München - Der Selfmade-Millionär und "Wirtschafts-Wunderwuzzi" René Benko hat sich offiziell aus dem Beirat des Immobilien- und Handels-Imperiums Signa zurückgezogen. Nun versucht der Insolvenz-Profi Arndt Geiwitz zu retten, was zu retten ist. Experten befürchten eine Zerschlagung, die Zukunft vieler Projekte in Deutschland, Österreich, Italien, Luxemburg und der Schweiz mitsamt dazugehörigen Arbeitsplätzen ist ungewiss.

In Berlin stehen bereits alle Signa-Baustellen still, auch in Hamburg, wo Benko den 245 Meter hohe Elbtower als neues Wahrzeichen der Stadt bauen lassen wollte, ist derzeit wegen Zahlungsrückständen erst mal Schicht im Schacht. Rund eine Milliarde Euro soll der Bau des dritthöchsten deutschen Gebäudes kosten.

Die Signa ist eine privat geführte Beteiligungs- und Industrieholding. Signa hatte sich auch in München breit gemacht und Immobilien und Kaufhäuser in bester Innenstadtlage einverleibt. Prestige-Objekte waren Benkos Steckenpferd, "Kaufen – Entwickeln – Verkaufen" die erklärte Unternehmensstrategie.

Zu dem verschachtelten Konzern gehört auch die zweitgrößte Warenhauskette Europas: Galeria-Kaufhof-Karstadt mitsamt Immobilien und Grundstücken an den meisten Standorten. Doch zuletzt lief nichts mehr nach Plan: Gestiegene Zinsen, gestiegene Baukosten, Abwertungen von Immobilien, aber immr neue Projekte – nun wird die Zerschlagung und der krachende Niedergang des gigantischen Konzerns befürchtet, zumindest aber Insolvenzen vieler Tochterunternehmen wie vor einigen Wochen von Signa Sports United. In den betroffenen Städten wird zudem befürchtet, dass die Signa-Bauprojekte nun jahrelang halbfertig rumstehen oder gar nicht erst angegangen werden.

Dass Benkos Stern am Immobilienhimmel und in der Welt des Handels sinkt, zeichnete sich spätestens ab, als bekannt wurde, dass Signa in München zwei Millionen-Objekte wieder loswerden wollte. Wo in München überall Benko drinsteckt – bzw. steckte – lesen Sie hier:

Das Edelkaufhaus in der Neuhauser Straße ist flächenmäßig eines der größten Deutschlands. Im Juni 2011 kaufte die Signa Holding zunächst die Hälfte des Kaufhauses samt Grundstück, 2014 kam die andere dazu. Benko gliederte das Haus zusammen mit dem KaDeWe in Berlin und dem Hamburger Alsterhaus in die "The Kadewe Group" aus. 2015 verkaufte Benko 50,1 Prozent an die italienische Firma La Rinascente des thailändischen Milliardärs Tos Chirathivat. Trotz der Eigentümerwechsel hat das Kaufhaus seinen alten Namen behalten. Er prangt nach wie vor an der Fassade des eindrucksvollen Historismus-Baus (Architekt: Max Littmann).

Zusammen mit einem anderen Investor hatte Signa 2011 das ehemalige Karstadt-Sports-Gebäude direkt am Karlstor erworben. Zusammen mit dem Kauf von Oberpollinger sollen damals 250 Millionen Euro geflossen sein. Nur zwei Jahre später verkaufte Benko den denkmalgeschützten Karstadt-Sports-Bau wieder, heute gehört er komplett der Euro Real Estate aus der Unternehmensgruppe von Wilhelm von Finck. Nach Informationen der "Immobilienzeitung" soll der Kaufpreis bei 95 Millionen Euro gelegen haben. Das Haus ist mittlerweile komplett entkernt und innen neu ausgestaltet worden. Bald sollen hier Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts einziehen.

An der Immobilie der umsatzstärksten Kaufhof-Filiale in ganz Deutschland war die Signa-Gruppe ebenfalls beteiligt. Diese Anteile hat sie im Sommer 2022 verkauft, ergab eine Recherche der "Immobilienzeitung".

Der Büroausstatter in der Rosenstraße hat jahrzehntelang München geprägt. 2022 war Schluss. Da gehörten Grund und Gebäude bereits seit zwei Jahren zum Benko-Imperium. Er ließ das Gebäude abreißen und den Neubau eines Büro- und Geschäftsgebäudes planen. Im Juli 2023 kam dann die – auch für Oberbürgermeister Reiter (SPD) – überraschende Nachricht: Benko sucht einen Käufer für diese Adresse. Für 100 Millionen Euro wurde das Objekt im Juli 2023 über einen Makler angeboten. Unter den Kaufinteressenten ist auch (mindestens) ein Münchner Unternehmen.

Zeitgleich mit dem Kaut-Bullinger-Haus hat die Signa 2023 auch diese Immobilie mitsamt Grundstück zum Verkauf angeboten – für ebenfalls 100 Millionen Euro. Für die Angestellten von Galeria kam die Nachricht völlig überraschend, hatten sie doch gerade erst die zweite große Welle von Galeria-Schließungen überlebt. Das Kaufhaus hat einen langfristigen Mietvertrag. Ob es schon ernsthafte Verkaufsverhandlungen gibt, ist derzeit nicht bekannt.

Ihren größten Coup in München hat Benkos Signa mit der Alten Akademie gemacht. Der enorme Gebäudekomplex aus dem 16. Jahrhundert mitten in der Fußgängerzone gehört dem Freistaat. Für 240 Millionen Euro erwarb die Signa 2013 einen 65-jährigen Erbbaurechtsvertrag. Seit November 2020 wird gebaut, die Fassade musste stehen bleiben. Mitten in der Fußgängerzone entsteht nun viel neuer Büroraum, den Signa bereits komplett an den Schweizer Pharmakonzern Novartis vermietet hat. Ursprünglich sollte der Bau 2023 fertig werden, doch die Fertigstellung verzögert sich. Ein Konzernsprecher teilte der AZ mit, man rechne nicht damit, 2024 einziehen zu können.

Mit dem Kauf der Warenhauskette Galeria Kaufhof Karstadt ging auch das historische ehemalige Hertie-Kaufhaus (eröffnet 1905) im Benko-Imperium auf. Signa begann, es aufwendig zu erneuern, riss Verbauungen aus den 70ern wieder ab, stellte die äußere Fassade von einst wieder her und riss die Brücke zum dahinterstehenden Karstadt-Gebäude in der Schützenstraße ab. Ursprünglich war geplant, dass die Galeria-Karstadt-Kaufhaus-Mitarbeiter von nebenan nach der Fertigstellung dort einziehen, 2024 sollte es so weit sein. Doch daraus wird nichts: Im März 2023 teilte der Insolvenzverwalter des Galeria-Konzerns mit, dass der Standort Hauptbahnhof ersatzlos aufgegeben wird. Dutzende weitere Filialen in ganz Deutschland wurden geschlossen. Was aus dem schmucken Bau wird, wenn er mal fertig ist, ob oder wann ihn die Signa verkaufen will – derzeit ist nichts bekannt.

Heruntergekommen und verwaist steht der 70er-Bau nun da. Ende Juni war für die Karstadt-Mitarbeiter Schluss, das Kaufhaus an diesem Standort ist Geschichte. Die ursprüngliche Planung sah vor, dass das Gebäude abgerissen und komplett neu bebaut wird. "Ein einmaliges Entwicklungspotenzial" in bester Lage direkt hinter dem neuen Hotel Königshof sah die Signa hier. Was nun aus dem leerstehenden Klotz an der Schützenstraße wird, ob Signa ihn mitsamt Grund bald verkauft – oder ob das Trumm erst mal auf Jahre vor sich hingammelt? Man wird sehen.

QOSHE - Zukunft vieler Projekte ungewiss: Wo in München überall Benko drinsteckt - Nina Job
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Zukunft vieler Projekte ungewiss: Wo in München überall Benko drinsteckt

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10.11.2023

München - Der Selfmade-Millionär und "Wirtschafts-Wunderwuzzi" René Benko hat sich offiziell aus dem Beirat des Immobilien- und Handels-Imperiums Signa zurückgezogen. Nun versucht der Insolvenz-Profi Arndt Geiwitz zu retten, was zu retten ist. Experten befürchten eine Zerschlagung, die Zukunft vieler Projekte in Deutschland, Österreich, Italien, Luxemburg und der Schweiz mitsamt dazugehörigen Arbeitsplätzen ist ungewiss.

In Berlin stehen bereits alle Signa-Baustellen still, auch in Hamburg, wo Benko den 245 Meter hohe Elbtower als neues Wahrzeichen der Stadt bauen lassen wollte, ist derzeit wegen Zahlungsrückständen erst mal Schicht im Schacht. Rund eine Milliarde Euro soll der Bau des dritthöchsten deutschen Gebäudes kosten.

Die Signa ist eine privat geführte Beteiligungs- und Industrieholding. Signa hatte sich auch in München breit gemacht und Immobilien und Kaufhäuser in bester Innenstadtlage einverleibt. Prestige-Objekte waren Benkos Steckenpferd, "Kaufen – Entwickeln – Verkaufen" die erklärte Unternehmensstrategie.

Zu dem verschachtelten Konzern gehört auch die zweitgrößte Warenhauskette Europas: Galeria-Kaufhof-Karstadt mitsamt Immobilien und Grundstücken an den meisten Standorten. Doch zuletzt lief nichts mehr nach Plan: Gestiegene Zinsen, gestiegene Baukosten, Abwertungen von Immobilien, aber immr neue Projekte – nun wird die Zerschlagung und der krachende Niedergang des gigantischen Konzerns befürchtet, zumindest aber Insolvenzen vieler Tochterunternehmen wie vor einigen Wochen von Signa Sports United. In den betroffenen Städten wird zudem befürchtet, dass die........

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