Israelische Geiseln sollen im Austausch mit palästinensischen Gefangenen freikommen, außerdem könnte es im Gazastreifen eine viertägige Feuerpause geben. Eine kurze Zeitspanne, in der die gepeinigte Zivilbevölkerung in dem schmalen Küstengebiet durchatmen kann. Die Frage ist, wie es zu der Einigung zwischen den beiden Erzfeinden Israel und Hamas, die sich bis aufs Blut bekämpfen, gekommen ist. Und was bedeutet das für die Zukunft? Gibt es doch noch Hoffnung? Hier die wichtigsten Antworten:

Nach quälenden Wochen des Bangens der Angehörigen der israelischen Geiseln ist in der Nacht auf Mittwoch offenbar ein Durchbruch erzielt worden. Demnach werden in einem ersten Schritt 50 der rund 240 israelischen Geiseln freigelassen. Im Gegenzug kommen 150 Palästinenser:innen aus israelischen Gefängnissen frei. Die Betroffenen sollen schrittweise entlassen werden, insgesamt könnten 300 Palästinenser:innen gegen 100 Israelis ausgetauscht werden. Es wird eine Feuerpause geben, laut Hamas wird diese am Donnerstag um zehn Uhr in Kraft treten. Sie soll vier Tage dauern und es besteht eine kleine Chance, dass die Waffen noch etwas länger schweigen.

Es soll sich um Frauen und Kinder handeln. Darunter drei US-Staatsbürgerinnen und ein dreijähriges Kind. Bei den Palästinenser:innen sind vor allem junge Männer bis 18 Jahre betroffen, die mit Steinschleudern gegen israelische Sicherheitskräfte vorgegangen sind und festgenommen wurden. Dazu kommen Frauen, die überwiegend wegen Messerattacken verurteilt wurden.

Israels Premier Benjamin Netanjahu stellt klar, dass das jetzt keinesfalls das Ende des Krieges gegen die Hamas sei. Er steht in Israel massiv unter Druck und muss versuchen, möglichst viele Geiseln aus den Fängen der Hamas zu befreien. Gleichzeitig muss seine Ansage, die Terrororganisation komplett vernichten zu wollen, glaubhaft bleiben. Viele Israelis sind davon überzeugt, dass der Hardliner die Terroristen zu lang gewähren ließ, um die Rivalität mit der Fatah zu schüren, das Lager der Palästinenser:innen insgesamt zu lähmen und damit auch die international geforderte Zwei-Staaten-Lösung zu verunmöglichen. Die Hamas wiederum betont, den Finger am Abzug zu haben, um nicht den Eindruck zu erwecken, gegenüber Israel einzuknicken.

Ohne das Engagement Katars würde es die Einigung nicht geben. Das Golfemirat hat einen guten Draht zur Hamas, kann aber auch mit Israel reden und war so ideal als Vermittler. Langfristiges Ziel Katars ist es, das Blutvergießen im Gazastreifen nachhaltig zu stoppen.

Israel hat den Norden des Gazastreifens zumindest oberflächlich unter seine Kontrolle gebracht und will auch hunderte Tunnel zerstört haben. Die Hamas soll in diesem Bereich die Kontrolle verloren haben, sie ist militärisch klar geschwächt. In welchem Ausmaß das wirklich zutrifft, ist schwer festzustellen, manche Tunnelsysteme reichen Dutzende Meter unter die Erde. Klar ist, dass die Hamas in ihrer Gesamtheit noch lange nicht zerstört ist und ihre Kräfte zum Teil in Sicherheit bringen konnte. Ob Israel die Hamas überhaupt komplett vernichten kann, wird in Zweifel gezogen.

Israel geht im Straßen- und Häuserkampf schrittweise vor und versucht, seine Soldat:innen möglichst zu schützen. Trotzdem sind laut Armeeangaben bis jetzt mehr als 60 israelische Soldat:innen getötet worden. Wie viele bewaffnete Hamas-Leute „neutralisiert“ wurden, ist nicht bekannt, es handelt sich aber um ein Vielfaches der israelischen Verluste.

Ohne Zweifel wird der Krieg weitergeführt werden. Bis jetzt hat Israel kein überzeugendes Konzept vorgelegt, wie es im Gazastreifen nach dem Ende der Kampfhandlungen weitergehen und das entstandene Machtvakuum gefüllt werden soll. Die Idee einer Übergangsverwaltung, bestehend aus Technokraten, die von der UNO und arabischen Staaten gestützt werden, steht im Raum. Für die USA ist die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung weiterhin nicht hinfällig, in Washington weiß man aber, dass das kurz- und mittelfristig in der Region nicht umsetzbar ist.

QOSHE - Bewegung in Nahost: Ist Friede in Griffweite? - Michael Schmölzer
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Bewegung in Nahost: Ist Friede in Griffweite?

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22.11.2023

Israelische Geiseln sollen im Austausch mit palästinensischen Gefangenen freikommen, außerdem könnte es im Gazastreifen eine viertägige Feuerpause geben. Eine kurze Zeitspanne, in der die gepeinigte Zivilbevölkerung in dem schmalen Küstengebiet durchatmen kann. Die Frage ist, wie es zu der Einigung zwischen den beiden Erzfeinden Israel und Hamas, die sich bis aufs Blut bekämpfen, gekommen ist. Und was bedeutet das für die Zukunft? Gibt es doch noch Hoffnung? Hier die wichtigsten Antworten:

Nach quälenden Wochen des Bangens der Angehörigen der israelischen Geiseln ist in der Nacht auf Mittwoch offenbar ein Durchbruch erzielt worden. Demnach werden in einem ersten Schritt 50 der rund 240 israelischen Geiseln freigelassen. Im Gegenzug kommen 150 Palästinenser:innen aus israelischen Gefängnissen frei. Die Betroffenen sollen schrittweise entlassen werden, insgesamt könnten 300 Palästinenser:innen gegen 100 Israelis ausgetauscht werden. Es wird eine Feuerpause geben, laut Hamas wird diese am........

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