Harlaching - "Luxusradweg" – dieses Schlagwort fiel in der letzten Zeit wieder öfter. Während einigen der Ausbau der Radinfrastruktur in der Stadt nach wie vor nicht schnell genug voran geht, finden andere vieles davon überdimensioniert.

Erst Anfang Oktober hat der Stadtrat beschlossen, bei einigen geplanten Radweg-Umbauten, etwa an der Elisenstraße, noch einmal genau hinzuschauen und Pläne gegebenenfalls zu verschlanken (AZ berichtete). Doch nicht nur in der Innenstadt entstehen Diskussionen über Sinn, Unsinn oder Ausführung von Radwegen, auch in weiter außerhalb gelegenen Stadtbezirken ist nicht jeder und jede von der Münchner Radweg-Politik überzeugt.

Für "Steuergeldverschwendung" und einen Umweltfrevel hält etwa eine AZ-Leserin aus Harlaching einen aktuellen Radwegumbau an der St.-Magnus-Straße. Die Anwohnerin schreibt an die AZ, die Maßnahme sei "besorgniserregend". Die Errichtung des neuen Radwegs sei außerordentlich teuer, zudem müssten dafür diverse Bäume gefällt werden. Es dränge sich die Frage auf, so die Leserin, warum die Stadtregierung in Zeiten des Klimawandels "scheinbar so wenig Wert auf den Erhalt unserer Natur legt und gleichzeitig Steuergelder in derart verschwenderischer Weise ausgibt".

Weil die St.-Magnus-Straße bereits über einen Radweg verfügt, frage sie sich, warum man nicht einfach die Radwegbenutzungspflicht aufheben könnte, damit schnelle Radfahrer auf der Straße fahren können, andere könnten auf dem Radlweg bleiben. Der aufwendige Radwegausbau aber und auch die damit verbundenen Baumfällungen, wären obsolet und das Stadtbudget würde geschont, so die Harlachingerin.

Die AZ reicht diese Frage an die Stadt weiter. Handelt es sich hier um ein überdimensioniertes Steuergeld-Verschwendungs-Projekt? Das Mobilitätsreferat der Stadt (MOR), zuständig für die Radwegplanungen, erklärt auf AZ-Anfrage, warum es Radwege im allgemeinen, aber auch diesem speziellen Fall, so baut, wie es sie – meistens – baut.

Grundlage des Ganzen sei die "Mobilitätsstrategie 2035", mit der der Stadtrat im Sommer 2021 einen Fahrplan für die Verkehrswende in München festgelegt hat. Ein zentrales Ziel: die Förderung nachhaltiger Verkehrsmittel des Umweltverbundes – also des ÖPNV, des Fuß- und des Radverkehrs. Indem man die Radinfrastruktur ausbaut, möchte man mehr Verkehrssicherheit für Radler und Fußgänger schaffen und so den Anteil des Radverkehrs steigern.

Zusätzlich gilt: Werden Radwege neu oder umgebaut, geschieht dies möglichst nach den Zielen des Radentscheids, den der Stadtrat 2019 übernommen hat. Was an der St.-Magnus-Straße passiert, ist genauso ein radentscheidkonformer Umbau. Die Straße gilt als wichtige Verbindung auf der beschilderten Fahrradhauptroute Marienplatz - Harlaching. Auf der Internetseite des Mobilitätsreferats heißt es, die rund 550 Meter lange Straße würde "intensiv von Radfahrern genutzt", daher werden die vorhandenen zu schmalen Radwege verbreitert.

Konkret bedeutet das: Auf der gesamten St.-Magnus-Straße wird ein zur Fahrbahn baulich abgegrenzter Radweg mit 2,50 Metern Breite gebaut, der zwischen den Parkplätzen und den Baumgräben verlaufen wird. Zusätzlich zum Längsparkstreifen entsteht ein Sicherheitstrennstreifen, um Radfahrer vor sich öffnenden Autotüren zu schützen.

Die bisherigen Radwege werden den Gehwegen zugeschlagen. Die Einmündungen und Kreuzungsbereiche werden übersichtlicher, die Querungszeiten kürzer, so das MOR. Zudem entstehen Abstellplätze für bis zu 54 Fahrräder, 35 Autoparkplätze entfallen. Im Oktober 2021 habe der Stadtrat diese Maßnahme beschlossen.

Ist dieser Aufwand wirklich nötig? Das Mobilitätsreferat erläutert auf AZ-Anfrage näher, was wirklich sichere Radwege auszeichnet: Zum einen eine ausreichende Breite, um entspannt nebeneinander zu fahren. So können schnellere Radler mit genug Sicherheitsabstand Langsamere überholen. Zu anderen die bauliche Trennung von Rad- und Autoverkehr, sowie Fußgängern. So kommen sich Radler, Autos und Fußgänger nicht in die Quere und der Radweg kann nicht zugeparkt werden.

An Kreuzungen und Einmündungen werden Radwege zudem nah an der Fahrbahn geführt, damit Radler und Autofahrer einander gut sehen können. Rotmarkierte Furten markieren Gefahrenbereiche, Radwege werden farblich und markierungstechnisch so gestaltet, dass sie eindeutig erkennbar sind und eine klare Führung der Verkehrsteilnehmer begünstigen. An Ampeln bekommt der Radverkehr im besten Fall separate Signale, "um Konflikte mit abbiegenden Autos auszuschließen", so das Referat.

Diese neuen Radwege würden außerdem der Entwicklung Rechnung tragen, "dass immer mehr Menschen ganz unterschiedliche Fahrräder mit starken Geschwindigkeitsunterschieden, wie Lastenfahrräder, Pedelecs, Anhänger oder Rennräder nutzen". Zudem gebe es immer mehr Wirtschaftsverkehr mit elektrischen Kleinfahrzeugen, und E-Scooter würden die Radverkehrsinfrastruktur nutzen.

Das Referat betont, "gerade für Kinder, Senioren und ungeübte Radfahrer bieten die neuen Radwege eine große Verbesserung gegenüber den alten, schmalen und zum Teil baufälligen Ausführungen."

Gerade mit Blick auf diese will das MOR die Radler auch nicht auf die Straße verweisen: Für sie "ist die Nutzung der Fahrbahn im Mischverkehr keine Alternative, da viel zu gefährlich." Auf den Fahrbahnen herrsche Tempo 50 und viele Autofahrer hielten sich nicht an den gesetzlichen Überholabstand von mindestens 1,5 Metern zum Radverkehr. Zudem sei die Reaktion einiger Autofahrer gegenüber Radlern bei einer möglichen Aufhebung der Benutzungspflicht schwer vorauszusehen.

Was die Baumfällung angeht, gibt das Referat Entwarnung: Im Stadtratsbeschluss zur Umgestaltung der St.-Magnus-Straße sei man noch von drei zu fällenden Bäumen ausgegangen, dies konnte auf einen Baum reduziert werden. Dieser werde unabhängig von der Radwegeplanung, sondern wegen eines fehlenden Rettungswegs, der nun eingerichtet wird, gefällt. Dem stünden zudem 26 Neupflanzungen gegenüber.

An der St.-Magnus-Straße wird weiter gewerkelt. Nach dem Abschnitt zwischen Nauplia- und Noldinstraße ist ab 2024 der Bereich zwischen Noldin- und Grünwalder Straße dran. Mitte Dezember 2024 soll dann alles fertig sein.

QOSHE - "Besorgniserregend": Radweg-Umbau in München stößt auf Kritik - Myriam Siegert
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"Besorgniserregend": Radweg-Umbau in München stößt auf Kritik

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06.11.2023

Harlaching - "Luxusradweg" – dieses Schlagwort fiel in der letzten Zeit wieder öfter. Während einigen der Ausbau der Radinfrastruktur in der Stadt nach wie vor nicht schnell genug voran geht, finden andere vieles davon überdimensioniert.

Erst Anfang Oktober hat der Stadtrat beschlossen, bei einigen geplanten Radweg-Umbauten, etwa an der Elisenstraße, noch einmal genau hinzuschauen und Pläne gegebenenfalls zu verschlanken (AZ berichtete). Doch nicht nur in der Innenstadt entstehen Diskussionen über Sinn, Unsinn oder Ausführung von Radwegen, auch in weiter außerhalb gelegenen Stadtbezirken ist nicht jeder und jede von der Münchner Radweg-Politik überzeugt.

Für "Steuergeldverschwendung" und einen Umweltfrevel hält etwa eine AZ-Leserin aus Harlaching einen aktuellen Radwegumbau an der St.-Magnus-Straße. Die Anwohnerin schreibt an die AZ, die Maßnahme sei "besorgniserregend". Die Errichtung des neuen Radwegs sei außerordentlich teuer, zudem müssten dafür diverse Bäume gefällt werden. Es dränge sich die Frage auf, so die Leserin, warum die Stadtregierung in Zeiten des Klimawandels "scheinbar so wenig Wert auf den Erhalt unserer Natur legt und gleichzeitig Steuergelder in derart verschwenderischer Weise ausgibt".

Weil die St.-Magnus-Straße bereits über einen Radweg verfügt, frage sie sich, warum man nicht einfach die Radwegbenutzungspflicht aufheben könnte, damit schnelle Radfahrer auf der Straße fahren können, andere könnten auf dem Radlweg bleiben. Der aufwendige Radwegausbau aber und auch die damit verbundenen........

© Abendzeitung München


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