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Haftbefehl: Warum es diese Doku braucht

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05.11.2025

„Hast du schon die Hafti-Doku geschaut?“ – „Ja, ich muss erstmal drauf klarkommen“. Gespräche dieser Art haben wir in den letzten Tagen in unserem Umfeld zuhauf geführt. Aber warum eigentlich? Dass Rapper, die über Drogen rappen, Drogen nehmen, ist nichts neues. Dass Hip-Hop in prekären Verhältnissen entsteht, nicht. Dass Menschen, die im Rampenlicht stehen, oft nicht damit klarkommen (können), haben wir auch schon gesehen.

Trotzdem: Diese Dokumentation hittet anders. Wir haben uns gefragt, warum.

Das Denkmal, das sich Deutschlands wohl wichtigster Rapper Haftbefehl gebaut hat, schimmert schwarz und golden. 92 Minuten ist es lang, durchzogen von wummernden Bässen und dröhnender Stille. Zu Beginn ist da nur ein dunkelgrauer Stuhl und die Frage: „Aykut, wie geht es dir?“ Kurze Pause, kurzes Lächeln, Zigarettenrauch, wippendes Knie. „Wie es mir geht? Mir geht's gut, Brudi. Ich war in Therapie. Ganz ehrlich: Ich wär‘ gestorben, wenn ich „da“ nicht reingegangen wäre. Ich war schon tot.“

Mit da meint Aykut Anhan alias Haftbefehl eine Entzugsklinik. Zwei Jahre haben ihn Kameras für die die Netflix-Dokumentation „Haftbefehl – Die Babo Story“ begleitet. Sie zeigt seinen Aufstieg, seinen Höhenflug, seinen Fall und das erschütternd ehrlich. Schließlich sieht der Haftbefehl, der sich zu Beginn der Doku, also Ende 2024, auf dem dunkelgrauen Stuhl eine Zigarette anzündet, ganz anders aus als der von den Fotos. Aufgequollenes Gesicht, eingefallene Nase, ständiges röcheln. Es sind die sichtbaren Wunden seiner jahrzehntelangen Kokainabhängigkeit.

Auch darum geht es in der Doku, aber eben nicht nur. Die Geschichte von Haftbefehl ist eine komplexere. In ihr geht es um Selbstzerstörung, generationale Traumata und den Versuch, wieder Halt zu finden. Sie erzählt von Ruhm und Absturz, Abhängigkeit und Überleben. Von Frauen, die alles zusammenhalten müssen. Von Vätern, die nicht da sind. Von einem Kind, das den Suizidversuch eines Elternteils miterlebt, und am nächsten Morgen........

© Wiener Zeitung