Am 3. März stimmt die Schweiz über zwei AHV-Vorlagen ab. Nebst der 13. AHV-Rente der Gewerkschaften steht die Initiative der Jungfreisinnigen über eine schrittweise Rentenaltererhöhung zur Sicherung der AHV-Finanzen an. FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt befürwortet die Vorlage, SP-Nationalrätin Sarah Wyss lehnt sie ab.

Die Schweizer Bevölkerung lebt länger. Die Geburtenrate sinkt. Der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung sinkt ebenfalls. Diese langfristigen Trends führen dazu, dass der AHV gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen in den kommenden 25 Jahren über 100 Milliarden Franken fehlen. Handeln wir nicht jetzt, werden in Zukunft die Mehrwertsteuer und Lohnabgaben massiv erhöht werden müssen.

Dies hätte zur Folge, dass alle in der Schweiz eine finanzielle Mehrbelastung erfahren würden. Der arbeitenden Bevölkerung würden jeden Monat mehr Abgaben von ihrem Lohn abgezogen werden, die konsumierende Bevölkerung müsste bei jedem Einkauf mehr Steuern zahlen, um die AHV-Finanzen zu stabilisieren. Wir sprechen von durchschnittlich 4 Milliarden Franken, die pro Jahr fehlen. Das ist viermal so viel, wie der Bund pro Jahr für die Berufsbildung ausgibt. Handeln wir nicht jetzt, wird der Bund schmerzliche Sparmassnahmen umsetzen müssen, um die AHV zu sanieren. So weit darf es nicht kommen.

Die Renteninitiative sieht einen Weg ohne höhere Steuern und Abgaben vor. Die Volksinitiative, welche am 3. März 2024 zur Abstimmung kommt, verlangt, dass das Rentenalter schrittweise in den kommenden 10 Jahren auf 66 Jahre angehoben wird. Im Anschluss soll es an die Lebenserwartung gebunden werden. Die Logik ist simpel. Wir beziehen heute durchschnittlich 10 Jahre länger eine AHV Rente als bei der Gründung der AHV. Wir zahlen aber immer noch gleich lange ein. Diese Rechnung geht nicht mehr auf. Wenn wir alle ein paar Monate länger einzahlen, können wir die AHV Finanzen und somit die AHV-Renten der Babyboomer Generation sichern.

Es ist klar, dass nicht jede und jeder bis 65 oder 66 Jahren arbeiten kann. Für die betroffenen Personen und Branchen müssen – wie dies heute zum Beispiel in der Baubranche bereits der Fall ist – sozialverträgliche Lösungen gefunden werden. Das Parlament wird dies bei der Umsetzung der Initiative berücksichtigen müssen. Die Arbeitslosenquote wie auch die Sozialhilfequote sind auf einem historischen Tiefstand. Die Arbeitgeber suchen händeringend nach Arbeitskräften. Mit der Anpassung des Rentenalters würde auch die Migration reduziert, da weniger Personal aus dem Ausland rekrutiert werden muss. Stimmen wir Ja zu einer gesunden AHV und somit Nein zu mehr Steuern und Abgaben.

Die Bevölkerung wird immer älter und das ist erfreulich! Die Renteninitiative der Jungfreisinnigen als Lösung ist jedoch falsch und gefährlich. Sie stellt einen drastischen Rentenabbau dar, wobei Normalverdienende bestraft werden, indem sie länger arbeiten, aber mit weniger Rente auskommen müssen. Auch Frühpensionierungen in besonders harten Jobs sind mit der Initiative gefährdet. Ein solcher Rentenabbau ist weder notwendig noch zielführend. Was wir brauchen, ist eine grundsätzliche Stärkung der ersten Säule – der AHV.

Arbeiten bis zum Umfallen? Bereits heute gehen rund ein Drittel der Menschen früher in die Rente – sofern es finanziell möglich ist. Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen oder auch im Teilzeitpensum können sich heute keine Frühpensionierung leisten. Durch eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters werden deshalb vor allem Normalverdienende und Menschen mit wenig Angespartem gezwungen, noch länger zu arbeiten – obwohl viele von ihnen bereits im Alter von 16 Jahren ins Berufsleben eingetreten sind.

Unsicherheit und Arbeitslosigkeit? Die Initiative vernachlässigt die aktuellen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in Bezug auf ältere Arbeitnehmende. 60- bis 64-Jährige weisen derzeit die höchste Arbeitslosenquote auf und im Vergleich zu anderen Altersgruppen sinkt diese Quote langsamer. Es bedarf daher Anstrengungen, die Arbeitslosigkeit im Alter zu verringern, anstatt das Rentenalter zu erhöhen.

Kürzungen sind notwendig? Nein. Obwohl es immer mehr Rentner/innen gibt, bleibt das System der AHV stabil, da unsere Wirtschaft produktiver wird und dadurch die Löhne steigen. Auch beteiligen sich erfreulicherweise immer mehr Frauen an der Erwerbsarbeit. Deshalb steigen die Beiträge an die AHV. Angstszenarien aus der Vergangenheit haben sich bislang nicht bewahrheitet. So musste der Bundesrat selbst seine Berechnungsmodelle revidieren. Gemäss den offiziellen Finanzperspektiven wird die AHV bis 2030 Reserven in Höhe von 70 Milliarden erreichen.

Die AHV muss gemäss der Verfassung existenzsichernd sein. Anstatt die AHV mit einer generellen Erhöhung des Rentenalters zu schwächen, sollte sie gestärkt werden, beispielsweise durch die Initiative für eine 13. AHV-Rente.

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Länger arbeiten, um die AHV zu sichern? Sarah Wyss und Andri Silberschmidt sind geteilter Meinung bei der Abstimmung über die Renteninitiative

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16.01.2024

Am 3. März stimmt die Schweiz über zwei AHV-Vorlagen ab. Nebst der 13. AHV-Rente der Gewerkschaften steht die Initiative der Jungfreisinnigen über eine schrittweise Rentenaltererhöhung zur Sicherung der AHV-Finanzen an. FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt befürwortet die Vorlage, SP-Nationalrätin Sarah Wyss lehnt sie ab.

Die Schweizer Bevölkerung lebt länger. Die Geburtenrate sinkt. Der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung sinkt ebenfalls. Diese langfristigen Trends führen dazu, dass der AHV gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen in den kommenden 25 Jahren über 100 Milliarden Franken fehlen. Handeln wir nicht jetzt, werden in Zukunft die Mehrwertsteuer und Lohnabgaben massiv erhöht werden müssen.

Dies hätte zur Folge, dass alle in der Schweiz eine finanzielle Mehrbelastung erfahren würden. Der arbeitenden Bevölkerung würden jeden Monat mehr Abgaben von ihrem Lohn abgezogen werden, die konsumierende Bevölkerung müsste bei jedem Einkauf mehr Steuern zahlen, um die AHV-Finanzen zu stabilisieren. Wir sprechen von durchschnittlich 4 Milliarden Franken, die pro Jahr fehlen. Das ist viermal so viel, wie der Bund pro Jahr für die Berufsbildung ausgibt. Handeln wir nicht........

© Aargauer Zeitung


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