Mehr als drei Jahre sind nach dem blutigen Sturm auf das US-Kapitol in Washington vergangen, doch seither hat sich nichts Grundlegendes verändert: Der maßgeblich Verantwortliche des damaligen Umsturzversuchs, Donald Trump, ist in den USA so populär wie eh und je. Bei den Republikanern ist ihm die Kandidatur zur Präsidentschaftswahl nicht mehr zu nehmen. Und im Duell mit dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden liegt Trump laut jüngsten Umfragen sogar voran.

Dass der Immobilien-Milliardär seine Wahlniederlage von 2020 immer noch nicht akzeptiert und an den Grundfesten der US-Demokratie rüttelt, schadet ihm nicht. Im Gegenteil. Sein offener Sexismus, rassistische Untertöne und seine Pläne, ein autoritäres Präsidentenamt mit weit größeren Machtbefugnissen, als es die US-Verfassung vorsieht, zu schaffen, kommen gut an.

Der Grund dafür ist simpel: Das Amerika des Jahres 2016, als sich Trump im Rennen um die Präsidentschaft gegen die Demokratin Hillary Clinton durchsetzte, hat sich in entscheidenden Punkten nicht verändert.

Trump ist immer noch der strahlende Held für die Amerikaner:innen, die sich vom „politischen Establishment“ übergangen fühlen. Dass Trump mit zahlreichen Strafverfahren kämpft, macht ihn für seine Anhänger:innen umso sympathischer: Er wird scheinbar genauso von einem abgehobenen System in die Mangel genommen wie man selbst. Und: Trumps Anhänger:innen eint die ewig gleiche Furcht: Die Furcht vor dem sozialen Abstieg, Furcht davor, finanziell ins Bodenlose zu fallen.

Viele Amerikaner:innen haben vier Jobs auf einmal und kommen doch nur knapp über die Runden. Sie sehnen sich zurück in jene Zeiten, als ein gewöhnlicher Arbeiter etwa in der Automobilindustrie mit seinem Gehalt problemlos eine Familie ernähren konnte. Es handelt sich dabei um die Menschen aus den strukturschwachen ländlichen Regionen, die ein:e gut situierte:r demokratische:r Wähler:in nur von oben aus dem Flieger kennt. In diesen Regionen regiert der Mangel – so gibt es dort nicht einmal Zugang zu gesunder Nahrung wie etwa frischem Obst oder Gemüse.

In Trump sehen viele einen Politiker, der denjenigen, nach denen kein Hahn kräht, Würde zurückgibt. In seinem Dunstkreis dürfen sie „proud“ sein – stolz auf sich und auf ihre Nation. „Make America great again“ („MAGA“) lautet immer noch der Slogan, die Trump-Fans fühlen sich als Teil einer „großartigen“ Bewegung. Trump-Wähler:innen haben überdurchschnittlich oft nur die Pflichtschule abgeschlossen. Trump verwendet in seinen Reden den Wortschatz eines Neunjährigen, das haben Studien ergeben. Es ist für alle verständlich, was er sagt und was er will, seine Lösungen sind einfach gestrickt. „America First“, das bedeutet hohe Zölle, um den eigenen Markt zu schützen, und keine Milliarden für unbekannte Länder wie die Ukraine, die dem/der durchschnittlichen Trump-Wähler:in nichts sagen.

Es sind die Frustrierten, die sich Trump-Kappen aufsetzen. Den Mainstream-Medien vertrauen sie nicht, Washington und dem Weißen Haus auch nicht. Schon gar nicht, seitdem in Person von Barack Obama ein Schwarzer dort Präsident war.

Vor allem aber sind es sind wütende Männer, die Trump in Scharen nachlaufen. Sie kommen mit einem veränderten Männerbild in den USA nicht zurecht. Damit, dass sie in Zeiten eines grundlegenden wirtschaftlichen Strukturwandels immer öfter ohne Job, Geld und Haus dastehen und nicht mehr die strahlenden Helden sind. Früher war es üblich, dass ein Mann allein die Familie ernährt hat und entsprechend selbstherrlich auftreten konnte. Das ist vorbei. Die Löhne sind derartig gesunken, dass eine US-Durchschnittsfamilie heute weniger Geld zur Verfügung hat als vor 40 Jahren, auch wenn die Frau mitverdient.

Die Auswirkungen auf das Wahlverhalten sind massiv: In den 70er-Jahren haben Männer und Frauen noch ungefähr gleich oft republikanisch oder demokratisch gewählt. Heute wählen Männer viel häufiger die Republikaner als Frauen. Von der konservativen „Grand Old Party“ erhoffen sie sich den Stopp eines Wandels, der nicht aufhaltbar ist. Die USA werden weiblicher, diverser und ethnisch gemischter. Das ist Tatsache.

Die Republikaner sind die Partei der weißen, etablierten, älteren, christlichen Männer. Die haben in den USA politisch immer die Hauptrolle gespielt. Jetzt bricht hier die Panik aus. Afroamerikaner:innen, Latinos und Asiat:innen bilden demnächst die Mehrheit im Land – eine demografische Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist. Die Republikaner sind das Sammelbecken jener geworden, die sich auf dem sinkenden Schiff wähnen. Unter Trump ist das offensichtlicher denn je.

QOSHE - Trump und die Ursachen einer rätselhaften Strahlkraft - Michael Schmölzer
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Trump und die Ursachen einer rätselhaften Strahlkraft

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08.03.2024

Mehr als drei Jahre sind nach dem blutigen Sturm auf das US-Kapitol in Washington vergangen, doch seither hat sich nichts Grundlegendes verändert: Der maßgeblich Verantwortliche des damaligen Umsturzversuchs, Donald Trump, ist in den USA so populär wie eh und je. Bei den Republikanern ist ihm die Kandidatur zur Präsidentschaftswahl nicht mehr zu nehmen. Und im Duell mit dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden liegt Trump laut jüngsten Umfragen sogar voran.

Dass der Immobilien-Milliardär seine Wahlniederlage von 2020 immer noch nicht akzeptiert und an den Grundfesten der US-Demokratie rüttelt, schadet ihm nicht. Im Gegenteil. Sein offener Sexismus, rassistische Untertöne und seine Pläne, ein autoritäres Präsidentenamt mit weit größeren Machtbefugnissen, als es die US-Verfassung vorsieht, zu schaffen, kommen gut an.

Der Grund dafür ist simpel: Das Amerika des Jahres 2016, als sich Trump im Rennen um die Präsidentschaft gegen die Demokratin Hillary Clinton durchsetzte, hat sich in entscheidenden Punkten nicht verändert.

Trump ist immer noch der strahlende Held für die Amerikaner:innen, die sich vom........

© Wiener Zeitung


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