München - Mit einem Mal ist alles in der Schwebe. Nach der von Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) verhängten Haushaltssperre bangen Genossenschaften um ihre Projekte – und teils auch um ihre Zukunft. Der Grund: Das KfW-Programm 134 wurde mit sofortiger Wirkung gestoppt. Über dieses Förderprogramm vergab die KfW zinsgünstige Darlehen von bis zu 100.000 Euro pro Haushalt, ausschließlich zum Kauf von Genossenschaftsanteilen für eine selbst genutzte Wohnung.

Für viele Genossenschaftler, gerade in den teuren Großstädten, ist das die Möglichkeit, sich in eine Genossenschaft einzukaufen und so an günstigen und preislich stabilen Wohnraum zu kommen. Weil die Baukosten in den letzten Jahren enorm gestiegen sind, gehe das meist nicht mehr ohne die Kredite, erklärt Christian Stupka von der Genossenschaftlichen Immobilienagentur Gima.

Thomas Schimmel, Vorstand der Gima, führt aus, das erst 2022 eingeführte Programm, sei gerade in den Ballungsräumen wie München wichtig – vor allem für die Mittelschicht, die von den anderen eigentumsfördernden Maßnahmen des Bundes sehr oft nicht erfasst werde, sowie für jüngere und kleinere Genossenschaften.

Können sich die Mitglieder auf diesem Weg ihre Genossenschaftsanteile nicht mehr finanzieren, und die Genossenschaften in der Folge ihre Eigenanteilsbasis, die sie wiederum für die weitere Finanzierung benötigen, nicht mehr zusammenbekommen, können sie auch nicht mehr bauen.

In München sind 500 Wohnungen, alle aus Projekten, die 2022 den Zuschlag bekommen hatten und sich im Planungsprozess oder im Bau befinden, betroffen. "400.000 bis 500.000 Euro sind pro Projekt schon investiert worden, es mussten ja teilweise Wettbewerbe gemacht werden", erklärt Gima-Vorständin Ariane Gross.

Darüber hinaus sollen jetzt im Dezember Grundstücke für 525 Wohnungen in Freiham ausgeschrieben werden, in der Bayernkaserne im kommenden Jahr etwa noch einmal so viele. "Es kann sich nun vermutlich keine Genossenschaft leisten, sich darauf zu bewerben", so Gross.

Eine der so betroffenen Genossenschaften ist die Progeno, 2015 von zwölf Freunden gegründet. Sie wollte mit ihrem dritten Neubauprojekt auf dem Ex-Bayernkaserne-Areal Neufreimann gerade loslegen, erklärt Mitglied Lena Krahl. In den 100 Wohnungen sollen etwa 200 Personen wohnen. Investitionsvolumen: 45 Millionen Euro.

"Wir hatten allen Mitgliedern der Baugruppe den 134er empfohlen", sagt Krahl. "Jetzt steht alles auf wackligen Füßen." Die Mitglieder müssten nun versuchen, ihre Anteile frei zu finanzieren, mit viel höheren Zinsen. "Andere müssen womöglich aus der Baugruppe aussteigen, weil sie das nicht können", so Krahl. Eventuell müsse man einen Planungsstopp verhängen, weil ja gerade auch keine Mittel reinkämen.

Das droht auch bei der Genossenschaft "Das große kleine Haus". Sie plant im Kreativquartier ein Objekt mit 29 Wohnungen und acht Gewerbeeinheiten. "Für das Grundstück zahlen wir bereits Erbpacht", erklärt Julius Klaffke. "Und wir haben zeitliche Zusagen gemacht." Man arbeite ohne Rücklagen, mit dem Kapital der Mitglieder, die dort einziehen sollen.

"Durch die Veränderung haben wir nun ein akutes Liquiditätsthema. Wir wissen nicht, wie wir die Kosten, die durch die Planung entstehen, aufbringen." Er erklärt: "Erst muss das Eigenkapital stehen. Nur so bekommen wir die anderen Bausteine dazu."

Ähnlich schaut es bei der Genossenschaft Stadtimpuls aus, die – 2020 gegründet – derzeit ihr erstes Projekt in Neufreimann plant. 100 Wohnungen für 250 bis 300 Bewohner für 45 Millionen Euro. Es gibt EOF- und KMB-Wohnungen, sowie im München-Modell. Dementsprechend tragen alle künftigen Bewohner unterschiedlich stark zur Eigenkapitalbasis bei, erklärt Markus Zimmermann von Stadtimpuls.

So wie die Familie von Susanne Darabas. Wegen ihrer zwei sechs Jahre alten Kinder, die im nächsten Jahr eingeschult werden, würde die Familie gerne von einer Drei- in eine Vier-Zimmer-Wohnung ziehen. "Wir sind München-Modell berechtigt, haben aber schnell festgestellt, wie wenig es da auf dem Markt gibt, und sind so auf die Genossenschaft gestoßen", erklärt die Lektorin.

"Für uns ist das die einzige Möglichkeit, dauerhaft in München zu bleiben. Wir haben keinerlei Erbschaft oder Ähnliches im Rücken." Nach Monaten der Kreditanträge bei verschiedenen Banken liegen alle ihre Pläne nun auf Eis. "Die einzige Option ist dann für uns weit aus München rauszuziehen."

Noch akuter ist die Lage bei Wagnis. "Wir haben Mitglieder, die im Februar einziehen wollen, teilweise mit Eigenbedarfskündigungen", berichtet Rut-Maria Gollan. Dies zeigte, was passiert, "wenn sowas über Nacht und ohne Übergangsregelung wegfalle". Ohne die Kredite könnte diese Familien ihre Anteile nicht aufbringen. "Die haben keine Zeit, zu warten, bis sich die Bundesregierung wieder zurecht ruckelt. Das Ganze ist einfach nur total zynisch, total bitter", sagt sie.

Thomas Schimmel ist verärgert: Die Bedeutung des Programms und auch des genossenschaftlichen Wohnungsbaus allgemein für die Mittelschicht werde vom Bund völlig unterschätzt, kritisiert er. Auch Ariane Gross' Fazit ist klar: Es gebe keinerlei Verlässlichkeit mehr. "Dabei sind die Genossenschaften neben den Kommunalen doch die Einzigen, die gerade noch bauen."

QOSHE - Brisante Entscheidung in Berlin: Jetzt steht Münchens Wohnungsmarkt vor ... - Myriam Siegert
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Brisante Entscheidung in Berlin: Jetzt steht Münchens Wohnungsmarkt vor ...

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01.12.2023

München - Mit einem Mal ist alles in der Schwebe. Nach der von Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) verhängten Haushaltssperre bangen Genossenschaften um ihre Projekte – und teils auch um ihre Zukunft. Der Grund: Das KfW-Programm 134 wurde mit sofortiger Wirkung gestoppt. Über dieses Förderprogramm vergab die KfW zinsgünstige Darlehen von bis zu 100.000 Euro pro Haushalt, ausschließlich zum Kauf von Genossenschaftsanteilen für eine selbst genutzte Wohnung.

Für viele Genossenschaftler, gerade in den teuren Großstädten, ist das die Möglichkeit, sich in eine Genossenschaft einzukaufen und so an günstigen und preislich stabilen Wohnraum zu kommen. Weil die Baukosten in den letzten Jahren enorm gestiegen sind, gehe das meist nicht mehr ohne die Kredite, erklärt Christian Stupka von der Genossenschaftlichen Immobilienagentur Gima.

Thomas Schimmel, Vorstand der Gima, führt aus, das erst 2022 eingeführte Programm, sei gerade in den Ballungsräumen wie München wichtig – vor allem für die Mittelschicht, die von den anderen eigentumsfördernden Maßnahmen des Bundes sehr oft nicht erfasst werde, sowie für jüngere und kleinere Genossenschaften.

Können sich die Mitglieder auf diesem Weg ihre Genossenschaftsanteile nicht mehr finanzieren, und die Genossenschaften in der........

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