Wer dachte, sexueller Missbrauch in Institutionen betreffe in erster Linie eine durch das Zölibat geprägte katholische Kirche, sieht sich mit einer erschütternden Realität konfrontiert. In der evangelischen Kirche gibt es deutlich mehr Fälle sexualisierter Gewalt als angenommen − und damit viel mehr Täter sowie vor allem Menschen, die unsägliches Leid erfahren mussten.

Knapp 10.000 Betroffene

Studie

Kommentar zur Reaktion auf Missbrauchsstudie

Die in der Missbrauchsstudie genannten Fallzahlen sind die Mini-Spitze des Eisbergs. Das Dunkelfeld ist riesig. Dass nicht alle Akten zur Verfügung standen, irritiert. Wieder stellen sich die ewig gleichen Fragen: Wer hat wann was gewusst? Wer hat was verschwiegen?

Wieder hat Führungspersonal versagt. Die Chefin der Evangelischen Kirche Deutschlands, Kurschus, ist zurückgetreten, weil sie Transparenz in einem Fall sexualisierter Gewalt vermissen ließ. Die Debatte innerhalb dieser Kirche beginnt jetzt erst. Endlich.

Was folgen muss, ist klar: Kinder müssen besser geschützt, Strukturen, die Missbrauch ermöglichen, zerschlagen werden. Institutionen, längst nicht nur beide Kirchen, müssen endlich schonungslos aufklären. Deutschland fehlt ein staatliches Aufarbeitungsgesetz. Für Millionen von sexuellem Missbrauch betroffenen Menschen gibt es häufig gar keine Ansprechpartner und erst recht keine Entschädigungen.

Die für das Münsterland zuständige Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) begrüßte die Studie. „Sie hilft uns dabei, Zusammenhänge besser zu verstehen und künftig alle Formen von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch noch wirksamer zu bekämpfen“, sagte der Theologische Vizepräsident Ulf Schlüter. Von Seiten der EKvW seien Daten über 110 Beschuldigte und 251 Betroffene aus dem Zeitraum von 1946 bis 2020 eingeflossen. In dieser Zeit erfolgten in Westfalen 18 Disziplinarverfahren gegen Pfarrpersonen. Seit 2021 haben demnach mehr als 16.632 Personen Präventionsschulungen absolviert.

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QOSHE - Evangelische Missbrauchsstudie: Immer nur die Spitze des Eisbergs - Ralf Repöhler
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Evangelische Missbrauchsstudie: Immer nur die Spitze des Eisbergs

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25.01.2024

Wer dachte, sexueller Missbrauch in Institutionen betreffe in erster Linie eine durch das Zölibat geprägte katholische Kirche, sieht sich mit einer erschütternden Realität konfrontiert. In der evangelischen Kirche gibt es deutlich mehr Fälle sexualisierter Gewalt als angenommen − und damit viel mehr Täter sowie vor allem Menschen, die unsägliches Leid erfahren mussten.

Knapp 10.000 Betroffene

Studie

Kommentar zur Reaktion auf Missbrauchsstudie

Die in der........

© Westfälische Nachrichten


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