Gesichter, diesmal in die der Reporter. Plötzlich wendeten sich diese von ihm ab. Partymusik kam von irgendwoher, wurde lauter und lauter. Gegröle ertönte aus einem Lautsprecher, mit dem Werder Bremens Verteidiger Niklas Stark die Kabine verlassen hatte und Richtung Ausgang der Allianz Arena schlenderte, zum nächsten Partyort der Grün-Weißen, dem Mannschaftsbus.

Nach dem 1:0, dem ersten Werder-Erfolg in München seit 16 Jahren, beschallte Stark mit dem Mallorca-Schlager "Dicht im Flieger" die Mixed Zone und ließ Müller kurz verstummen. Der stets inhaltlich kompetente Niederlagen-Erklärer des FC Bayern brach die Interview-Runde ab und meinte mit gequältem Lächeln: "Jetzt merkst du: Denen war's wichtig." Den Seinen, so der Vize-Kapitän, habe "das Feuer gefehlt". Und so vieles mehr.

Eine Bankrotterklärung war diese erste Heimniederlage der Saison, in Puncto spielerischer Leistung, Körpersprache und Mentalität. "Ein Schlag ins Gesicht", so Müller. An wem........

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